Steht in der Kritik: Deutschlands Energieminister Robert Habeck. Chris Emil Janssen / Imago
Leitende Mitarbeiter der deutschen Bundesregierung haben offenbar im Frühling 2022 Bedenken der eigenen Fachexperten ignoriert und unterdrückt, um den politisch gewollten und anvisierten Ausstieg aus der Kernenergie nicht zu gefährden. Das geht aus internen Vermerken und dem Schriftverkehr zwischen Ministeriumsmitarbeitern hervor, über den das Magazin «Cicero» in seiner neuen Ausgabe berichtet.
Zentral in der Affäre ist dabei die Rolle von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dessen Ressort auch für Energie zuständig ist. Die Leitung seines Ministerium hat demnach im Frühjahr 2022 bei einer Fachabteilung des Hauses eine Prüfung dazu in Auftrag gegeben, inwiefern eine dreimonatige Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke dabei helfen könne, die Energieversorgung im Land zu sichern.
Weil Deutschlands Gasversorgung wegen Russlands Überfall auf die Ukraine in Gefahr war, kamen die Experten des Ministeriums zu einem klaren Votum. Letztlich sei unklar, ob für den nächsten Winter ausreichend Erdgas eingespeichert werden könne, um einen Betrieb von Gaskraftwerken neben dem Verbrauch in der Industrie und zur Wärmeversorgung zu ermöglichen, zitiert der «Cicero» aus dem Vermerk. «Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bis zum 31. 3. kann helfen, diese Situation zu entschärfen», schrieben die Mitarbeiter des Ministeriums weiter.
Habeck wurden Informationen vorenthalten
Ein Weiterbetrieb der Meiler könne zudem dabei helfen, die hohen Strompreise zu drücken. Die Ministerialbeamten verwiesen dabei auf das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Es handelt sich dabei um einen Mechanismus, wonach sich die Preisbildung an den grossen Energiebörsen immer nach dem zuletzt zugeschalteten, dem teuersten Kraftwerk am Markt orientiert. «Dadurch könnten die Strompreise in vielen Stunden sinken», zitiert der «Cicero» aus dem Vermerk des Ministeriums.
Den Grünen-Politiker Habeck soll die Einschätzung seiner eigenen Experten nicht erreicht haben. Auf Leitungsebene habe sie lediglich seinem damaligen Staatssekretär und Parteifreund Patrick Graichen vorgelegen, teilte das Ministerium dem «Cicero» auf Anfrage mit. Graichen musste seinerseits ein Jahr später, im Mai 2023, nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft sein Amt räumen.
Staatssekretär lieferte falsche Fakten
Doch Graichen soll seinem Minister nicht nur wichtige Informationen vorenthalten, sondern ihn auch mit falschen Fakten beliefert haben. Das berichtet der «Cicero» auf Basis seiner Akteneinsicht, die dem Magazin erst nach einer Klage eingeräumt wurde, die zwei Jahre andauerte.
Im März 2022 verfasste Graichen gemeinsam mit seinem Amtskollegen im ebenfalls grün geführten Bundesumweltministerium, Stefan Tidow, einen eigenen, zusätzlichen Vermerk zur «Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs». Das Ergebnis: Nach «einer Abwägung von Nutzen und Risiken» sei eine Laufzeitverlängerung nicht zu empfehlen.
Obgleich Tidows Mitarbeiter grobe juristische Fehler in dem Schriftwerk ausmachten und Korrekturen einforderten, hielt das Graichen nicht davon ab, seinen Vermerk (unkorrigiert) an Minister Habeck weiterzuleiten. Der Grünen-Politiker griff das Dokument anschliessend für seine offizielle Kommunikation auf, und es wurde in überarbeiteter Form auch auf der Website des Ministeriums veröffentlicht.
Eine dreimonatige Laufzeitverlängerung konnten die Ministerialbeamten aus Energieministerium und Umweltministerium mit ihren Manövern letztlich dann zwar nicht verhindern – Bundeskanzler Olaf Scholz wies den sogenannten Streckbetrieb im Oktober verbindlich an. Im April 2023 wurden die letzten drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke dann aber vom Netz genommen.
Opposition sieht Rücktrittsgrund
Und das wohl aufgrund falscher Annahmen und irreführender Fakten, wie die «Cicero»-Recherche nun zeigt. Beim liberalen Koalitionspartner sorgt die Veröffentlichung deshalb für Unmut. «Die Habeck-Papers zeigen, dass Deutschland beim Kernkraftausstieg wissentlich hinter die Fichte geführt wurde», sagte am Donnerstag Michael Kruse, Energiepolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. «Ich bin von Robert Habeck enttäuscht, denn den Bürgern dieses Landes und auch seinen Koalitionspartnern wurde die Wahrheit vorenthalten.»
Die Opposition erkennt in den Vorgängen gar einen Rücktrittsgrund für den Grünen-Politiker. «Robert Habeck hat das Land beim AKW-Aus getäuscht. Entweder hat er gelogen, oder er hat sein eigenes Ideologie-Ministerium nicht im Griff», sagte der CSU-Generalsekretär Martin Huber gegenüber «Focus Online». Ein Minister, dessen Haus wider besseres Wissen so grossen Schaden für die deutsche Wirtschaft und Energieversorgung verursache, sei nicht mehr tragbar.
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