Die Himmelsscheibe von Nebra: Sonne, Mond und Sterne

Bronzezeit

Die Himmelsscheibe von Nebra: Sonne, Mond und Sterne

die himmelsscheibe von nebra: sonne, mond und sterne

Ursprünglich erstrahlte die mit Ammoniak behandelte Bronze schwarz-blau bis schwarz-violett - ein Nachthimmel.

Am 4. Juli 1999 wurde die Himmelsscheibe von Nebra gefunden.

Es gibt nichts, das ihr vergleichbar wäre. Darum war der erste Gedanke, als sie von Raubgräbern angeboten wurde: es ist eine Fälschung. Also wurde die kreisrunde Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold untersucht wie kaum ein anderes Fundstück. Inzwischen ist die Mehrheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit ihr beschäftigt haben, der Überzeugung, sie sei zwischen 3700 bis 4100 Jahre alt. Sie ist damit die älteste bekannte konkrete Himmelsdarstellung. Vor 3600 Jahren wurde sie auf dem Mittelberg nahe der heutigen Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt vergraben.

Seit Juni 2013 gehört die Himmelsscheibe von Nebra zum Weltkulturerbe der Unesco. Neben zum Beispiel der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie.

Das von Harald Meller geleitete Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle besitzt eine Sammlung, die, wer immer sich für europäische Geschichte interessiert, gesehen haben muss. Für mich macht einen hohen Reiz der Ausstellung aus, dass nicht nur die Fundstücke aus den Gräbern, sondern immer wieder auch die Gräber selbst oder andere Fundstätten ausgestellt werden.

Seit dem Jahr 2002 ist die Himmelsscheibe von Nebra für die Mehrheit des Publikums die Hauptattraktion des Museums. Die Geschichte der Himmelsscheibe ist Wissenschaft und Krimi zugleich. Vor 25 Jahren waren zwei Sondengänger mit einem Metallsuchgerät auf dem Mittelberg unterwegs. Sie fanden die senkrecht im Boden stehende, stark verschmutzte Scheibe, die sie zunächst für einen alten Eimerdeckel hielten.

Also suchten sie weiter. Zwei daneben liegende Schwerter interessierten sie mehr. Ein paar Tage später verkauften sie ihren Fund für 31 000 DM an einen Händler aus dem Rheinland. Der reinigte die Scheibe und versuchte, sie zwei deutschen Museen zu verkaufen. Als das nicht gelang, verkaufte er die Stücke über eine Vermittlerin für mehr als 200 000 DM an einen Sammler.

2001 erfuhr Meller, dass die Funde 1999 dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte für eine Million DM angeboten worden waren. Und er erfuhr, dass es sich um Raubgut aus Sachsen-Anhalt handelte. Durch ein polizeiliches Ermittlungsverfahren des Bundeslandes gelang es, Vermittlerin und Besitzer ausfindig zu machen. Meller gab sich als möglicher Käufer aus. Es kam zu einem Treffen, bei dem die Hehler verhaftet wurden. Spielte diese Geschichte in den USA, Hollywood hätte sie längst verfilmt.

Das war aber erst der Anfang. Hätte Meller den Hehlern keine Falle gestellt, wer weiß, in welchem Keller die Scheibe geendet wäre. Hätte Meller nicht zahllose Untersuchungen durchführen lassen, wäre die Himmelsscheibe den Ruch, eine Fälschung zu sein, wohl niemals los geworden. „Meller“ steht hier für eine Fülle von Teams aus den verschiedensten Wissenschaften aus unterschiedlichen Ländern. Aber ohne seinen Sturkopf, seine Begeisterung und seine Fähigkeit, andere zu begeistern, wäre so viel nüchterne Aufklärungsarbeit nicht möglich gewesen.

So stellte sich heraus: Das Kupfer der Himmelsscheibe war in den österreichischen Alpen abgebaut worden, während Zinn und Gold aus Cornwall kamen. „Die Himmelsscheibe ist eines der ersten eindrucksvollen Zeugnisse einer sich globalisierenden Welt“, schreiben Meller und Michel. Die Untersuchungen gaben auch eine Antwort auf die Frage, wie die Scheibe vor 4000 Jahren aussah. Im Laufe der Jahrtausende korrodierte die Bronze. Das Ergebnis ist ihr heutiges Malachitgrün. Ursprünglich erstrahlte die mit aus Urin gewonnenem Ammoniak behandelte Bronze schwarz-blau bis schwarz-violett. Also ein nachtblauer Himmel mit golden funkelnden Gestirnen.

Noch wichtiger aber ist, dass festgestellt werden konnte, dass die Himmelsscheibe schon in den Jahrhunderten, in denen sie in Gebrauch war, mehrfach umgearbeitet worden war. Ursprünglich diente sie als ein Instrument, mit dessen Hilfe sich Mond- und Sonnenkalender synchronisieren ließen. Die Mondsichel ist klar zu erkennen. Aber daneben der Goldkreis? Bezeichnet er die Sonne oder den Mond? Rahlf Hansen, Astronom von der Sternwarte Hamburg, hat eine verblüffende Antwort: „beides“. „Wenn die Mondsichel einst den Beginn des Frühlingsmonats signalisierte, markierte zur Zeit der Himmelsscheibe der zwölf Tage später auftretende Vollmond den tatsächlichen Beginn des Frühlings. Zugleich galt dieser volle Mond auch als Auftakt des Sonnenjahres. Der Goldkreis auf der Himmelsscheibe kann also beides symbolisieren: den Vollmond als Start des Sonnenjahres oder die Sonne, die an diesem Tag ihren jährlichen Lauf beginnt.“

Später kamen die goldenen Randstreifen hinzu – es ist nur einer erhalten. Und zuletzt dann die Sonnenbarke. Aus einem Instrument war – als man es nicht mehr zu handhaben verstand – eine Kostbarkeit, ein Kunstwerk geworden.

Ein Regensburger Archäologe hatte die Himmelsscheibe – ohne sie je untersucht zu haben – für eine Fälschung erklärt und beschuldigte die Wissenschaftler um Meller, „das ganze prähistorische Geschichtsbild auf den Kopf zu stellen“, indem man Sachsen-Anhalt den „Hochkulturen des Zweistromlandes“ an die Seite stellte. Er wollte die als lächerlich dastehen lassen, die die Echtheit der Himmelsscheibe vertraten. Genau damit hat er sich lächerlich gemacht.

Tatsächlich ist die Himmelsscheibe Produkt einer Kultur, die wir nur darum nicht als „Hochkultur“ ansprechen, weil sie über keine Schrift verfügte. Die Himmelsscheibe verändert tatsächlich unser Verständnis für die mitteleuropäische Vergangenheit und für die Beziehungen, die sie in die Ägäis und womöglich bis Babylon auf der einen und auf der anderen Seite bis Stonehenge unterhielt.

In ihrem Buch „Griff nach den Sternen – Nebra, Stonehenge, Babylon: Reise ins Universum der Himmelsscheibe“ (Propyläen 2021) versuchen Harald Meller und sein Ko-Autor, der Journalist Kai Michel, eine Einbettung des einzigartigen Fundes vom Mittelberg in die Geschichte der bronzezeitlichen Himmelsbeobachtungen. Die Scheibe dokumentiert einen Kenntnisstand, der um diese Zeit nirgendwo sonst nachgewiesen ist. Allerdings zeigt sich, dass stets mehr gewusst als aufgeschrieben wurde.

Die Fixierung auf das schriftlich Überlieferte verengt unsere Wahrnehmung. Hansen erklärte, was er empfand, als er das erste Mal die Himmelsscheibe betrachtete: „Ich war tatsächlich ziemlich baff, weil so etwas Reales, so konkrete Himmelsobjekte auf einer so alten Darstellung ja vollkommen ungewöhnlich sind. Erst recht hier in unseren Breiten, aber überhaupt: Normalerweise gibt es immer Götter, aber keine konkreten Darstellungen.“ Die Himmelsscheibe kommt tatsächlich ohne Götter aus.

Sie erzählt keinen Mythos, sondern markiert Daten von Sonne, Mond und Sternen. Die Himmelsscheibe ist ein Werk der Aufklärung. Auch in dem Sinne, dass für sie zusammengetragen wurde, was über die Bewegungen der Himmelskörper vor rund 4000 Jahren zwischen Stonehenge und Babylon in Erfahrung zu bringen war.

Ob die Himmelsscheibe von heiligen Handlungen und Liedern begleitet wurde, die Geschichten von den vor dem Mond fliehenden Plejaden erzählten oder von Götterkriegen und erotischen Abenteuern, das wissen wir nicht. Vielleicht diente sie in magischen Ritualen dazu, die Realität durch ihre Abbildung zu bannen – auch das wissen wir nicht.

Die Scheibe aber bildet keinen Mythos ab. Sie zeigt nichts als das, das wir sehen: Sonne, Mond und Sterne. Mythos und Aufklärung lösen einander immer wieder ab. Wir erzählen uns Geschichten von dem, das wir sehen, und wir führen die Geschichten zurück auf das, das wir sehen. Unser Verstand ist ein Schiffchen, das in dieser Doppelbewegung alles mit allem verwebt. Das gilt nicht nur für die Himmelsscheibe von Nebra, die Kultur von Aunjetitz. Das gilt auch für das, das wir heute mit ihr machen.

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