Er schrieb an seine Frau: «Für ewig dein Liebender, George» – dann verschwand George Mallory am Mount Everest

Im Basislager des Mount Everest macht sich am 27. Mai 1924 Verzweiflung breit. In den Tagen zuvor war das Wetter schlecht gewesen, einige Mitglieder der britischen Mount-Everest-Expedition entkamen einem Schneesturm im Hochlager auf 7000 Metern nur knapp.

George Mallory, der berühmteste Bergsteiger dieser Zeit, sitzt in einem Zelt aus Segeltuch 5500 Meter über Meer. Er trägt mehrere Schichten Kleidung aus Seide und Schafwolle. Mallory, 38 Jahre alt, schreibt einen Brief an seine Frau Ruth. Es wird sein letzter sein.

Mallory ist ein Alumnus der Universität Cambridge, er hat am Magdalene College Geschichte studiert und arbeitete danach als Lehrer an einer Privatschule. Seine Alma Mater hat in dieser Woche den Briefwechsel zwischen Mallory und seiner Ehefrau in digitaler Form veröffentlicht. In der Sammlung finden sich unter anderem Briefe von der Front, Mallory kämpfte im Ersten Weltkrieg in der Schlacht an der Somme. Enthalten sind auch Nachrichten von den drei Himalajaexpeditionen, denen Mallory nach dem Krieg angehörte.

er schrieb an seine frau: «für ewig dein liebender, george» – dann verschwand george mallory am mount everest

George Mallory in einer Aufnahme von 1920. ; Kemsley/Getty

Ruth Mallory, geborene Turner, macht sich im Mai 1924 Sorgen – wie jedes Mal, wenn ihr Mann im Himalaja unterwegs ist und sie mit den drei Kindern in England zurückbleibt. Er hat ihr versprochen, dass er zum letzten Mal versuchen werde, den Mount Everest zu besteigen und seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Am 3. März 1924 schreibt Ruth Mallory an George, der sich auf der Schiffsreise nach Indien befindet: «Ich weiss, dass ich oft böse und nicht nett war, und das tut mir sehr leid, aber der Grund war fast immer, dass ich unglücklich darüber war, so wenig von dir zu haben.»

In diesen Zeilen klingt die Vorahnung an, dass das Everest-Abenteuer schiefgehen könnte. Das sieht auch die Archivarin Katy Green vom Magdalene College so. Britischen Medien sagte sie: «Man weiss, dass er sterben wird. Liest man den Briefwechsel, denkt man immer wieder: ‹Oh, George, geh nicht.›» Die Briefe von Ruth Mallory gäben zudem einen seltenen Einblick in die Welt der englischen Frauen in den 1920er Jahren.

Zu dieser Welt gehört bei der Familie Mallory, dass das Geld knapp ist. Das liegt daran, dass die Bergsteiger der ersten Everest-Expeditionen selbst für die Ausrüstung verantwortlich sind und keinen Lohn erhalten. Sie müssen ausserdem für den Erwerbsausfall aufkommen. Die Briten halten das Amateurstatut hoch. Ruth Mallory schreibt ihrem Mann, dass das Konto überzogen sei, um 935 Pfund. Das entspricht nach heutiger Kaufkraft mehr als 57 000 Pfund. Der Bankier empfehle den Verkauf von Aktien, schreibt Ruth Mallory.

Der Everest ist für die Briten eine Frage der nationalen Ehre

Organisiert werden die Besteigungsversuche vom Mount-Everest-Komitee, das sich aus Mitgliedern der Royal Geographical Society und des Alpine Club zusammensetzt. Dass Briten als Erste den höchsten Berg der Welt erklimmen, ist eine Frage der nationalen Ehre – im Rennen um den Südpol hatten die Norweger in der Person von Roald Amundsen sie übertrumpft. Es ist unter anderem diese Bedeutung, die Mallory dazu bewegt, ein drittes Mal in den Himalaja zu ziehen. Vielleicht sind aber auch Schuldgefühle für seine Rückkehr verantwortlich.

Die Expedition zwei Jahre zuvor wurde abgebrochen, nachdem sieben Sherpas in einer Lawine ums Leben gekommen waren. Mallory schrieb: «Die Folgen meines Fehlers sind schrecklich.» Es gebe keine Verpflichtung, der er so gerne nachkommen wollte, wie die, sich um diese Männer zu kümmern. «Sie sind wie Kinder, wenn es um die Gefahren in den Bergen geht, und sie tun so viel für uns; und jetzt sind durch meine Schuld sieben von ihnen getötet worden.» Den Medien teilte er seine düsteren Gedanken nicht mit. Auf die Frage der «New York Times», warum er auf diesen Berg wolle, antwortete Mallory lakonisch: «Weil er da ist.»

Mallory und seine Mitstreiter unternehmen die Besteigungsversuche von der tibetischen Seite her; das Königreich Nepal ist für Ausländer gesperrt. Das gilt auch noch während der letzten Expedition 1924. Von der Nordseite des Everest berichtet Mallory am 16. Mai aus dem Lager II auf 5900 Metern Höhe von schlechtem Wetter und Schneefall. Er schreibt aber auch: «Es wird dich freuen, dass ich diese schlimme Zeit unversehrt und in hervorragender körperlicher Verfassung überstanden habe.»

Weniger schmeichelhafte Worte findet Mallory für einige seiner Kumpanen. Er schreibt: «Die Leistung von (Noel) Odell und (John de Vere) Hazard an dem Tag, an dem sie den Nordsattel auskundschaften sollten, war sicherlich enttäuschend. Und (Bentley) Beetham hat seine Form noch nicht wiedergefunden. Keiner der drei hat gezeigt, dass er wirklichen Mumm hat.» Sich selbst erachtet er hingegen als den Stärksten aller Expeditionsmitglieder. «Ich bin von allen derjenige, der es am ehesten auf den Gipfel schaffen wird.»

Mallory berichtet von Hustenanfällen, die einem die «Eingeweide herausreissen können»

Zwei Wochen später ist die Zuversicht verflogen. Im letzten Brief vom 27. Mai 1924 schreibt Mallory: «Mein liebes Mädchen, es war eine ganz schlechte Zeit. Ich blicke zurück auf gewaltige Anstrengungen, Erschöpfung und düsteres Starren aus einer Zelttür auf eine Welt aus Schnee und schwindenden Hoffnungen.»

Sie hätten zwar den Nordsattel auf 7000 Metern erreicht und dort ein Lager aufgeschlagen. Doch eine Nacht auf dieser Höhe bringt Mallory an die körperlichen Grenzen. Seit einigen Tagen schon plagt ihn ein hartnäckiger Husten. «Im Hochlager war es die Hölle. Ich konnte nicht schlafen, sondern war von Hustenanfällen geplagt, die einem die Eingeweide herausreissen können.»

An den Gipfelerfolg scheint Mallory nicht mehr zu glauben; die Chancen stünden «50 zu 1 gegen uns». Er hoffe, dass der Monsun ihm noch eine Chance geben werde. Setzt am Everest der Sommermonsun mit heftigen Niederschlägen ein, endet die Besteigungssaison, das ist heute noch so. Mallory schreibt: «Wir werden übermorgen aufsteigen – sechs Tage bis zum Gipfel von diesem Lager aus.»

Und dann: «Die Kerze brennt aus, ich muss enden.» Mallory schreibt noch: «Liebling, ich wünsche dir das Beste, was ich kann – dass deine Angst ein Ende hat, bevor du das hier bekommst –, mit den besten Nachrichten.»

Wenige Tage später macht sich Mallory mit Andrew Irvine auf den Weg zum Gipfel. Die Begleiter warten vergeblich auf ihre Rückkehr. Mallory stirbt am 8. oder 9. Juni 1924, seine Leiche wird erst 1999 gefunden, rund 600 Meter unterhalb des Gipfels. Sein Kamerad Irvine ist weiterhin verschollen.

Ob die beiden den Mount Everest erreicht haben, bleibt während Jahrzehnten Anlass für hitzige Diskussionen. Irvines Eispickel wird 1933 auf dem Gipfelgrat in 8500 Metern Höhe gefunden. Befeuert werden die Spekulationen über einen Gipfelerfolg dadurch, dass bei Mallorys Leiche ein Bild seiner Frau Ruth fehlte. Er hatte ihr versprochen, das Foto auf dem Gipfel zurückzulassen. Experten gehen mittlerweile aber davon aus, dass die beiden es nicht bis nach oben geschafft haben.

Als Ruth Mallory den letzten Brief bekommt, ist ihr Mann bereits tot. Die letzte Zeile lautet: «Für ewig dein Liebender, George.»

Der gesamte Briefwechsel findet sich auf der Website des Magdalene College der University of Cambridge.

News Related

OTHER NEWS

Live-Panne bei „The Masked Singer“: Kandidat versehentlich enttarnt

Der Kiwi ist ein Teilnehmer von „The Masked Singer“ – doch bei seiner Performance am 26. November 2023 ging etwas schief. Die Maske verrutschte und der Promi darunter wurde enttarnt. ... Read more »

Fünf Tote nach Unwetter in Region Odessa - Die Nacht im Überblick

Infolge eines schweren Unwetters sind in der südukrainischen Region Odessa mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Weitere 19 Anwohner seien durch den Sturm verletzt worden, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr ... Read more »

Die Verkäuferin, die den Dieb in die Flucht trieb

Ein Räuber versuchte sein Glück in einer Bäckerei, nicht ahnend, dass er leer ausgehen würde. Die Verkäuferin trieb den Täter nämlich mit einem lauten Schrei in die Flucht. Nun hat die ... Read more »

In Beaver Creek begann die «Odi-Mania»: Odermatt hat sogar King Roger den Rang abgelaufen

Vier Jahre nach seinem ersten grossen Triumph in Beaver Creek hat Marco Odermatt als Skirennfahrer alles gewonnen. Und gemäss einer Studie hat der Buochser im letzten Frühling sogar «King» Roger ... Read more »

Die Katze von Taylor Swift ist das drittreichste Haustier der Welt mit einem Vermögen von 474 Millionen R$.

Veröffentlichung Olivia Benson, die Katze von Taylor Swift, hat nicht nur das Herz der Sängerin erobert, sondern zeichnet sich auch als eines der reichsten Haustiere der Welt aus, mit einem ... Read more »

Kurz zuvor sagte er noch «Ja, ich will»: Bräutigam erschiesst an Hochzeit Braut und drei Gäste

Bei einer Hochzeit in Thailand werden die Braut und drei Gäste erschossen. Der Täter: Bräutigam Chatorung S. Er richtete sich nach dem Blutbad selbst. Bräutigam erschiesst an Hochzeit Braut und ... Read more »

Bundesratswahl am 13. Dezember: FDP fürchtet Geheimplan gegen Cassis

Die FDP befürchtet bei den Bundesratswahlen ein politisches Manöver gegen ihren Magistraten Ignazio Cassis. Dabei würde der Partei ein Bundesratssitz weggenommen und dafür der Kanzlerposten zugeschanzt. FDP fürchtet Geheimplan gegen ... Read more »
Top List in the World