Klopps gutes Recht, nach so viel Heavy Metal auf die Stopp-Taste zu drücken

Jürgen Klopp wird den FC Liverpool im kommenden Sommer verlassen – eine Entscheidung, die nachvollziehbar ist. Der 56-Jährige hat den Reds nicht nur auf dem Rasen viel gegeben. Eine Würdigung von kicker-Chefredakteur Jörg Jakob.

klopps gutes recht, nach so viel heavy metal auf die stopp-taste zu drücken

Im Sommer ist Schluss: Jürgen Klopp wird den FC Liverpool im Sommer verlassen.

Würdigung

Am Abend des 28. Mai 2022 verlor der FC Liverpool das Champions-League-Finale gegen Real Madrid in Paris mit 0:1. Im Stade de France herrschte eine bizarre Stimmung angesichts der skandalösen, fan-feindlichen organisatorischen Umstände rund ums Stadion. Dem Innenleben des Liverpool Football Club ging in diesen Stunden die Puste aus. Alle, egal ob Trainer, Spieler, Betreuer, Business- oder Medienmenschen, konnten einfach nicht mehr. Die Saison 2021/22 hatte zu viel Kraft gekostet. Zwei Titel gewannen die Reds, den League Cup und den FA Cup, jeweils nach 120 Minuten plus Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea. Die ersehnte Meisterschaft war – wieder einmal denkbar knapp und erneut im erbitterten Zweikampf mit Manchester City – unglücklich verpasst worden. Das Spieljahr, in dem bis auf die letzten Meter das Quadruple, der vierfache Triumph, möglich schien, saugte alle Energie auf.

Wenn Jürgen Klopp heute sagt, ebendiese sei nicht mehr ausreichend vorhanden, dann waren die schweren Stunden in Paris der Anfang vom Ende. Die Ankündigung, dass die Lovestory von Klopp und Liverpool im Sommer enden wird, kam jetzt zwar überraschend – sie ist jedoch nachvollziehbar.

Denn Klopp lässt seit Oktober 2015 nicht nur einen hochintensiven Fußball spielen, er ist seit seiner Vorstellung an der Anfield Road auch der Gestalter und das Gesicht des Erfolgs in der anspruchsvollsten und rasantesten Liga auf diesem Planeten, als Teammanager eines Premier-League-Klubs auf viel mehr Ebenen gefordert als ein Cheftrainer in der Bundesliga.

Zumal, wenn er so tickt wie “Kloppo”. Unaufhörlich, hochemotional und getreu dem mehrfach betonten Motto “Ganz oder gar nicht” hat sich der frühere Dortmunder Meistertrainer der Aufgabe am River Mersey mit Haut und Haaren verschrieben. Schnell war er nicht nur der Liebling der Fans, sondern auch der “German Scouser”, der verstand, wie die Menschen in dieser Stadt fühlen und denken.

Da machte es nicht so sehr viel aus, dass der Deutsche die ersten Endspiele mit den Reds verlor. Im League Cup 2016 mit 1:3 im Elfmeterschießen gegen Manchester City, in der Europa League 2016 mit 1:3 gegen den FC Sevilla, 1:3 auch gegen Real Madrid in der Königsklasse 2018.

Ein Jahr später war es dann soweit, in Madrid: Mit dem 2:0-Erfolg gegen Tottenham Hotspur war 2019 der Triumphzug durch Europa und in der Champions League perfekt. Und es sollte noch besser kommen: mit der Meisterschaft 2020, der ersten nach 30 elend langen Jahren.

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Genau dafür hatten die US-amerikanischen Klubbesitzer von der Fenway Sports Group (FSG) diesen merkwürdigen, häufig schallend lachenden, manchmal sarkastischen Deutschen, an den man sich im Rest Englands erst einmal gewöhnen musste, ja auch geholt: Nach Jahren im Mittelfeld und nach einem gerade noch dank seiner Fans abgewendeten Ruin war der einstige Rekordmeister des Königreichs wieder auf dem Thron.

Achterbahnfahrten mit späten Siegtoren tragen immer wieder zum bis heute hohen Unterhaltungswert des Gegenpressing-Fußballs Klopp’scher Prägung bei. Magische Nächte wie beim 4:3 in der Europa League gegen Borussia Dortmund und beim 4:0 in der Champions League gegen den FC Barcelona ragen heraus, sind aber nur zwei Beispiele von vielen. Langweilig ist es nie, aufreibend sehr häufig. Klopp hat oft betont, dass seine Mannschaft in ihren Spielen immer und immer wieder vergleichsweise viel Energie und Widerstandskraft aufwenden muss. Auf ihn in der Coaching Zone (und oftmals daneben) trifft das wohl auch zu. Dass dem größtem Rivalen Manchester City schier unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, darauf verwies der “Boss” des LFC zuletzt häufiger. Auch das kann zermürben.

Nun ist es nicht so, dass seine Arbeitgeber nicht investiert hätten in den Klub mit seiner gewaltigen Geschichte. Aber deren Strategie ist bis heute eine maßvolle bis zurückhaltende bei Transfers. In die Ära Klopp fallen der Ausbau der Haupttribüne und die Aufstockung des Anfield Road Ends, sodass das Stadion bald 61.000 Zuschauer fasst, sowie der Neubau des Trainingszentrums in Kirkby.

Die Mannschaften, die Klopp mit seinen Assistenten aufgebaut hat, sind bis heute eine Mischung aus Top-Einkäufen und Talenten, die wie Trent Alexander-Arnold oder Curtis Jones zum Teil sogar als Einheimische in der eigenen Academy groß wurden.

Als Klopp seinem Kader mit dem furiosen Dreizack Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah defensive Verstärkungen hinzufügen konnte dank der Verpflichtung von Torhüter Alisson, Abwehrchef Virgil van Dijk und “Staubsauger” Fabinho im Mittelfeld war der Grundstein für den Gewinn des Henkelpotts gelegt. Der Gewinn des europäischen Supercups und der Klub-WM folgten darauf – und schließlich der 19. Meistertitel für die Reds.

150.000 Menschen jubelten 2019 in Liverpool, als der Doppeldecker-Bus mit den Champions-League-Siegern durch die Straßen rollte. Die Meisterschaft 2020 konnten Trainer und Spieler wegen der Corona-Pandemie jedoch nicht unmittelbar gemeinsam mit ihrer leidenschaftlichen Fangemeinde feiern. Eine der größten Enttäuschungen für Klopp in seiner Liverpooler Zeit bisher.

“I’m so glad, that Jurgen is a Red” singen die Fans ein diesem Trainer gewidmetes Lied. Sie sind glücklich, dass dieser Mann mehr ist als “nur” das, sondern ein Seelenverwandter.

Klopp wurde früh mit der Klublegende Bill Shankly verglichen. Der hat formuliert, was die Aufgabe des Liverpool FC ist: “Make the people happy”. Jürgen Klopp machte in Liverpool aus Zweiflern Gläubige, aus Spielern Mentalitätsmonster, aus einer Mannschaft Titelgewinner. Er hat alle, die es mit diesem Fußballverein halten, glücklich gemacht.

Daran änderte auch die Saison 2022/23 nichts. Bei aller gelebten Fußballkultur ist der FC Liverpool eben auch ein global agierendes Unternehmen mit Gewinnabsichten. Das Verpassen der Champions League in diesem titellosen Spieljahr war nicht erfreulich, für die Investoren enttäuschend, am Ende dank der späten Qualifikation zur Europa League aber noch erträglich. Den Umbau des erfolgreichen Kaders, zu dem die Trennung von den Routiniers wie Jordan Henderson und James Milner sowie auch von Mané, Roberto Firmino und Fabinho zählte, hat Klopp ein Jahr zu spät in Angriff genommen.

Das aktuelle Aufgebot ist am Tag der Abschiedsnachricht trotz schon wieder sehr vieler Verletzungen noch in vier Wettbewerben aussichtsreich vertreten – und damit schon jetzt besser, als es vor der Runde viele Beobachter erwartet haben. Es kann nochmal richtig gut werden in den kommenden Monaten.

Es zählt nicht, was man über dich denkt, wenn du kommst. Sondern das, was man über dich denkt, wenn du gehst. Das hat Klopp ganz am Anfang gesagt. Am Ende werden sie ihm in Liverpool immer noch zu Füßen liegen. Egal, wie diese Saison noch ausgeht.

Jürgen Klopp hat sein Bestes gegeben, er hat Liverpool alles gegeben, weit über das eigentliche Spiel hinaus. Es ist sein gutes Recht, nach so viel Heavy Metal auf die Stopp-Taste zu drücken.

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