„Tatort“ aus Kiel: Nach 60 Minuten scheint der Fall erledigt zu sein

„tatort“ aus kiel: nach 60 minuten scheint der fall erledigt zu sein

Führt Greta Exner (Cordelia Wege) Borowski (Axel Milberg) an der Nase herum?

Schein, wohin man sieht in diesem „Tatort“. Im Zentrum des Films steht eine reiche, arme Frau. Greta Exner (Cordelia Wege) spielt die perfekte Ehe mit ihrem Mann, der sie notorisch betrügt. Toby (Pétur Óskar) ihr mittelloser Gatte, glaubt sie, sei ihr Besitz: ein verwegen aussehender Künstlertyp, als Ehemann durchgesetzt gegen den Willen der schwerreichen, grotesk zynisch auftretenden Familie.

Greta hat außerdem eine glänzende Karriere im börsennotierten Familienunternehmen, das in Kiel Medizingeräte herstellt. Ihre künstlerische Ausdruckskraft stellt sie als Fotografin aus. Übergroße Abzüge der Ablichtungen ihres Bildbands hängen in ihrem Haus, in dem sie gerade exaltiert und begleitet von verbalen Demütigungen von Mutter und Vater ihre Auszeichnung als Unternehmerin des Jahres feiert.

Eine verlorene Seele

„Lost Places“ bildet Greta auf ihren für diesen „Tatort“ bezeichnenden Fotos ab, verlassene, trostlose Orte. Hier gibt es kein Leben, nur Niedergang und Durcheinander. Zweimal geht die Kamera von Johann Feindt durch eines dieser Bilder hindurch wie durch ein Zeit und Raum transzendierendes Wurmloch. Einmal hin, einmal zurück, während der Darstellung merkwürdiger Verhältnisse und kriminalistischen Stocherns im Bedeutungsnebel.

Tatsächlich scheint Greta eine verlorene Seele zu sein. Ungeliebt von ihren Eltern Vera (Karin Neuhäuser) und Konstantin (Stephan Bissmeier), die dieser „Tatort“ von Andreas Kleinert (Regie) und Sascha Arango (Buch) als Zerrbilder von Unternehmerpersönlichkeiten auftreten lässt. Der dekorative Preis als „Unternehmerin des Jahres“ verdankt sich der Mutter. Den bespöttelten Fotobildband hat Greta im Selbstverlag herausgebracht. Bleibt Toby als Spielzeug, über das Macht ausgeübt werden kann, schließlich hat er kein Geld. Sein Eigensinn als Dauerbetrüger macht für seine Ehefrau die Sache nur reizvoller. Im Chat mit einer schönen Unbekannten spricht er davon, Greta zu beseitigen. Kurz darauf wird er selbst vermisst, und Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) kommen ins Bild. Spannung stellt sich höchstens vermittelt her. Es ist die Frage, ob es in „Borowski und der Wiedergänger“ überhaupt ein Verbrechen gibt außer den Finanzmachenschaften der Exners, in einem „Tatort“, der ziemlich sicher die Zuschauergemüter spalten wird.

„Irgendwas Offshoriges“: Strafbar sind die Verabredungen der Exners mit ihrem überzeichneten Schweizer Finanzberater Pascal Rütli, wie in Rütli-Schwur (Caspar Kaeser), und sonst? Interessieren sich Andreas Kleinert und Seelenspezialist Sascha Arango vor allem für die Beziehungen, Versehrungen und Machtverhältnisse in dieser Familie. Wie Ta­bleaus ordnet sich die Fraktion der Eltern um Sahin an, während Borowski Ehefrau Greta studiert. Kleinert selbst gibt Begleithinweise auf die Dramen Tschechows und Shakespeares. „Ghosting“ spielt auch eine Rolle, das plötzliche Verschwinden eines Kontakts auf elektronischen Kanälen. „Umgekehrtes Ghosting“, das Wiedererscheinen Tobys als Chatpartner. Warum ermitteln? Dem Ermittlerchef Roland Schladitz (Thomas Kügel) droht Vater Exner mit Ministerkontakten.

Für „Tatort“-Fans stellt „Borowski und der Wiedergänger“ eine Herausforderung dar. Die ersten Szenen sehen aus wie Kleinerts, Feindts und Arangos Zugeständnis an die Konventionen. Hier fließt Blut, wird jemand niedergeschlagen, geschieht ein Verbrechen. Aber auch diese Szene ist nicht unbedingt das, was sie zu sein vorgibt. Und nach sechzig Minuten scheint Schluss zu sein. Die eingestreuten Zeugenaussagen zum Verschwinden von Toby sind abgearbeitet, haben zu diesem „Tatort“ als schwarz-weiße Szenen-Trennblätter wenig beigetragen. Borowski gibt den Fall ab, gegen Sahins Willen. Es folgt der Abspann.

Auch das ist eine Finte, filmisch überraschend wirkungsvoll, wie überhaupt die Bildgestaltung zum Faszinierendsten dieses gewöhnungsbedürftigen „Tatorts“ gehört. Dass Borowski sich mit Greta, der betrogenen Selbstbetrügerin, allzu gut versteht; dass Gretas „Mann für alles“ Witek (Greg Stosch) ein verborgenes Eigenleben führt; dass Theaterdonner und -zauber, Spiel mit Realismus und Künstlichkeit diesen Krimi für manche höchst sehenswert, für andere verwirrend und überflüssig machen werden, versteht sich.

Tatort: Borowski und der Wiedergänger, am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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