René Benko und seine Geldaposteln
Büro von René Benko
René Benko und Markus Braun gehören derzeit zu den spannenden Figuren von Unternehmensgründern. Während Braun in München regelmäßig beim Prozess gegen ihn im Zusammenhang mit dem Zahlungsdienstleister Wirecard zu sehen ist, ist der Kopf des Immobilien- und Handelskonzerns Signa untergetaucht. Dem Vernehmen nach hat er sich in eine prächtige Immobilie zurückgezogen in sein Heimatland Tirol, wo sein Aufstieg begonnen hat. Vom Gebirge aus kann er beobachten, was jetzt über ihn an die Öffentlichkeit gelangt. Dazu gehören Auszüge von Korrespondenzen, die Aufschluss über seinen Umgang mit Investoren geben. Detailreich beschreiben die österreichischen Journalisten Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart diese Beziehungen in der publizistischen Neuerscheinung „Inside Signa“.
Interessant ist das Buch wegen der Darstellung der Entwicklung von Benkos Verhältnis zu wichtigen Geldgebern in Deutschland. Mit seiner Komplexität und europäischen Dimension stehen auch Hamburg, Berlin, Frankfurt und München im Zentrum von Aufstieg und Fall eines der faszinierenden Spekulanten aus der Wirtschaftswelt dieses Jahrhunderts. Schließlich kam von Deutschen viel Geld in das verschachtelte und intransparente Konstrukt. Ohne sie wäre der Aufstieg in dem Ausmaß unmöglich gewesen. Fleckl und Reinhart erinnern daran, dass der Immobilienkönig zu einer Zeit, als Hausbauer bei ihrer Hausbank noch einen Fixzinskredit für rund ein Prozent Zinsen bekamen, bereits üppige Zinsen für frisches Kapital geleistet hat. Die weitgehend insolvente Signa-Gruppe hat nie Benko allein gehört. Prominente Investoren wie Hans Peter Haselsteiner, Torsten Toeller, Ernst Tanner oder Robert Peugeot waren daran beteiligt und haben ihm die Stange gehalten, solange sie an dem System gut verdienten.
Erstaunlich spät haben die allesamt in Wirtschaftsfragen versierten Financiers erkannt, auf welch tönernen Füßen ihr Engagement steht. Solange regelmäßig üppige Dividenden flossen, schien es niemanden zu interessieren. Nur Wendelin Wiedeking war schon früh wegen der Intransparenz des Unternehmensgeflechts irritiert. Andere waren vertrauensseliger.
„Tarnen und Täuschen als Prinzip“
„Die Intransparenz war kein Zufall oder Versäumnis, sondern hatte Methode“, schreiben die Autoren. Den Überblick über das verschachtelte Firmenkonglomerat habe allein „Mastermind“ Benko gehabt, der seit 2013 keine offizielle Funktion mehr bei Signa ausübt. Als organisierten Gesetzesbruch bezeichnet das Buch die Praxis, jahrelang keine Jahresabschlüsse vorzulegen und stattdessen Strafzahlungen in Kauf zu nehmen. Von „Tarnen und Täuschen als Prinzip“ ist die Rede.
Über Sein und Schein lässt sich auch sinnieren in Benkos Welt der Villen, Yachten, Privatjets und Netzwerke aus Prominenz und Politik. Mit potentiellen Investoren und einflussreichen Männern ging Benko schon mal auf Entenjagd, überreichte edle Lipizzaner, um zu beeindrucken, oder ließ sie zum Sommerfest am Gardasee einfliegen, wo einmal der deutsche Sänger Xavier Naidoo für mehr als eine Viertelmillion Euro einen Kurzauftritt auf Firmenkosten hatte. In Zeiten des Aufstiegs wurde auch exklusiv zum Halali geblasen. Dazu gesellten sich Unternehmer und Netzwerker mit starkem Russlandbezug. Mit an Bord waren unter anderem: der Fleischfabrikant Clemens Tönnies, Wolfgang Porsche, der Russlandnetzwerker und Großinvestor Siegfried Wolf, der ehemalige Tennismanager (unter anderem von Boris Becker) und Oligarch Ion Tiriac aus Rumänien sowie der einstige Daimler-Manager und heutige Russlandlobbyist Klaus Mangold. Mangold erhielt von Benko vor Jahren einen gut dotierten Beratervertrag. Ohne seine Beziehungen zu wichtigen Geldgebern wären die Übernahmen von Karstadt und Kaufhof womöglich nicht so reibungslos verlaufen. Zu den Türöffnern gehört auch der Lobbyist Harald Christ – egal ob es Chefredaktionen waren, Vorstandsetagen oder die Spitzenpolitik. „Wer verstehen will, wie Lobbyismus und Networking in Berlin funktionieren, der kommt an Christ nicht vorbei.“ Christ lieferte, was Benko suchte.
Den Anfang vom Ende machen die Autoren mit dem 1. Dezember 2022 fest, als Klaus-Michael Kühne aussteigen will. Zu dieser Zeit braucht Benko dringend frisches Geld, um das Rad am Laufen zu halten. Als Kühne abspringt, nimmt das Unvermeidliche seinen Lauf. Wenige Monate später folgen die ersten Insolvenzen. Seither arbeiten sich Sanierer und Masseverwalter an dem Konglomerat ab, das der Öffentlichkeit noch viele Facetten über Verblendung, Glücksrittertum und Gier bieten wird.