Witwen und Witwer sollen künftig gleich viel Rente bekommen. Doch die Vorlage diene nicht der Gleichstellung, sondern nur dem Sparen, sagt Menschenrechts-Aktivistin und Betroffene Andrea Huber.
Ein Appenzeller hat mit seiner Klage beim Menschenrechts-Gerichtshof in Strassburg für Gleichstellung gesorgt. Die Ungleichbehandlung für Witwen und Witwer in der Schweiz ist unzulässig. Heute bekommen verwitwete Frauen die Witwenrente unbegrenzt, Witwer bekommen sie nur, bis die Kinder volljährig sind.
Die neue Gesetzesvorlage des Bundesrats sieht vor, dass Witwen und Witwer einander künftig gleichgestellt sind (siehe Box). Die Vernehmlassungsfrist läuft bis Ende März.
Nun kommt Kritik vom Verein Aurora, einer Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern. «Der Vorschlag des Bundesrats träfe Frauen viel stärker als Männer», sagt Andrea Huber, Vereinsmitglied und Betroffene. Ihr Mann ist vor zweieinhalb Jahren infolge einer Covid-Infektion gestorben, die gemeinsame Tochter ist heute zwölf Jahre alt.
«Das Geld wird Frauen und ihren Kindern fehlen»
Das Urteil des EGMR sei sehr wichtig, sagt Huber, die sich als Gründerin von «Schutzfaktor M» seit Jahren für Menschenrechte engagiert. Und auch die Gleichstellung von verheirateten und ledigen Witwen und Witwern sei begrüssenswert. «Doch darüber hinaus ist es keine Gleichstellungsvorlage, sondern eine reine Sparübung.» Tatsächlich rechnet der Bundesrat mit Einsparungen von 720 Millionen Franken bei der AHV und 160 Millionen beim Bund. «Dieses Geld wird verwitweten Frauen und ihren Kindern für die Existenzsicherung fehlen», sagt Andrea Huber.
Die Vorlage schaffe nicht Gleichstellung, sondern eine indirekte Diskriminierung der Frauen, die öfter als Männer verwitwet seien, schreibt Aurora in der Vernehmlassungsantwort, die 20 Minuten vorliegt. Rund 403’000 Personen sind in der Schweiz verwitwet, etwa 80 Prozent davon sind Frauen. «Eine solche Witwenrenten-Revision darf erst erfolgen, wenn sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern», sagt Aurora-Vorstandsmitglied Christine Perolini.
«Verwitwete haben keine Stimme»
Andrea Huber weiss es aus eigener Erfahrung: «Wer seinen Partner oder die Partnerin durch Tod verliert, kämpft mit Trauer und muss gleichzeitig die Kinder trösten und stützen, hinzu kommen Haus- und Erwerbsarbeit. Betroffene sind mit alldem allein.» Der Bundesrat verkenne, dass Scheidung und Verwitwung nicht vergleichbar seien.
Was Andrea Huber ebenfalls umtreibt: «Seit mein Mann gestorben ist, kämpfe ich für unsere Rechte.» Auch die Auseinandersetzung mit Stellen und Behörden nehme viel Raum ein. «Wenn das schon für mich schwierig ist, wie geht es erst anderen Betroffenen, die sich weniger gut auskennen und ausdrücken können?» Verwitwete hätten keine Stimme und keine Lobby, sagt sie.
Braucht es eine Härtefall-Regelung?
Der Verein Aurora, der 420 Mitgliederfamilien hat, fordert vom Bundesrat, die laufenden Hinterlassenenrenten weiterhin auszurichten, sowie eine zweijährige Übergangsrente für alle Verwitweten, ledig oder verheiratet, wenn das jüngste Kind das 25. Altersjahr vollendet hat.
GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy versteht die Kritik teilweise. Allerdings bringe die Revision einige Vorteile mit sich: Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie von ledigen und verheirateten Verwitweten. Doch es drohten tatsächlich Härtefälle, wenn etwa Mütter den Partner verlieren, die jahrzehntelang wegen fehlender Kita-Plätze nicht erwerbstätig gewesen seien, jedoch aufgrund des Alters der Kinder nicht mehr rentenberechtigt sind. Die Alliance F sei deshalb der Ansicht, dass es für diese Fälle noch eine Härtefall-Regelung brauche, so Co-Präsidentin Bertschy.
Anderer Ansicht ist SVP-Nationalrätin Martina Bircher. «Für einmal hatte ich wirklich Freude an einem EGMR-Entscheid.» Natürlich habe sich die Linke erhofft, dass man die Rentenleistungen auch für Witwer erhöhe. Doch das sei einfach nicht mehr zeitgemäss, nach einem Todesfall so lange Zeit Renten auszurichten. «Witwen bekommen die Rente heute sogar noch, wenn sie wieder heiraten.» Bircher sagt aber auch, dass Härtefälle möglich seien. «Aber irgendwo muss man die Grenze machen.»
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