Mikroplastik ist überall, auch in der Halsschlagader – dort geht er mit einem erhöhten Infarktrisiko einher

Auf der Erde gibt es kaum noch Lebensräume, die nicht mit Plastik verunreinigt sind. In der Luft, im Boden, in den Weltmeeren, in der Nahrungskette: Fast überall lassen sich mittlerweile kleinere oder grössere Partikel aus Kunststoff nachweisen.

Die synthetischen Erzeugnisse lösen sich nicht auf, sondern zerfallen in immer kleinere Fragmente, die irgendwann mit blossem Auge nicht mehr zu erkennen sind. Angesichts der ungebremsten Herstellung von Plastik aller Art erstaunt es nicht, dass die verwitterten Überbleibsel von Verpackungen, Plastiktüten, Textilien und Autoreifen sich auch in unserem Körper ablagern.

So haben Wissenschafter im Blut, im Speichel, in der Leber und in anderen Geweben teilweise deutliche Spuren von Mikro- und Nanoplastik nachgewiesen: Erstere messen zwischen einem Mikrometer und fünf Millimeter, Letztere sind kleiner als einen Mikrometer.

Noch weitgehend im Dunkeln liegt, ob die mikroskopisch kleinen Plastikstücke dem Menschen schaden und, falls ja, auf welche Weise. Darauf eine klare Antwort zu finden, ist nicht trivial. Denn zum einen existieren unzählige Arten von Kunststoff – laut den Erkenntnissen von Forschern der ETH Zürich sind es mehr als 10 000. Und zum anderen ist es ganz schön schwierig, die gesundheitlichen Folgen von Plastikeinschlüssen zu erfassen und sie von den Folgen anderer Umwelteinflüsse zu unterscheiden. Denn wir sind auch unzähligen schädlichen Chemikalien ausgesetzt.

Plastik findet sich in chirurgisch entferntem Gewebe

Um mehr Licht in dieses Dunkel zu bringen, haben Forscher aus Italien chirurgisch entferntes menschliches Gewebe genauer untersucht. So versuchten sie zu klären, ob sich in den atherosklerotischen Gefässablagerungen (Plaques) von Patienten Mikroplastik befindet und, falls ja, inwieweit dabei ein Zusammenhang mit dem Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte besteht. Dazu verfolgten sie das gesundheitliche Schicksal von rund 300 Männern und Frauen, die sich wegen eines ausgeprägten Atherosklerosebefalls der Halsschlagader einer Gefässoperation unterzogen.

Bei diesem Eingriff wurde die erkrankte Arterie über einen Hautschnitt geöffnet und die Ablagerung herausgeschält. Wie die Wissenschafter berichten, enthielten die Plaques von 150 Patienten deutliche Spuren von Polyethylen; bei den übrigen Probanden liess sich dieser häufig verwendete Kunststoff nicht nachweisen. Er kommt in zahllosen Alltagsprodukten vor, darunter Plastiktüten, Frischhaltefolien, Milchkartonbeschichtungen, Kanister und Getränkeflaschen.

In den Gefässablagerungen von 31 Versuchspersonen fanden die Forscher neben Polyethylen auch Polyvinylchlorid, einen unter anderem für Bodenbeläge, Kunstleder und Kabel genutzten Kunststoff. Wie Aufnahmen mit dem Elektronenmikroskop zeigten, handelte es sich bei den Plastikstücken mehrheitlich um Nanopartikel. Etliche davon befanden sich im «Bauch» von Makrophagen, für die Abfallentsorgung zuständigen Immunzellen. Die Präsenz solcher Fresszellen ging zudem mit einer erhöhten Entzündungsaktivität einher.

Weitere Analysen zeigten, dass die Patienten mit den Plastikeinschlüssen in der Halsschlagader eine schlechtere Prognose hatten. So war ihr Risiko, innerhalb von drei Jahren einen – teilweise tödlichen – Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, höher als bei Patienten, deren Plaques nicht mit Plastik verunreinigt waren.

mikroplastik ist überall, auch in der halsschlagader – dort geht er mit einem erhöhten infarktrisiko einher

Da kommt keine Ferienstimmung auf: Ein Sturm hat an diesem Strand in Kalabrien viel Plastik aus dem Meer angeschwemmt. Kontrolab / LightRocket / Getty

Befunde sind ein Warnsignal, aber kein Beweis

Die Erkenntnisse der italienischen Forscher sind ein ernstzunehmendes Warnsignal, aber noch kein Beleg für eine kausale Beziehung zwischen Plastik und den erwähnten Krankheiten. Die Aussage «Plastik in Plaques erhöht das Herzinfarktrisiko drastisch», wie in einigen Medien zu lesen war, ist jedenfalls voreilig.

Es ist nämlich auch denkbar, dass die erhöhte Infarktgefahr der betreffenden Personen auf einen ungesunden Lebensstil zurückging und die Plastikeinschlüsse in deren Halsschlagader nur ein Merkmal für diesen Lebensstil waren. So gab es in dieser Gruppe jedenfalls etwas mehr Raucher, Diabeteskranke und Personen mit zu viel Cholesterin im Blut als im Kollektiv ohne Plastiknachweis.

Auch ist es möglich, dass die Plastikpartikel von intravenösen Therapien stammen. Dies könnte bedeuten, dass die davon betroffenen Personen häufiger gesundheitliche Probleme hatten als die anderen Patienten. Dass über Infusionen Kunststoffpartikel in den Organismus gelangen können, geht unter anderem aus einer belgischen Studie hervor.

«Den Herstellern von Kathetern und Infusionsbeuteln ist dieses Risiko mittlerweile bewusst», sagt Peter Wick, der an der Empa in St. Gallen die Sicherheit von Nanopartikeln erforscht. «Viele fragen uns besorgt, wie sich Mikro- und Nanoplastikteilchen nachweisen lassen. Denn sie würden gern zeigen können, dass ihre Produkte keine oder nur geringe Mengen davon abgeben.»

Nanopartikel nachzuweisen, sei aber sehr aufwendig, räumt der Zell- und Molekularbiologe ein. Dringend verbessert werden müssten vor allem die Verfahren zur Analyse von in der Natur gealterten Plastikfragmenten. «Wenn Plastik UV-Licht oder Salzwasser ausgesetzt ist, verändern die darin enthaltenen Polymere ihre chemische Struktur. Ob diese unserer Gesundheit zusetzen, wenn wir sie mit der Nahrung oder der Atemluft aufnehmen, lässt sich noch nicht beantworten», gibt der Wissenschafter zu bedenken. Es sei daher höchste Zeit, die Sicherheit von Nanoplastik umfassend zu erforschen.

Bei Mäusen gelangt Nanoplastik ins Gehirn

Zu den wenigen Wissenschaftern, die sich dieser Aufgabe widmen, gehört der Pathologe und Krebsforscher Lukas Kenner von der Medizinischen Universität in Wien. «Wir haben vor der Pandemie angefangen, uns damit zu befassen. Damals war ich schockiert, wie wenig es zu diesem Thema in der Fachliteratur gab», sagt der Arzt, dessen bisherige Beobachtungen wenig Anlass geben, sich entspannt zurückzulehnen.

Wie er bei Mäusen zeigen konnte, gelangen Nanofragmente aus Polystyrol, einem in vielen Verpackungsmaterialien enthaltenen Kunststoff, innert kurzer Zeit aus dem Magen-Darm-Trakt ins Gehirn. Das gelingt ihnen, indem sie sich mit Cholesterinmolekülen umgeben, die sie – ähnlich einem trojanischen Pferd – durch die sonst schwer passierbare Blut-Hirn-Schranke schmuggeln. Ob beim Menschen die gleichen Prozesse ablaufen, ist zwar noch offen. Sinnvoller, als auf die Antwort zu warten, scheint es aber trotzdem, den Verbrauch von Plastik zu reduzieren und die Entwicklung alternativer Materialien voranzutreiben.

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