«Es reicht nicht, Rassismus schlimm zu finden – man muss auch handeln»

Das Zürcher Kantonsparlament fordert einen Massnahmenplan gegen Rassismus. Die Debatte war emotional, teils gehässig und mitunter unfreiwillig komisch.

«es reicht nicht, rassismus schlimm zu finden – man muss auch handeln»

Der Kantonsrat will einen Massnahmenplan gegen Rassismus.

Ganz am Ende entfährt SP-Kantonsrätin Mandy Abou Shoak (Zürich) ein lautes, erleichtertes «Yesss!», beinahe reisst sie die Hände in die Höhe, besinnt sich aber dann doch auf die parlamentarischen Gepflogenheiten und legt einfach ungläubig die Hände an die Wangen.

Auf der Anzeigetafel leuchtet: 84 Ja, 79 Nein. Soeben hat der Kantonsrat ein Postulat gutgeheissen, das einen Massnahmenplan gegen Rassismus verlangt. Anderthalb Stunden hat der Rat zuvor über das Geschäft gestritten, das für Abou Shoak eine Herzensangelegenheit ist. Sie hat es von Sarah Akanji übernommen, die sich wegen rassistischer Angriffe vor einem Jahr aus dem Kantonsrat verabschiedete.

Und sie hat ein flammendes Plädoyer gehalten. Rassismus gebe es überall, er könne die Betroffenen krank machen, sagte sie. Aber er untergrabe auch die demokratischen Werte und den sozialen Zusammenhalt.

«es reicht nicht, rassismus schlimm zu finden – man muss auch handeln»

Kantonsrätin Mandy Abou Shoak hat ein Postulat durch den Rat gebracht, das einen Massnahmenplan gegen Rassismus forderte.

SVP sieht Problem bei «unfriedfertigen» Ausländern

Natürlich beteuerten in den anderthalb Stunden vor der Abstimmung alle, sie seien gegen Rassismus. Dennoch war das Ja keineswegs sicher. Denn SVP, FDP und Mitte sprachen sich trotzdem gegen den Massnahmenplan aus.

Isabel Garcia (Zürich), die selbst einen Migrationshintergrund hat und Ex-Präsidentin des Vereins Secondas ist, erklärte das Nein der FDP damit, dass der Vorstoss «zu breit angelegt» sei. Tatsächlich schlägt das Postulat verschiedene mögliche Massnahmen vor, etwa Prävention oder den Aufbau einer Fachstelle. Und vor allem Letzteres ist gar nicht nach dem Gusto der Freisinnigen: «Uns fehlt die Überzeugung, dass eine solche Fachstelle etwas bewirkt.»

Auch Stefan Schmid (SVP, Niederglatt) störte sich unter anderem an der Idee einer Fachstelle. «Wir glauben, dass Rassismus am ehesten begegnet werden kann, wenn man unfriedfertige Personen aus dem Ausland davon abhält, in die Schweiz zu kommen.» Parteikollege Ueli Bamert (Zürich) doppelte nach: «Die Kriminalstatistik zeigt, dass Gewalt ein Ausländerproblem ist.»

Der kühle Konter des Rafael Mörgeli

Das kam der Linken, wenig erstaunlich, in den falschen Hals. Sibylle Marti (SP, Zürich) sagte: «Es reicht nicht, Rassismus und Antisemitismus schlimm zu finden. Man muss auch bereit sein, etwas dagegen zu tun.» Welches das richtige Instrument sei, das müssten der Regierungsrat und die Verwaltung klären, so laute der Auftrag des Postulats.

Leandra Columberg (SP, Dübendorf) griff die bürgerliche Seite frontal an. Deren Voten seien bezeichnend für die fehlende Bereitschaft, sich mit dem eigenen Rassismus auseinanderzusetzen. «Dass es die SVP fertig bringt, Menschen, die in die Schweiz einreisen, die Schuld am Rassismus zu geben, ist respektlos.»

Eine Aussage, die Ueli Bamert wütend als «absolute Frechheit» bezeichnete: «Uns Rassismus vorzuwerfen, ist unterste Schublade.» Was Rafael Mörgeli (SP, Meilen) seinerseits zum kühl vorgetragenen Konter veranlasste: «Euer Jungparteipräsident ist wegen rassistischer Propaganda verurteilt, liebe SVP.»

Einen ganz eigenen Kampf, nämlich mit sich selbst, focht die GLP aus. Claudia Frei (Uster) redete lange über die Haken des Postulats. Darüber, dass es keine weitere Fachstelle brauche und auch kein einfacheres Meldeverfahren. Um dann eine Kehrtwende hinzulegen: «Aber wir müssen anerkennen, dass wir hier drin kaum nachvollziehen können, wie es ist, täglich mit Rassismus konfrontiert zu sein.» Deshalb unterstütze die Fraktion den Vorstoss trotz aller Vorbehalte.

Falsch ausgesprochene Namen und ein Schwarzer Peter

Die Debatte war aber nicht nur emotional und streckenweise gehässig, sondern wirkte teils wie eine Karikatur ihrer selbst. Da war etwa Vize-Ratspräsident Jürg Sulser (SVP, Otelfingen), der an diesem Sechseläutenmontag die Geschäfte führte und der Namen von Ratsmitgliedern wie Abou Shoak oder Qëndresa Sadriu-Hoxha nur stockend und mit falscher Aussprache über die Lippen brachte.

Da war aber auch André Müller (Uitikon), Fraktionspräsident der FDP. Er warf der linken Ratsseite vor, das Postulat mehr oder weniger absichtlich so formuliert zu haben, dass es die FDP nicht mittragen könne. Und dann sagte er: «Sie können uns dafür nicht den Schwarzen Peter zuschieben.» Stockte kurz, schob unter Gelächter des ganzen Saals nach: «Gut, das ist jetzt vielleicht nicht die beste Metapher in dem Kontext.»

Der Regierungsrat nahm das Postulat noch so gerne entgegen, wie Justizdirektorin Jacqueline Fehr sagte. «Wir wollen im Kampf gegen Rassismus mehr Wirkung erzielen.» Das Bundesparlament in Bern habe kürzlich – mit Unterstützung von Mitte und FDP – einen Aktionsplan gegen Rassismus in Auftrag gegeben, da passe das kantonsrätliche Postulat bestens: «Es bringt nämlich nichts, wenn der Bund viel Papier erlässt, aber nachher ist niemand da, der umsetzt, was darin steht.» Wie das am besten zu bewerkstelligen sei, werde nun ausgearbeitet. Die Botschaft, dass der Rat eher keine eigene Fachstelle wolle, sei angekommen.

Starten Sie jeden Tag informiert in den Tag mit unserem Newsletter der Morgen. Melden Sie sich hier an.

News Related

OTHER NEWS

Live-Panne bei „The Masked Singer“: Kandidat versehentlich enttarnt

Der Kiwi ist ein Teilnehmer von „The Masked Singer“ – doch bei seiner Performance am 26. November 2023 ging etwas schief. Die Maske verrutschte und der Promi darunter wurde enttarnt. ... Read more »

Fünf Tote nach Unwetter in Region Odessa - Die Nacht im Überblick

Infolge eines schweren Unwetters sind in der südukrainischen Region Odessa mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Weitere 19 Anwohner seien durch den Sturm verletzt worden, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr ... Read more »

Die Verkäuferin, die den Dieb in die Flucht trieb

Ein Räuber versuchte sein Glück in einer Bäckerei, nicht ahnend, dass er leer ausgehen würde. Die Verkäuferin trieb den Täter nämlich mit einem lauten Schrei in die Flucht. Nun hat die ... Read more »

In Beaver Creek begann die «Odi-Mania»: Odermatt hat sogar King Roger den Rang abgelaufen

Vier Jahre nach seinem ersten grossen Triumph in Beaver Creek hat Marco Odermatt als Skirennfahrer alles gewonnen. Und gemäss einer Studie hat der Buochser im letzten Frühling sogar «King» Roger ... Read more »

Die Katze von Taylor Swift ist das drittreichste Haustier der Welt mit einem Vermögen von 474 Millionen R$.

Veröffentlichung Olivia Benson, die Katze von Taylor Swift, hat nicht nur das Herz der Sängerin erobert, sondern zeichnet sich auch als eines der reichsten Haustiere der Welt aus, mit einem ... Read more »

Kurz zuvor sagte er noch «Ja, ich will»: Bräutigam erschiesst an Hochzeit Braut und drei Gäste

Bei einer Hochzeit in Thailand werden die Braut und drei Gäste erschossen. Der Täter: Bräutigam Chatorung S. Er richtete sich nach dem Blutbad selbst. Bräutigam erschiesst an Hochzeit Braut und ... Read more »

Bundesratswahl am 13. Dezember: FDP fürchtet Geheimplan gegen Cassis

Die FDP befürchtet bei den Bundesratswahlen ein politisches Manöver gegen ihren Magistraten Ignazio Cassis. Dabei würde der Partei ein Bundesratssitz weggenommen und dafür der Kanzlerposten zugeschanzt. FDP fürchtet Geheimplan gegen ... Read more »
Top List in the World