Vom Chemielabor in die Schrauberwerkstatt

Ein ganz geradliniger Lebensweg wäre für Hans-Georg Richter zu langweilig gewesen. Auch mit 76 Jahren ist er voller Energie.

vom chemielabor in die schrauberwerkstatt

Hans-Georg Richter in seiner „heiligen Halle“ voller Oldtimer – vor seinem Lieblingsmotorrad, einer alten Indian. Hier schraubt er, repariert, erneuert und macht die Fahrzeuge fahrbereit. © Foto: Frank Thümmler

Weißkollm. Zu seinem Lieblingsplatz fährt Hans-Georg Richter des Öfteren von seinem überaus gemütlichen Zuhause in Hoyerswerda rund 20 Minuten nach Weißkollm. Hier hat er eine Halle vom ehemaligen Kreisbetrieb für Landtechnik gekauft. Sie bietet Platz für sein Hobby. Die Halle ist vollgestellt mit lauter alten Fahrzeugen, eine Vielzahl davon abgedeckt – ein kleines Paradies für Oldtimerfans.

Hans-Georg Richter beherrscht das scheinbare Chaos, schiebt schnell ein uraltes Motorrad fürs Foto herbei. „Mein aktuelles Lieblingsstück – eine Indian“, sagt er und erzählt, dass das Motorrad nicht so einfach zu fahren sei – alles spiegelverkehrt. „Das hier ist mein Lieblingsort, weil ich hier meine Interessen und Lieblingstätigkeiten super verbinden kann“, sagt er. Dass er einmal so viele alte Fahrzeuge besitzt und sie immer wieder zum Laufen bringt, hat sich lange nicht abgezeichnet in seinem Leben. Erst seit 2005 beschäftigt er sich intensiver mit diesem Hobby.

Geboren und aufgewachsen in Burg bei Hoyerswerda hatte Hans-Georg Richter Chemie studiert und war 1970 nach Weißwasser gezogen. Arbeitsplätze als Chemiker waren rar, die Glasindustrie bot eine Anstellung. Dort, in der „Bärenhütte“ hielt es Richter aber nicht lange aus: eingefahrene Gleise seit ewigen Zeiten. Als dann in Boxberg der erste Block eröffnet und ein Laborchef gesucht wurde, bewarb sich der junge Chemiker und wurde genommen, leitete das Labor und wurde dann „Fachdirektor für Energieerzeugung“. Die politischen Wende 1989/90 brachte den nächsten Einschnitt. „Für mich, ich war 43 Jahre alt, bedeutete das damals eine grundsätzliche Weichenstellung: Wenn Du keine goldenen Löffel klaust, kannst Du im Kraftwerk bis zur Rente bleiben. Oder etwas ganz Neues machen. Für mich war die Perspektive im Kraftwerk einfach zu langweilig, gerade jetzt zur Wendezeit. Da musste doch auch was anderes gehen.“ Richter ging zu seinem Chef im Kraftwerk und verkündete, in die freie Wirtschaft zu gehen.

Eine Idee hatte er da schon im Kopf: Industrieabbruch. „Jetzt, wo hier alles in Erneuerung ist, wird es auf diesem Sektor viel Arbeit geben. Hans-Georg Richter fand schnell einen Partner, gründete mit diesem Partner eine Niederlassung in Boxberg und stürzte sich in die Arbeit. In Spitzenzeiten hatte diese von Richter geführte Firma rund 100 Mitarbeiter. Arbeit war, wie von ihm vorausgesehen, ohne Ende. „Wir haben dann im Wesentlichen alte Kraftwerke abgebrochen, mit toller und teurer Technik“. Richter zählt auf: Hagenwerder, Lippendorf, Lübbenau, Vetschau, teilweise in Boxberg, wie zum Beispiel die 300 Meter hohen Schornsteine.

Es gab auch Baustellen in den alten Bundesländern, zum Beispiel das Kernkraftwerk Hamm-Uentrop, das heute zu den größten Fehlentwicklungen bei deutschen Projekten gezählt wird und nach mehreren Störfällen nur wenige Monate in Betrieb war. „Wir waren eine super Truppe mit sehr motivierten Mitarbeitern. Das hat wirklich Spaß gemacht“, erinnert sich Hans-Georg Richter, der einige Jahre in Essen und am Ende seines Arbeitslebens in Hamburg lebte. Das Gaskraftwerk Moorburg hat der Hoyerswerdaer als letztes „platt gemacht“.

„Damals, 2004/05, habe ich natürlich darüber nachgedacht, wie das Ausstiegsszenario für mich wird“, erinnert sich Hans-Georg Richter. Aber er wäre in Hamburg nicht richtig zufrieden geworden, weil sich Hans-Georg Richter in seinem Ruhestand handwerklich ausleben wollte, und eine große Werkstatt in Hamburg finanziell utopisch war. Also ging es zurück in die alte Heimat, zumal auch die Eltern noch lebten. „In den letzten Jahren in Essen und in Hamburg hatte ich meine Liebe zu alten Fahrzeugen entdeckt, vielleicht, weil auch mein Vater ein leidenschaftlicher Fahrer war. Ich habe Ausschau gehalten und alte Fahrzeuge aufgekauft, teilweise fast Schrott, mit dem Gedanken: Wenn Du mal Rentner bist, machst Du Dich drüber her. Sonst gehst Du als Rentner noch der Frau auf die Nerven“.

Richter hatte verschiedene Garagen angemietet, bis sich jene Gelegenheit mit der Halle in Weißkollm ergab, wo sich auch alte Maschinen finden, die Richter bei den Abbrucharbeiten vor dem Schrott rettete. Seit fast 20 Jahren schraubt Richter nun schon in seiner Halle, hilft auch gern anderen. „Die Fahrzeuge sind nicht fürs Museum, sie sind zum Fahren da“, sagt er und nimmt ab und an und nur aus Spaß auch an verschiedenen Oldtimer-Rallyes teil mit wechselnden Fahrzeugen. „Mal fahre ich mit dem Motorrad, mal mit der Harley, mal mit der Indian. Oder wir nehmen den Landrover, oder den MG, oder irgendein anderes. Meine Frau kommt immer mit und findet das auch toll.“

Hans-Georg Richter war auch mal Geschäftsführer des Harley-Davidson-Clubs in Hoyerswerda, half den „Jungs“ beim Erwerb eines Geländes mit Clubhaus. Auf der Suche nach einem geeigneten Gelände stieß er übrigens auch auf das denkmalgeschützte Häuschen, in dem er heute – nach einem An- und Umbau lebt.

„Ich wünschte mir, für die Politik genauso wie auch für die normalen Leute zum Beispiel in den Oldtimer-Clubs, dass alle mehr über den Tellerrand hinaus schauen“, sagt Richter, der als Bürger zum Beispiel auch im Stadtrat kein Blatt vor den Mund nimmt und sich so ab und zu in die Kommunalpolitik einmischt.

Es sei schön, immer wieder neue Erfahrungen zu machen. Dass das auch für seine privaten Urlaube mit Wohnmobil auf der ganzen Welt zutrifft, ist völlig klar. Aber auch auf ganz andere Dinge: „Als die Segelfliegerschule in Nardt per kleinen Artikel fürs Sommerlager Nachwuchs fürs Segelfliegen suchte – mindestens 14 Jahre und mit Einwilligung der Eltern, hab ich angerufen und gefragt, ob es denn auch eine Obergrenze gibt“, erzählt er lachend. Als sie dann tatsächlich teilnahmen, waren sogar Zeitung und Fernsehen da.

Langweilig wird es bei Richters nie. Zum Beispiel gibt es ja auch noch das Kneipenorchester, in dem Hans-Georg Richter Banjo spielt. Die nächsten Rallye-Teilnahmen sind auch schon in Planung. Und gerade wartet ein Verkaufstermin: Hans-Georg Richter trennt sich von einem alten Wartburg. „Ich verkaufe nur an Leute, wo ich weiß, dass die Autos in guten Händen sind.“ Die Halle in Weißkollm wartet. Gerade jetzt kurz vor dem Frühling: „Ich muss die ganzen Fahrzeuge wieder in Gang bringen. Jetzt, mit dem neuen, beigemischten Sprit, ist über den Winter vieles verstopft, viel Arbeit“, sagt Hans-Georg Richter.

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