Zwei Jahre nach der tödlichen Flutwelle stehen im Ahrtal noch immer etliche völlig zerstörte Häuser. Boris Roessler/dpa/Archivbild
Der Versicherer-Verband schlägt Alarm: Mehr als 300.000 Gebäude in Deutschland sind von Hochwasser betroffen. Die GDV fordert nun konsequentes Neubau-Verbot in Überschwemmungsgebieten. Deutschland baue, als ob es den Klimawandel nicht gebe, kritisiert die GDV – und verweist auf die Nachbarn, die es besser machen.
Es ist der 14. Juli 2021, abends 20.45 Uhr. Die Ahr ist schon 5,75 Meter hoch. Wie hoch sie in Altenahr noch steigen wird, weiß niemand. Ab 21 Uhr wird nicht mehr gemessen. Die Flut hat das Messgerät zerstört – und vieles mehr. Straßen, Brücken und mehr als 9000 Häuser sind vernichtet. 135 Menschen verlieren ihr Leben, noch viel mehr ihr Zuhause.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verwüstet ein Jahrhunderthochwasser Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Eine Flutkatastrophe, wie sie aufgrund des Klimawandels in Deutschland immer häufiger auftreten kann. Wenige Monate nach dem Hochwasser entschied das Land Rheinland-Pfalz anhand von Risikokarten, welche Häuser in welchen Gebieten rund um die Ahr nicht wieder aufgebaut werden sollten. Das Ergebnis: Lediglich 34 Häuser durften nicht wieder aufgebaut werden – von insgesamt 9000, die zerstört wurden.
„Ahrtal ist ein trauriges Beispiel, dass man nichts dazugelernt hat“
„Das Ahrtal ist ein trauriges Beispiel dafür, dass man nichts dazugelernt hat“, sagt Anja Käfer-Rohrbach bei einer Pressekonferenz. Sie ist die stellvertretende Geschäftsführerin des Gesamtverbands der Versicherer (GDV). Der Versicherer-Verband hat untersucht, wie viele Adressen in Deutschland von Hochwasser bedroht sind. Das Ergebnis: Mehr als 320.000 Adressen in Deutschland sind hochwassergefährdet.
Dazu zählen laut der GDV Wohnhäuser, Gewerbebetriebe, landwirtschaftliche oder öffentliche Gebäude. Von den rund 22,4 Millionen Adressen in Deutschland liegt der größte Anteil mit knapp 3,5 Prozent der gefährdeten Adressen in Sachsen. Danach folgt Thüringen mit rund 2,7 Prozent und Rheinland-Pfalz mit zwei Prozent.
Außerdem wurden die zehn Landkreise ermittelt, die den größten Anteil an hochwassergefährdeten Adressen haben. „Durch den Klimawandel und damit häufigere Extremwetter-Ereignisse sind Schäden in Milliardenhöhe vorprogrammiert”, kritisiert Käfer-Rohrbach. „Wir bauen, als gäbe es den Klimawandel nicht.“
Der GDV fordert daher vier Sofort-Maßnahmen:
1. Neubaustopp in hochwassergefährdeten Gebieten
Die bisherigen Bauvorschriften ließen zu viele Ausnahmen zu, argumentiert der GDV. Denn: Es muss unterschieden werden zwischen amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten und sogenannten Hochwassergefahrenflächen. In Überschwemmungsgebieten sind bestimmte Bauvorhaben verboten oder müssen in einem Genehmigungsverfahren besonders geprüft werden – detailliert und bewertet. Nicht so in den Hochwassergefahrenflächen, dort darf fröhlich gebaut werden. Dabei liegt jede fünfte der 320.000 vom GDV untersuchten Adressen in diesen Flächen.
Ein Unding, sagt Käfer-Rohrbach. Die Sorge, dass etliche Menschen dann umgesiedelt werden müsste, seien unbegründet. Oftmals genügen kleine Verschiebungen der Baugebiete, um gewisse Abflusszonen zu vermeiden, in denen das Wasser hohe Fließgeschwindigkeiten erreichen kann.
2. Pflichtversicherungen für Hausbesitzer – wie in der Schweiz
Der Versicherer-Verband bestätige mit seiner Untersuchung, wie „immens die Hochwassergefahr in den Regionen ist und welches Katastrophenpotenzial damit verbunden ist“, sagt Käfer-Rohrbach. Darüber hinaus unterstützt der Versicherer-Verband die Bundesländer in ihrer Forderung nach einer Pflichtversicherung – auch wenn eine Pflichtversicherung allein das Problem nicht lösen könne. „Mit einer reinen Versicherungslösung werden die hierfür notwendigen Kosten überwiegend den Immobilienbesitzenden und der Versichertengemeinschaft aufgebürdet“, kritisiert die GDV-Geschäftsführerin.
Bislang verfügen nur mehr als die Hälfte aller Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer eine Elementarversicherung. Seit der Flut im Ahrtal wird die Pflichtversicherung in Berlin diskutiert. Die Flutkatastrophe hat die deutschen Versicherer 8,75 Milliarden Euro Schaden gekostet, der bislang größte finanzielle Schaden einer klimabedingten Naturkatastrophe. In der Schweiz gibt es bereits eine Versicherungspflicht für Hausbesitzer in 22 der 26 Kantone.
3. Zehn-Punkte-Plan für Prävention
Zudem fordert der GDV, dass Bund, Länder und Kommunen künftig Vorsorgemaßnahmen für Gebäude in gefährdeten Gebieten vorantreiben und ausreichend finanzieren müssten. Insgesamt zehn Punkte legt der Versicherer-Verband in seinem Forderungspapier vor, welche Bauherrinnen und Bauherren in hochwassergefährdeten Gebieten beachten sollten:
- Rückstausicherung in den Abwasserkanal einbauen
Auf Kellerräume beim Neubau verzichten
Gebäudetechnik wie Elektroverteilung und Heizsysteme richtig platzieren
Bestehende Kellerräume vor eindringendem Oberflächenwasser schützen
Öltanks vor Aufschwimmen und Bersten sichern
Sturm- und Hagelschutz an Fassade und Dach optimieren
Blitz und Überspannungsschutz nachrüsten
Bestehende Zufahrten, Garagen und Grundstücksflächen absichern
Barrierefreiheit bei Zugängen naturgefahrenresilient umsetzen
Baumaterialen bei Neubau und Sanierung an Gefährdungslage orientieren
4. Naturgefahrenportal – wie in Österreich
Außerdem betont der Versicherer-Verband die Notwendigkeit, ein Naturgefahrenportal schnell einzuführen. Käfer-Rohrbach verwies auf Österreich als Beispiel, wo es eine interaktive Plattform gibt, auf der Verbraucher ihre Adresse eingeben können und dann Informationen zu ihrer individuellen Gefährdungssituation erhalten. Außerdem sollte es ein Gefährdungs-Äquivalent zum Energieausweises einer Immobilie geben .
Mit dem Forderungspapier will die GDV langfristig Versicherungenschutz in Zeiten des Klimawandels bieten, betont Hauner. „Die Versicherer wollen aber in den nächsten Jahren nicht ständig die Prämien weiter erhöhen oder immer mehr Menschen sagen müssen, dass sie ihre Häuser nicht mehr versichern können“, erklärt Hauner. Deshalb müsse die Politik mit Prävention und Klimaanpassung langfristiger in die Zukunft blicken.
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