Ein Student aus prominentem Elternhaus driftet in eine düstere Parallelwelt ab – und sticht zu. Der Richter spricht beim Urteil von einer «eiskalten Tat»

ein student aus prominentem elternhaus driftet in eine düstere parallelwelt ab – und sticht zu. der richter spricht beim urteil von einer «eiskalten tat»

Alex trug am Tag der Tat ein schwarzes T-Shirt mit der ;Aufschrift «White Lives Matter». Illustration Anja Lemcke / NZZ

Alex Simons (Name geändert) kommt aus prominentem Elternhaus in Zürich. Irgendwann driftet der junge Mann in eine düsterere Welt ab. In eine Welt, in der Schwarze, Frauen, Homosexuelle als minderwertig betrachtet werden. Simons setzt Tweets voller Hass und Verachtung ab.

Ende Juni 2020 kommt es zu einer verhängnisvollen Eskalation. Simons zieht sich ein T-Shirt mit der Aufschrift «White Lives Matter» über. Bei einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe von FCZ-Fans zückt er ein kurz zuvor gekauftes Rüstmesser und sticht auf einen jungen Mann ein.

Zwei Mal trifft Alex Simons den FCZ-Fan in den Rücken, drei Mal in Ober- und Unterarm. Nur wenig fehlt, und das Opfer hätte die Auseinandersetzung nicht überlebt.

9-jährige Freiheitsstrafe

Nun, fast vier Jahre später, hat das Bezirksgericht Zürich sein Urteil in dem Fall gesprochen. Es verurteilt den 26-jährigen Simons zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren – wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, Sachbeschädigung, öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit, Rassendiskriminierung und weiterer Delikte.

Neben der Freiheitsstrafe spricht das Gericht auch eine Geldstrafe von 170 Tagessätzen à 30 Franken aus. Zudem muss Simons dem Opfer der Messerattacke eine Genugtuung von 30 000 Franken zahlen.

Die beim Streit beteiligten FCZ-Anhänger hat das Gericht vom Vorwurf des Raufhandels freigesprochen. Dieser sei nicht rechtsgenügend nachweisbar, hält der Richter fest.

Die Staatsanwältin hatte während der Verhandlung eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren beantragt. Der Verteidiger verlangte hingegen einen Freispruch. Der junge Mann habe in Notwehr gehandelt.

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich das Bezirksgericht Zürich über den Fall beugen musste. Im Juli 2022 hatte das Gericht den Studenten schon einmal wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Rassismus verurteilt. Damals gab es eine Freiheitsstrafe von 5,5 Jahren. Doch das Obergericht als Beschwerdeinstanz wies das Urteil wegen schwerer Verfahrensmängel zurück an die Vorinstanz.

«Eiskalt» zugestochen

In neuer Besetzung hat das Gericht nun eine deutliche höhere Strafe gesprochen.

Bei der mündlichen Urteilseröffnung am Dienstag erklärt der Richter: «Sie haben am helllichten Tag eiskalt auf Ihren Kontrahenten eingestochen, fünf Mal in schneller Abfolge gegen einen unbewaffneten jungen Mann.» Die Tiefe der Stiche habe er nicht kontrollieren können. Simons habe deshalb tödliche Verletzungen in Kauf genommen. Es sei bloss dem Zufall zu verdanken, dass das Opfer überlebt habe. Das Vorgehen offenbare eine Geringschätzung des Lebens. Als Motiv sehe das Gericht ein gekränktes Ego des Beschuldigten.

Der Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung sei deshalb fraglos erfüllt. Der Messerangriff sei zwar nicht geplant gewesen. Alex Simons sei sich aber bewusst gewesen, dass er mit seinem T-Shirt provoziere.

Laut dem Richter war Simons zwar in Bedrängnis. Es sei zu Schubsern und Rempeleien gekommen. Eine Notwehrsituation, wie der Student und sein Anwalt geltend machten, liege aber nicht vor. Es sei für das Gericht nicht erstellt, dass der junge Mann vor den FCZ-Fans habe flüchten wollen oder dass er in Panik geraten sei, sagt der Richter. «Das lässt sich weder auf den Aufnahmen der Überwachungskameras noch in den Aussagen von Zeugen ausmachen.»

Es hätte laut dem Richter für Simons viele Möglichkeiten gegeben, um sich in Sicherheit zu bringen. Es habe im Einkaufszentrum an diesem Tag viele Leute gehabt, und Simons hätte sich auch in einen Laden begeben können, um Schutz zu suchen. Doch all das habe er nicht getan. Zudem habe sich das spätere Opfer wohl bereits abgewendet, als der Student zur Tat geschritten sei.

Verstörende Tweets

In den Monaten vor dem Ausflug zum Shoppingcenter war Simons immer mehr in eine düstere Parallelwelt abgedriftet. Auf seinem Handy fand die Polizei nach der Tat verstörende rechtsextreme und gewaltverherrlichende Tweets.

Mal behauptete der junge Mann: «Schwarze haben einen tieferen IQ, eine erhöhte Aggression. Schwarze haben überhaupt keine kulturelle Errungenschaft vorzuweisen, Weisse haben die Welt erfunden.» Dann erklärte er, jedes Antifa-Mitglied sollte öffentlich hingerichtet werden.

Schliesslich kam es am 27. Juni 2020 zur verhängnisvollen Tat. Das Shirt mit dem Slogan, der vor allem in rechtsextremen Kreisen genutzt wird, provozierte eine Gruppe von FCZ-Fans, die sich an diesem Tag beim Sihlcity besammelt hatten. Es kam zunächst zu einem Wortgefecht und daraufhin zu einem Handgemenge zwischen Simons und mehreren FCZ-Anhängern. Dann zückte Simons das Rüstmesser.

Die Messerattacke bezeichnete das Opfer vor Gericht als den schlimmsten Tag seines Lebens. Man habe mit Simons über das T-Shirt diskutieren wollen, dann sei es zum Handgemenge gekommen. «Als ich dachte, dass es beendet ist, drehte ich mich um. Ich merkte aber, dass er wieder näher kommt, und habe meine Hände zum Schutz raufgenommen. Dann hat er auf mich eingestochen.»

Alex Simons machte während der Gerichtsverhandlung keine Aussage zu den Geschehnissen. Sein Anwalt argumentierte, die Tat sei eine Notwehraktion gewesen. Der Student habe sich von der Gruppe junger Männer verfolgt gefühlt. Alex habe nur weggewollt und versucht, die Situation zu beruhigen. Als die anderen auf ihn eingeschlagen hätten, habe er schliesslich in Todesangst reagiert. «Er handelte in einer akuten Stresssituation, die von Bedrohung, Zeitdruck, Angst und Panik geprägt war.»

Erst ganz am Ende der Verhandlung stand auch Simons auf und verlas ein paar Worte. Zu dem jungen Mann, den er niedergestochen hatte, sagte er: «Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Sie so schwer verletzt habe. Es war nicht meine Absicht.» Er habe aus purer Angst gehandelt.

Er habe sich damals verrannt, in einer schwierigen Phase seines Lebens. «Wenn ich heute auf diese Delikte zurückblicke, dann sehe ich einen jungen, unsicheren Mann, der nicht mit Ereignissen, die auf ihn einprasselten, umgehen konnte.»

Bruder des Täters wegen Vandalenakt verurteilt

Vor dem Bezirksgericht verantworten musste sich auch der Bruder von Simons. Die Brüder waren knapp drei Wochen vor der Messerattacke zusammen losgezogen und hatten mit einer Machete eine Jungbuche umgehackt. Drei Tage später schlugen sie im Rieterpark auf eine 200-jährige Linde ein und hinterliessen eine tiefe Kerbe im Baum. Wegen der Aktion und Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilte das Gericht den Bruder zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken.

Urteile DG 230182, DG 230183, DG 230184, DG 230185, DG 230186 vom 16. 4. 24, noch nicht rechtskräftig.

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