Sein Markenzeichen waren und blieben die Animal Prints

Er war der Meister der tierischen Muster, Abzeichen eines entfesselten Raubtier-Kapitalismus. Zum Tod von Roberto Cavalli, dem letzten Hedonisten der Mode.

Der italienische Modedesigner Roberto Cavalli posiert im Jahr 2000 in seinem New Yorker Showroom.

Leoparden. Tiger. Pythons. Zebras. Das waren die Bilder, die man vor Augen hatte, als die Nachricht eintraf. Also nicht die Tiere selbst natürlich, obwohl auf seinem Anwesen in Florenz wahrhaftig ein Tiger lebte. Sondern ihre Zeichnung.

Ein Abendkleid mit lodernden Streifen und Tigerkopf. Ponchos und Bikinis mit Zebramuster. Die Flasche Wodka, die er zum Start seiner Spirituosen-Linie in Schlangenleder einwickelte. Leoprints auf wirklich allem, was sein Atelier verliess, Kleidern, Schuhen, Möbeln, Sofakissen.

Weshalb es falsch wäre zu sagen, der italienische Modemacher Roberto Cavalli sei am vergangenen Freitag nach langer Krankheit einfach so gestorben. Er ist in die ewigen Jagdgründe der Mode eingegangen.

Sein Look war ein Raubtier-Look: Designer Cavalli mit den Spice Girls 2008.

Die Versuchung ist gross, nun allein die Flamboyanz dieses Lebens zu beschreiben, in dem die schönen Frauen Schlange standen, die Autos besonders viel PS hatten und die Party niemals endete. Doch der Designer Cavalli war, besonders am Anfang, tatsächlich ein Visionär, der im flatterhaften Geschäft der Mode bleibende Spuren hinterlassen hat.

So und nur so lässt sich das Statement von Giorgio Armani erklären, mit dem ihn nicht mehr als die ewige, wie mit der Sprühpistole aufgeduschte Capribräune verband. «Ich kann mir keine Vision vorstellen, die von meiner weiter entfernt sein könnte als die von Roberto Cavalli», schrieb Armani auf X, «und doch habe ich immer riesigen Respekt vor ihm gehabt: Roberto war ein wahrer Künstler, wild und wundervoll in seinem Umgang mit Prints, einer, der Fantasie in tragbare Kleidung verwandeln konnte.»

Ein Künstler: Das war es, was er hatte werden wollen, als er sich – Enkel eines impressionistischen Malers, Sohn einer Näherin – 1957 an der Akademie der Künste in Florenz einschrieb. Ein junger Mann mit einem Traum und einem Stottern, das (so hat er es später der «Sunday Times» erzählt) in dem Moment geheilt wurde, als er die Mädchen entdeckte. Auf der Akademie begeisterte er sich dann weniger für die Malerei, sondern für Prints. Eine von ihm erfundene Technik, um Leder zu bedrucken, führte er 1970 in Paris vor, seine ledernen Abendkleider in Pink zogen die beiden ersten, gleich hochkarätigen Kunden an Land: Pierre Cardin und Hermès.

Wie im Fieberwahn kombinierte Prints: Cavalli-Design aus der aktuellen Herbst-Winter-Kollektion.

Model mit Cavalli-Kreation im Jahr 2011.

Die Siebziger waren für einen Designer, der mit Fransen, Volants, exotischen Tier- und Blumenmotiven und grossflächiger Nacktheit operierte, ein idealer Nährboden, aber fast noch zu unschuldig. Sein wahrer Durchbruch kam in den karnivoren Neunzigern, und wieder einmal zeigte er auf seinem Laufsteg etwas Neues: 1994 setzte er als Erster die Sandstrahltechnik ein, um Jeans einen zerschlissenen Look zu geben. Ein Jahr später integrierte er Lycra in den Denimstoff und hatte damit die Stretch-Jeans erfunden, die aus seiner Linie Just Cavalli später pures Gold machte.

Sein Markenzeichen aber waren und blieben die wie im Fieberwahn miteinander kombinierten Animal Prints, Abzeichen des entfesselten Raubtier-Kapitalismus. Kein Geringerer als der liebe Gott stand Pate: «Ich kopiere die Kleidung der Tiere, weil ich gerne Gott kopiere. Ich glaube, Gott ist der beste Designer.»

2007 zeigte er sich mit Sharon Stone an seiner Seite auf der Mailänder Fashion Week, zu seinen Kundinnen zählten aber auch Madonna und Jennifer Lopez.

Drüben in ihren Pariser Ateliers mochten sich die Götter der Couture zerfleischen, weil sie alle sechs Monate den Beweis ihres Künstlertums abzuliefern hatten. Cavalli hatte diese Ambition längst abgehakt, man durfte sicher sein, dass sein Leben zu jedem Zeitpunkt mega war.

Da war die mit Tierprints ausgepolsterte Villa in Florenz, auf den 13 Hektaren Grund waren neben dem Tiger auch ein Weinberg, eine Kollektion von Ferraris, ein Stall mit Rennpferden, diverse Papageien, Leguane, ein Affe und sein Bräunungsstudio untergebracht. Nicht zu vergessen: der eigene Helikopter und die Superjacht, die dem Batmobil nachempfunden war.

Einen weiteren Beleg seiner ungebremsten Manneskraft erbrachte der 82-jährige Cavalli erst im vergangenen Jahr, als er mit seiner Lebensgefährtin Sandra Nilsson (37) einem schwedischen Model, einen Sohn bekam; nach fünf Kindern aus zwei Ehen war dies sein sechstes.

Eine seiner Ehefrauen war die österreichische Modedesignerin Eva Düringer. Hier erschien das Paar gemeinsam auf der Mailänder Fashion Week im Jahr 2006.

Der Name Cavalli verkaufte zuletzt fast alles, Uhren, Wäsche, Wodka, Deko, Kleidung für Haustiere, er schmückte Restaurants, Hotels und das Cavalli Café in Mailand. Der Cavalli-Look jedoch ist so hoffnungslos aus der Zeit gefallen, dass man immer wieder staunte, dass es die Show in Mailand noch gab.

Was sollte man mit diesen schreiend bunten, den Exzess feiernden, für einen endlosen Superjacht-Sommer bestimmten Kleidern noch anfangen in einer Zeit, die sich dem quiet luxury verschrieben hat? Cavalli hat sich vor zehn Jahren schon aus seinem Unternehmen zurückgezogen, nach einem Beinahe-Bankrott wurde es an eine Private-Equity-Firma verkauft und wird heute von einem Investor aus Dubai kontrolliert.

Mit 83 Jahren ist er nun gestorben, der letzte Hedonist der Mode. Sein Credo: «Ich habe keine Angst, eine Party zu verpassen. Ich bin die Party.» Der liebe Gott kann sich auf was gefasst machen.

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