Indonesien hat ein Kohleproblem. Das ist ein Problem für die Welt

Indonesien ist mit rund 275 Millionen Einwohnern eines der fünf bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Bis Mitte des Jahrhunderts soll es zur viertgrössten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Diese Vision formulierte der scheidende Präsident Joko Widodo schon vor Jahren. Sein designierter Nachfolger, der Ex-General Prabowo Subianto – der jüngst die Wahl in seinem dritten Anlauf gewonnen hat –, wird dieses und viele andere Ziele seines Vorgängers laut Beobachtern wohl vorerst weiter vorantreiben.

Das erklärt, warum der Ausgang der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Valentinstag von geopolitischer Bedeutung ist. Das erklärt auch, warum Indonesien in der internationalen Debatte um die globale Energiewende und die Klimaziele eine zentrale Rolle spielt. Schon heute gehört Indonesien zu den zehn grössten Emittenten weltweit – auch wenn, pro Kopf gerechnet, der weltweite Anteil stark sinkt. Das Land hat sich gleichzeitig dazu verpflichtet, bis 2060 die Treibhausgasemissionen auf netto null zu reduzieren – eine Verpflichtung, an der Prabowo auch während des Wahlkampfs festgehalten hat.

Während der vergangenen Jahre ist Indonesien zudem zum weltgrössten Produzenten von Nickel geworden, einem zentralen Rohstoff für Elektroautos. Mehr noch: Das Land ist der weltgrösste Produzent von Palmöl und ein Schlüsselland im Kampf gegen die Entwaldung. Kurz gesagt: Energie- und klimapolitische Entscheidungen in Indonesien betreffen die Welt. Der Verlauf der Energiewende dort wirkt sich auch auf das Erreichen der internationalen Klimaziele aus. Das hat viel mit dem schmutzigsten aller fossilen Brennstoffe zu tun, der Kohle.

Kohlenation Indonesien

Indonesien ist der grösste Kohleexporteur der Welt. Das meiste davon geht an China und Indien, die zwei grössten Kohleproduzenten (und -nutzer) der Welt. Gleichzeitig dominiert die Kohle das Energiesystem des Landes, sie ist für rund zwei Drittel der Stromerzeugung verantwortlich.

Das werde sich auch in den kommenden Jahren kaum ändern, sagen Beobachter. Und das, obwohl es im Rahmen eines internationalen Ausstiegsprogramms Versprechen gibt, Kohlekraftwerke in den kommenden Jahren abzustellen.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind viele der Kohlekraftwerke mit einem Durchschnittsalter von zwölf Jahren relativ jung. Daten von Global Energy Monitor zeigen, dass 75 Prozent der Anlagen erst nach 2005 gebaut wurden. Gleichzeitig wird an Dutzenden neuen Anlagen für die Energieversorgung und den Industriesektor gebaut und geplant.

«Es gibt all diese hochfliegenden Netto-Null-Ambitionen, Gespräche über die vorzeitige Abschaltung von Kohlekraftwerken, aber gleichzeitig sehen die Investitions- und Baupläne einen Ausbau der Kohlekraftwerke vor», sagt Stefan Bößner vom Stockholm Environment Institute. Dem raschen Kohleausstieg stehen infrastrukturelle und wirtschaftliche Hürden im Weg. Gleichzeitig erschweren gesellschaftspolitische Faktoren die Energiewende: Die Kohleindustrie beschäftigt Hunderttausende und ist regional konzentriert.

Das ist politisch heikel. Denn ein Kohleausstieg wird Verlierer fordern. Das gilt nicht nur für kohleabhängige Schwellenländer wie Indonesien, sondern auch für reiche Industriestaaten. In Deutschland etwa bremsen Sorgen um die gesellschaftlichen Nachwehen weiterhin die Debatte zum Kohleausstieg. «Wirtschaftliche Diversifizierung ist schwierig. Nicht jedes ehemalige Kohlebergwerk kann ein Unesco-Erbe sein», sagt Bößner.

In Indonesien steuert der Kohlesektor insgesamt bis zu 8 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. In gewissen Gebieten – allen voran in Ostkalimantan, wo sich die Kohleminen konzentrieren – spielt die Branche jedoch eine überproportional grosse Rolle. Entsprechend tiefgreifend sei der politische Einfluss, so Bößner.

Ehemalige Kohlemagnaten seien in die Politik gegangen, ehemalige Politiker in die Kohlebranche, so beschreibt er das Wechselspiel zwischen den politischen und den wirtschaftlichen Eliten im Land. Gehe es um die Kohle, «sind grosse Interessen und Machtdynamiken im Spiel». Das Jahr 2023 endete jedenfalls mit einem Knall für den Sektor. Sowohl Indonesiens Kohleproduktion als auch die Exporte erreichten ein Rekordhoch.

indonesien hat ein kohleproblem. das ist ein problem für die welt

Kohlekähne stehen in Ostkalimantan im Jahr 2019 Schlange, um gezogen zu werden. Willy Kurniavan ;/ Reuters

Energiewende trifft Wirtschaftsinteressen

Diese Höhenflüge werden sich bald wohl auch negativ in den Klimabilanzen des Landes niederschlagen. Im Jahr 2022 stiegen Indonesiens Emissionen laut der NGO Climate Action Tracker um mehr als 20 Prozent. Der Grund: «Eine Flotte von netzunabhängigen Kohlekraftwerken, die betrieben werden, um die Schmelzöfen für die boomende Nickelindustrie zu versorgen.» Die Branche, die den weltweiten Vormarsch der Elektroautos unterstützen soll, ist gleichzeitig einer der grossen Umweltverschmutzer Indonesiens. Und wird es wohl bleiben.

Denn die weltweite Nachfrage nach Nickel und anderen für die Energiewende zentralen Rohstoffen ist während der vergangenen Jahre drastisch angestiegen. Gleichzeitig spielt der Sektor eine zentrale Rolle in der Strategie Indonesiens für die wirtschaftliche Diversifikation.

So hat der scheidende Präsident Joko Widodo die Ausfuhr von Nickelerz 2020 verboten, um die Einnahmen Indonesiens zu erhöhen. Er setzte darauf, verarbeitetes Nickel zu exportieren – eine Entscheidung, die auch Prabowo wohl weiterführen wird. Das Verbot hat zwar den Wert der Exporte in die Höhe getrieben. Aber die Verarbeitung im Land habe schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit, mahnen Umweltaktivisten und Forscher.

Die NGO Center for Research on Energy and Clean Air veröffentlichte am Dienstag einen Bericht, der die wirtschaftlichen Belastungen durch die Umwelt- und Gesundheitsschäden aufzeigt. Emissionen von Schmelzhütten und Kohlekraftwerken würden voraussichtlich Kosten in Milliardenhöhe verursachen, so CREA.

Mehr erneuerbare Energien für Indonesien

Noch geht die Energiewende schleppend voran, die Kohle hält sich hartnäckig. In einem Bericht vom Dezember schrieb der indonesische Think-Tank IESR warnend, dass der Anteil der erneuerbaren Energie im Jahr 2022 unter 10 Prozent gelegen habe. Das sei nicht nur weniger, als die offiziellen Angaben besagten, sondern auch weit unter dem 23-Prozent-Ziel für das Jahr 2025, so der Institutsdirektor Fabby Tumiwa.

Während die Energiewende im Transport- und im Industriesektor jedoch weiter stagniere, seien die Aussichten für dieses Jahr im Strommarkt weniger düster. Staatliche Unternehmen, darunter der grösste Stromproduzent PLN, setzten sich ehrgeizige Ziele für erneuerbare Energien und investierten in neue Projekte, so Fabby. Gleichzeitig forderten immer mehr Unternehmen sauberen Strom.

Im November sagte PLN, es müsse bis zum Jahr 2040 rund 172 Milliarden Dollar in Projekte für erneuerbare Energien und in die Modernisierung des Stromnetzes investieren, um die geforderte Kapazität für erneuerbare Energie hinzuzufügen. Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur sind dringend notwendig, um die vielversprechenden erneuerbaren Energieressourcen des Landes mit den Städten und Industriezentren zu verbinden. Das ist natürlich eine besonders grosse Herausforderung für einen Inselstaat.

Gemischte Aussichten

Ob sich erneuerbare Energien verstärkt durchsetzen können, wird wohl vor allem von Marktreformen abhängen. Die Internationale Energieagentur wies schon 2022 warnend darauf hin, dass Reformen unerlässlich seien, damit der Anteil der Solar- und Windenergie ausgebaut werden könne. Solar- und Windprojekte liefen sonst Gefahr, nicht wettbewerbsfähig zu sein, so die IEA. Noch begünstige der gegenwärtige Energiemarkt die Kohle, auch Erdgaskraftwerke seien im Vergleich attraktiver.

«Indonesien macht immer zwei Schritte vorwärts und einen Schritt zurück», sagt Bößner vom Stockholm Environment Institute. Reformen im Energiebereich hätten es unabhängigen Stromversorgern erleichtert, Strom zu liefern, Projekte für erneuerbare Energie würden langsam ausgebaut, die Bürokratie würde abgebaut, und Klimagesetze würden vorangebracht. «Das Bewusstsein für den Klimawandel ist in der politischen und der Geschäftsagenda besser verankert als noch vor einigen Jahren», so Bößner. Aber der Schritt zurück, das ist die Kohle. So gilt in Indonesien weiterhin: «Erst die Entwicklung, dann kommt das Aufräumen.»

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