US-Behörde ermittelt gegen Boeing – Verdacht der Dokumentenfälschung
Boeing, der US-Flugzeugbauer in der Krise, kämpft mit neuerlichen Turbulenzen. Nach Hinweisen eines dritten Whistleblowers ermittelt nun die US-Luftfahrtbehörde. Es geht dabei um den Langstreckenflieger „Dreamliner“ und möglicherweise gefälschte Qualitätsberichte.
Fertigungslinie des „Dreamliners“ 787 von Boeing in North Charleston im US-Staat South Carolina dpa/Gavin McIntyre
Boeing steht im Visier einer weiteren Untersuchung der US-Luftfahrtbehörde FAA. Diesmal geht es um Qualitätskontrollen beim Langstreckenmodell 787 „Dreamliner“, wie die FAA am Montag mitteilte – und um den Verdacht der Fälschung betreffender Dokumente. Konkret stehe die Frage im Raum, ob Boeing „bei einigen 787 Dreamliner-Flugzeugen“ die geforderten Inspektionen der elektronischen Verbindungen zwischen Tragflächen und Rumpf korrekt vorgenommen habe.
Die Untersuchung sei eingeleitet worden, nachdem Boeing die FAA darüber informiert habe, dass verlangte Inspektionen möglicherweise nicht vollständig abgeschlossen worden seien. Die Inspektionen sollen einen sicheren und funktionierenden Stromfluss zwischen den einzelnen Komponenten des Flugzeugs sicherstellen.
„Die FAA untersucht, ob Boeing die Inspektionen abgeschlossen hat und ob Mitarbeiter des Unternehmens Flugzeugberichte gefälscht haben“, erklärte die Behörde. Der Konzern überprüfe alle 787 auf den Produktionslinien und müsse auch einen entsprechenden Plan für Maschinen ausarbeiten, die in Betrieb seien.
Das Problem sei bekannt geworden, nachdem ein Boeing-Beschäftigter eine „Unregelmäßigkeit“ beobachtet und sich an einen Abteilungsleiter gewendet habe, der die Information weitergegeben habe.
Boeing betonte, man habe die FAA umgehend über den Verstoß informiert. Ein Boeing-Mitarbeiter habe einen Verstoß gegen die Prüfungsvorgaben beobachtet und das Management informiert, schrieb 787-Programmchef Scott Stocker in einer E-Mail an die Belegschaft.
Danach habe Boeing festgestellt, dass „mehrere Personen“ im Werk im US-Bundesstaat South Carolina die vorgeschriebenen Tests nicht durchgeführt, aber in den Unterlagen als abgeschlossen vermerkt hätten. Die Inspektionen müssten nun außerplanmäßig nachgeholt werden.
Die Qualitätsaufsicht bei Boeing steht seit einem dramatischen Zwischenfall Anfang Januar verstärkt im Mittelpunkt. Bei einer so gut wie neuen Boeing 737-9 Max der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines brach kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpf-Fragment an der Sitzreihe 26 heraus.
Die mehr als 170 Menschen an Bord kamen weitgehend mit dem Schrecken davon. Allerdings waren die beiden Sitze in der Nähe des Lochs im Rumpf nur durch einen glücklichen Zufall leer geblieben und das Flugzeug befand sich noch in relativ geringer Höhe.
Speziell um das 787-Programm ging es zuletzt bei einer Anhörung im US-Senat. Sam Salehpour, ehemaliger Ingenieur bei Boeing, trat als Whistleblower in dem Fall auf und warnte die FAA. Er kritisiert, dass bei vielen Flugzeugen des Typs zu hohe Spaltmaße zwischen den Rumpfteilen zugelassen worden seien, was die Lebenszeit der Maschinen verkürzen könne. Boeing weist die Vorwürfe mit Nachdruck zurück.
Wie das Magazin der „Spiegel“ berichtete, führte Salehpour die Mängel unter anderem auf das Zusammenspiel mit Zulieferern zurück. Die Rumpfteile des „Dreamliners“ werden von verschiedenen Fertigern hergestellt und geprüft. Weil die Qualitätsberichte- und kriterien der Zulieferer nicht einheitlich seien – so sein Vorwurf – seien sie von Boeing passend gemacht worden.
Im Bericht des „Spiegel“ werden auch die Whistleblower Joshua „Josh“ Deans und John „Mitch“ Barnett erwähnt. Beide Männer machten auf Mängel an den Maschinen der 737-Max-Reihe und der 787-Maschinen aufmerksam. Beide Männer sind mittlerweile tot.
Zuerst hatte das „Wall Street Journal“ von den Ermittlungen berichtet. Die Boeing-Aktie gab anschließend nach und lag im Verlauf kurz vor Börsenschluss in New York etwa zwei Prozent im Minus.
Boeing erlitt zuletzt einen massiven Umsatzrückgang. Der Konzern musste auf Geheiß der FAA nach der schlagzeilenträchtigen Panne die Produktion seines Verkaufsschlagers 737 MAX drosseln. Der Flugzeugbauer kämpft seit Jahren mit Vorwürfen, bei Konstruktion und Produktion zu nachlässig zu sein.