Die «Gratis-Bürger»: Auslandschweizer dürfen abstimmen, ohne hier Steuern zu zahlen – prompt wollen sie eine 13. AHV-Rente

die «gratis-bürger»: auslandschweizer dürfen abstimmen, ohne hier steuern zu zahlen – prompt wollen sie eine 13. ahv-rente

Statistisch betrachtet wohl ein Befürworter einer 13. AHV-Rente: Mitglied des Auslandschweizerrats, der sich zweimal jährlich versammelt. ; Gian Ehrenzeller / Keystone

Ist das nun viel oder wenig? 68 Prozent der Auslandschweizer finden laut der SRG-Umfrage zu den Abstimmungen vom 3. März, die AHV solle in Zukunft eine 13. Monatsrente auszahlen. Das ist ein hoher Wert, wenn man ihn mit der Gesamtheit der Stimmberechtigten vergleicht. Hier liegt die Zustimmung lediglich bei 53 Prozent.

Hingegen ist es ein erstaunlich tiefer Wert, wenn man die spezielle Situation der Auslandschweizer bedenkt. Für sie ist der Ausbau der AHV, den die Gewerkschaften mit ihrer Initiative verlangen, ausserordentlich attraktiv: Sie können dem milliardenschweren Projekt in der wohligen Gewissheit zustimmen, dass sie sich nicht an den Mehrkosten beteiligen müssen, solange sie im Ausland leben, dass sie aber in vollem Umfang davon profitieren können.

Besonders verlockend ist die Vorlage für die 125 000 Pensionierten unter den Auslandschweizern. Sie würden die zusätzliche Monatsrente ab 2026 ohne Gegenleistung erhalten, und dabei geht es im Durchschnitt um immerhin 1200 Franken im Jahr. Das Maximum beträgt 2400 Franken, für Ehepaare 3600 Franken.

Lebenslänglich mitbestimmen

Zwar ist die 13. Rente auch für Pensionierte in der Schweiz finanziell interessant, sie müssen aber damit rechnen, dass sie einen kleinen Teil der zusätzlichen Einkünfte wieder verlieren. Dies ist dann der Fall, wenn Bundesrat und Parlament für die Finanzierung der neuen Renten die Mehrwertsteuer erhöhen, was durchaus realistisch ist. In diesem Fall sind in der Schweiz lebende Pensionierte ebenso von steigenden Konsumentenpreisen betroffen wie die jüngeren Generationen. Im Ausland hingegen haben Jung und Alt nichts zu befürchten.

Darf man das: demokratisch mitbestimmen, ohne die Folgen tragen zu müssen? Rechtlich ist der Fall klar: Man darf. Schweizerinnen und Schweizer, die in ein anderes Land ziehen, können das Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene behalten, unabhängig davon, wie lange sie im Ausland leben und ob sie je wieder zurückkehren. In gut der Hälfte der Kantone können sie auch bei kantonalen Urnengängen mitbestimmen. Und sie können ihre Bürgerrechte auch an ihre Kinder weitergeben, selbst wenn diese nie in der Schweiz gelebt haben.

Politisch ist die Sache weniger eindeutig. Das Thema flammt ab und zu auf, wenn die Auslandschweizer in einer Abstimmung auffällig anders entscheiden als die Mehrheit der Inlandschweizer. Das bisher prominenteste Beispiel: 2015 wurde die neue Medienabgabe für Radio und Fernsehen nur äusserst knapp angenommen – ohne die Stimmen aus dem Ausland wäre die Vorlage gescheitert.

Für Deutsche ist nach 25 Jahren Schluss

Dass die Auslandschweizer einer Zwangsabgabe zum Durchbruch verhelfen können, die sie selbst nicht bezahlen müssen, wirft demokratiepolitisch interessante Fragen auf. Dies umso mehr, als gleichzeitig Hunderttausende Ausländer, die seit Jahren in der Schweiz leben und steuerpflichtig sind, von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen sind.

Die Auslandschweizer wiederum haben nicht nur ein Herz für elektronische Medien, sondern auch eines für das Klima: Die gescheiterte Revision des CO2-Gesetzes von 2021, die ebenfalls neue Abgaben vorsah, haben sie zu mehr als 70 Prozent unterstützt, während das Volk im Inland deutlich Nein sagte. Auch ökologische Agrarinitiativen, die in der Heimat unter anderem aus Angst vor steigenden Preisen abgelehnt wurden, fanden im Ausland eine Mehrheit.

Nicht alle Länder sind so grosszügig gegenüber ausgewanderten Bürgern. In Deutschland etwa verlieren sie das Wahlrecht grundsätzlich nach 25 Jahren, auch Dänemark und Irland befristen die Bürgerrechte ausserhalb der Landesgrenzen. Die meisten Länder Europas hingegen lassen ihre Auslandbürger ebenso lebenslänglich mitbestimmen wie die Schweiz.

Doch dieser Vergleich hinkt, da in diesen Staaten praktisch keine Volksabstimmungen stattfinden, während Schweizer Bürger ganz unmittelbar über einzelne Sachfragen entscheiden. Dennoch wäre es übertrieben, zu behaupten, hierzulande finde eine ernsthafte Debatte darüber statt. Nur punktuell wird Kritik laut. Zuletzt war es der Publizist Markus Somm, der angesichts der Umfragen zur AHV-Abstimmung auf die Pauke haute. Auslandschweizer seien die grössten Egoisten, schimpfte er. Dass sie die Schweizer Steuerzahler melken wollten, gehe gar nicht.

Steuermillionen für die Fünfte Schweiz

Politisch aber bewegt sich wenig. Das mag damit zu tun haben, dass Auslandschweizer zwar oft anders abstimmen, aber rein zahlenmässig selten den Ausschlag geben. Wichtiger aber ist ein anderer Grund: Die Fünfte Schweiz, wie sich die gut organisierten Auslandschweizer gerne nennen, ist einflussreich. Die Zahl der registrierten Stimmberechtigten hat in den letzten Jahren zugenommen. Von den insgesamt 800 000 Auslandschweizern hat sich etwas mehr als ein Viertel für Wahlen und Abstimmungen registriert. Auf dieses Potenzial will keine Partei kampflos verzichten.

Von links bis rechts werden die Auslandschweizer umgarnt. Wenn sie im Parlament ein Thema sind, dann fast immer wohlwollend: Politiker von den Grünen bis zur SVP setzen sich für ihre Interessen ein. Die einen finden, für die Auslandschweizer müsse eine bestimmte Anzahl Sitze im Nationalrat reserviert werden; andere wollen die Kantone zwingen, sie bei den Ständeratswahlen mittun zu lassen (was nach wie vor nicht alle machen); wieder andere machen Druck bei der Ausweitung der elektronischen Stimmabgabe.

All dies wird aufmerksam begleitet von der Auslandschweizer-Organisation, die vom Bund mit jährlich 3,5 Millionen Franken alimentiert wird, sowie von Swissinfo, dem zehnsprachigen Online-Dienst der SRG, der sich insbesondere an die Auslandschweizer richtet und vom Bund mit weiteren 8 Millionen finanziert wird. Das politische Gewicht der Ausgewanderten lässt sich auch daran ermessen, dass der Bund allen Spardebatten zum Trotz nach wie vor 20 Millionen pro Jahr ausgibt zur «Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer». Eine weitere Million ist zudem reserviert für «Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer».

Kritische Fragen genügen für eine scharfe Reaktion

Nur selten findet sich ein Politiker, der andere Töne anschlägt. Zu ihnen gehört der FDP-Ständerat Andrea Caroni, der es vor einigen Jahren wagte, in einem Vorstoss kritische Fragen zu stellen. Was der Bundesrat von der Idee halte, die Bürgerrechte von Auslandschweizern nach 15 oder 25 Jahren zu sistieren, wollte er wissen. Eine konkrete Forderung hat Caroni nicht lanciert. Doch das genügte, um auf Swissinfo erboste Reaktionen auszulösen. Ähnlich ist es Anfang Februar Markus Somm nach seinen Aussagen zur AHV ergangen.

Am Sonntag wird es spannend. Die Abstimmung über die 13. Rente könnte eng werden. Werden die Auslandschweizer neun Jahre nach der Medienabgabe wieder einmal den Ausschlag geben? Abgesehen von einigen kritischen Fragen hätten sie kaum etwas zu befürchten.

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