Nationalbank-Experten plädieren für Vermögens- und Erbschaftssteuer
In Österreich sind Einkommen und Vermögen sehr ungleich verteilt. Ein Eigenheim haben fast nur Menschen aus der oberen Hälfte der Nettovermögensverteilung, direktes Unternehmenseigentum und Einkommen aus Immobilienvermietung sind beim obersten Zehntel konzentriert. Als Gegenmaßnahme fordern Experten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) im aktuellen Sozialbericht des Sozialministeriums eine Vermögenssteuer, eine Erbschaftssteuer und eine Besteuerung der Bodenrente.
Vermögende würden von der Steuerstruktur und Subventionen ebenso profitieren wie von Unterstützungen in Krisen und elementarem Eigentumsschutz, hätten aber gleichzeitig besseren Zugang etwa zu politischen Entscheidungsträgern. „Sie können den rechtlichen Rahmen viel einfacher als Arme und Menschen der gesellschaftlichen Mitte zu ihren Gunsten beeinflussen“, so die Studienautoren Pirmin Fessler und Martin Schürz. Zu viel Macht durch „Überreichtum“ schade allerdings der Demokratie. Fessler und Schürz plädieren deshalb für die Einführung von Steuern, die soziale Gleichheit fördern, zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen und das Potenzial haben, gleichzeitig Steuern auf Arbeit deutlich zu senken. Empirische Belege für ihre Forderungen sehen sie in der OeNB-Studie „Household Finance and Consumption Survey (HFCS).
Konkret verlangen sie die stufenweise Einführung einer Besteuerung der Bodenrente, vom liberalen Ökonomen Milton Friedman einst als die „am wenigsten schlechte Steuer“ beworben. Die Idee dahinter: Öffentliche Güter wie Infrastruktur (etwa eine neue U-Bahn-Station in der Nähe) steigern den Wert von Grund und Boden, ohne dass die Landeigentümer direkt dafür bezahlt hätten – eine laufende „unsichtbare Umverteilung von den Eigentumslosen zu jenen, die Grund und Boden haben“. Das befeuere soziale Ungleichheit, denn die Landeigentümer könnten den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verkaufen und die entsprechenden Einnahmen behalten. Dieses Geld fehle wiederum zur Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Außerdem führe die „privatisierte Bodenrente“ durch ineffiziente Nutzung des Bodens auch zu hohem Bodenverbrauch, heißt es in der Studie.
Zwar gibt es in Österreich schon seit den 1950ern eine Grundsteuer. Weil für die Bewertung der Grundstücke aber viel zu niedrige Einheitswerte herangezogen würden, bringt diese laut Studie nur vergleichsweise wenig ein. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung im Zentrums Wien mit einem Wert von hunderttausenden Euro falle etwa eine Grundsteuer von nur 50 Euro pro Jahr an, für ein Einfamilienhaus am Land mit 1.500 Quadratmeter Grund 40 Euro, rechnen die Autoren vor. Land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen kommen auf ein paar Euro pro Hektar. Beim Kauf von Grundstücken wird zwar eine Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent fällig, diese werde bei großen Grundstückskäufen aber oft durch Firmenkonstruktionen umgangen.
Eine Besteuerung der Bodenrente (nur auf den Grundstückswert, nicht darauf stehende Gebäude) würde laut den Studienautoren dazu führen, dass neben den Grundstückseigentümern auch die Allgemeinheit etwas vom Wertgewinn durch öffentliche Infrastruktur zurückbekäme. Außerdem würden dadurch Grundstücke billiger, was mehr Menschen den Erwerb von Eigentum ermöglichen würde, bewerben die Autoren das Modell – auch wenn die Bewertung von Land je nach Lage relativ komplex sei.
„Unverdientes“ Einkommen
Über die Wiedereinführung der 2008 abgeschafften Erbschafts- und Schenkungssteuer soll laut den Autoren wiederum soziale Mobilität und Chancengleichheit gestärkt werden, „indem sie unverdiente, leistungslose Einkommen aus Erbschaften besteuert und somit die übermäßige Vermögenskonzentration bekämpft“. Dementsprechend lehnen sie auch eine Steuerbefreiung bei der Vererbung von Unternehmen ab, denn das hieße, gerade die Reichsten steuerlich zu bevorzugen. Eine progressiv gestaltete Steuer, bei der bei kleinen Erbschaften sehr geringe und bei großen hohe Steuern anfallen, würde dem Staat laut den Autoren jedenfalls pro Jahr mehrere Milliarden Euro bringen, die gezielt in Bildungseinrichtungen, Pflege oder Maßnahmen gegen Armut fließen könnten.
Eine Steuer auf das Nettovermögen soll wiederum übermäßiger Vermögens- und Machtkonzentration entgegenwirken und für mehr Transparenz und Gerechtigkeit beim Vermögen sorgen. In Österreich gab es bereits von 1955 bis 1993 eine Vermögenssteuer. Wegen der damaligen Anonymität von Bankkonten und der Bewertung von Immobilien auf Basis veralteter Einheitswerte habe sie aber nur einen Teil des Vermögens erfasst. Samt Ausnahmeregelungen und niedrigen Steuersätzen ergab die Steuer damals deshalb nur etwa ein Prozent des Steueraufkommens. Für ihr Modell schlagen Fessler und Schürz nun einen hohen Freibetrag von 50 Mio. Euro vor, um „die Steuer auf extrem reiche Menschen zu beschränken und damit die demokratiezersetzende Wirkung von Milliardenvermögen zu bekämpfen“. Gut konzipiert, könne die Steuer außerdem mehr Transparenz in die Vermögensverhältnissen bringen und Steuerhinterziehung sowie Steuervermeidung erschweren. (APA)
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