Grosse Widrigkeiten, gelungener Einstand

Zum Auftakt des Jazzfestivals Basel begeisterte die New Yorker Sängerin Samara Joy das Publikum im ausverkauften Volkshaus mit einem anspruchsvollen Programm.

grosse widrigkeiten, gelungener einstand

Singendes Pendant zu Charlie Parker: Die 24-jährige New Yorker Musikerin Samara Joy.

Dieses Ritual kennt man von unzähligen anderen Konzerten aus dem Bereich Jazz, Blues und Funk: Die Begleitband spielt sich auf der Bühne ein bisschen warm, erst dann nimmt der Star des Abends seinen Platz in ihren Reihen ein. In der Regel dauert dieser Instrumentencheck eine ganze Nummer lang, wenn nicht noch länger. Beim Samara Joy Quartet, das heuer das Eröffnungskonzert beim Jazzfestival Basel bestritt, haben die Musiker aber kaum Schritt gefasst, da steht die gefeierte Sängerin schon am Mikrofonständer. Und bricht gleich mit sämtlichen Konventionen des Vocal Jazz.

Im ausverkauften Volkshaus verzichtet Samara Joy auf einen publikumsfreundlichen Einstieg mit einem Standard aus dem Great American Songbook, wie sich das bei Konzerten in diesem Fach empfiehlt. Minutenlang und dazu noch solo lotet die multiple Grammy-Gewinnerin sämtliche Facetten ihrer beachtlichen Gesangskunst aus. Auf die Stimmgewalt, auf die schrillen Töne im oberen Register und die gewagten Ornamentierungen, die Joy gleich zu Beginn ihres allerersten Basler Gastspiels vorführt, ist man nicht gefasst.

An den experimentellen Rändern des Jazz

Aufgrund ihrer eher gedämpften Alben würde man Samara Joy bei Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan einreihen, also bei den Charakterdarstellerinnen des Vocal Jazz. Nur greift dieser Vergleich zu schnell zu kurz. Joy ist erst 24 Jahre alt: Ihr fehlen noch die Lebenserfahrung und vielleicht auch die Gelassenheit, um den teilweise von ihr verfassten Liedtexten die narrative Souplesse zu geben. So erzählt Joy auch dann keine Geschichten nach, wenn sie am Montagabend ins Repertoire von Billie Holiday und Betty Carter eintaucht. Eher interessieren sie die melodischen Möglichkeiten, die Cameron Campbell (Klavier), Felix Moseholm (Bass) und Evan Sherman (Schlagzeug) ihr mit komplexen Harmoniestössen und schiefen Grooves eröffnen.

Es scheint beinah so, als möchte Samara Joy ein singendes Pendant zu Charlie Parker sein. Schon die Einstiegsnummer «Reincarnation of a Lovebird» (Charles Mingus) ist eine Hommage an den unberechenbaren Saxofonisten. Weitere Stücke von Thelonious Monk, Ornette Coleman und Sun Ra machen deutlich, wie gut Joy sich an den experimentellen Rändern des Jazz auskennt. Dass sie das Basler Publikum mit diesem schwierigen Programm mit geringem Erkennungswert zu Standing Ovations verführt, liegt an der Energie, der Leidenschaft und auch dem Humor, mit dem sie dieses oft obskure Material meistert.

Auf dem Weg zum wohlverdienten Zugabenblock geht Joy immer mehr in der Musik auf. Die grellen Töne im oberen Register fallen weg, die vielen Wendungen bei der Melodieführung auch. Am Ende des regulären Programms angekommen, belohnt sie das Publikum mit dem gradlinigen Blues «Fine and Mellow» und der schnörkellosen Ballade «Guess Who I Saw Today».

Dass man Samara Joy im Volkshaus allen Widrigkeiten zum Trotz so gern zuhört, hat klare Gründe. Bei dieser Musikerin passiert etwas ganz Grosses, von ihr wird man noch viel hören. Darum ist man dankbar, Samara Joy so früh in ihrer Karriere erlebt zu haben. Einen besseren Start könnte sich das Jazzfestival Basel 2024 kaum wünschen.

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