"Drei-Komponenten-Gericht": Eine deutsche Tradition stirbt aus
Das Essverhalten in Deutschland hat sich gewandelt.
Knapp die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland geht seltener auswärts essen, wie eine repräsentative Civey-Studie zeigt. Das ist auf die Rückerhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent zurückzuführen, die zur Entlastung der Gatronomie wegen der Corona-Pandemie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt wurde.
Auch das Essverhalten in Deutschland hat sich verändert. Das klassische Bild von Gerichten mit einer Fleisch- oder Fischkomponente, Gemüse und einer kohlenhydratreichen Beilage sieht man in Restaurants immer seltener. Stirbt die klassische Sättigungsbeilage aus?
Pizza, Burger, Bowl: Jüngere Generation isst andere Gerichte
Wiener Schnitzel oder Rouladen mit entsprechenden Beilagen werden immer noch gegessen.Gerade bei jüngeren Menschen kommen aber oft ganz andere Gerichte auf den Tisch. Man denke an Pizza, Burger oder Döner. Beim Essen haben sich aber auch Trends entwickelt, zum Beispiel sogenannte Bowls, bei denen einfach alle verschiedenen Zutaten zusammen in einer Schüssel angerichtet werden.
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Sie alle haben eines gemeinsam: Die typischen drei Komponenten gibt es hier nicht.
Und wenn es solche Gerichte auf der Speisekarte gibt, fällt auf, dass die Sättigungsbeilage nicht mehr ganz selbstverständlich im Gericht enthalten ist. Stattdessen können sich die Restaurant-Gäste selber aussuchen, ob sie nun lieber Reis oder Nudeln essen wollen.
Die Beilage wird zur Option. Eine Option, die dann natürlich auch separat berechnet wird. Es wird offenbar normaler, wenn etwa zum Rinderfilet, wie in teureren Restaurants in Amerika, jede Beilage extra kostet – oft tituliert als "Sides". Darunter werden häufig die Kohlenhydrate wie Fritten und getrüffeltes Kartoffelpüree oder eben Gemüse wie gegrillter grüner Spargel angeboten.
Experte zu Fleisch mit Beilagen: Drei-Komponenten-Gerichte "out"
Der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Uni Regensburg erklärt, woher der Wandel kommt."Das lange Zeit in Deutschland übliche Drei-Komponenten-Gericht wird heute als total altmodisch wahrgenommen und von vielen als Bevormundung verstanden", sagt Hirschfelder. "Festgefügte Komponentengerichte sind ungefähr so out wie die kriselnden Warenhäuser à la Karstadt."
"Essen ist zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit geworden."
- Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder -
Die Menschen heute hätten lieber eine größere Auswahl. Er zieht erneut den Vergleich zu Warenhäusern. Wenn es hier etwa nur zwei Jeans statt Dutzender Modelle gebe, könne sich Enttäuschung breit machen – genauso wenn die Speisekarte zu viel festlege.
Die jüngere Generation würde es oft befremdlich finden, wenn jede:r am Tisch das gleiche Gericht bekommen soll. Die Individualität ist ihnen wichtig. "Essen ist zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit geworden. Wir haben pseudo-individualisierte Ernährungsstile", sagt Hirschfelder.
Der Kulturwissenschaftler verweist hier auch auf Veränderungen in der Welt. "Das Motto scheint zu sein: Wenn ich schon die Welt nicht verändern kann, dann kann ich wenigstens verändern, was auf meinem Teller ist."
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(Mit Material von dpa)