Kommentar zur Entwicklungshilfe: Deutschland ist keine humanitäre Supermacht
Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze im März in Burkina Faso in einem von der Weltbank geförderten Gymnasium
Dass Deutschland den Bau von Radwegen in Peru finanziert, ist zugleich ein gutes wie ein schlechtes Beispiel für Sinn und Unsinn der deutschen Entwicklungshilfe. Ein schlechtes Beispiel ist es, weil es hier um 44 Millionen Euro geht. Das ist ein vergleichsweise geringer Betrag angesichts der 34 Milliarden Euro, die Deutschland allein im Jahr 2023 an „öffentlichen Mitteln für Entwicklungsleistungen“ zur Verfügung stellte, wie es amtlich heißt. Die AfD und ihre digitalen Büchsenspanner schießen da mit großem Kaliber auf einen denkbar kleinen Spatz.
Auf der anderen Seite steht dieses Projekt stellvertretend für das realitätsfremde und übergriffige Denken, das den deutschen Zugang zur Welt so oft kennzeichnet. Die Bundesregierung begründet das Engagement, von dem manche deutsche Kommune nur träumen kann, damit, dass man etwas für den Klimaschutz in Peru tun müsse. Das südamerikanische Land steht aber für gerade mal 0,2 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das Weltklima wird man hier nicht mal retten können, wenn alle Peruaner zu Fuß gingen. In Südamerika, wo die Wege weit sind, wird das sowieso nicht geschehen; das Auto spielt eine große Rolle.
Geber müssen sich wohlfühlen
Das Ganze folgt einem ähnlichen Antrieb wie „Gender-Trainings“ in China oder ein Projekt zu „positiver Maskulinität“ in Ruanda, die ebenfalls Geld aus Deutschland erhalten. Hier werden die (gesellschafts-)politischen Ansprüche des rot-grünen Milieus auf andere Länder übertragen. Mit der ursprünglichen Idee der Entwicklungshilfe, arme Länder bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützten, hat das dann nur noch dem Namen nach zu tun. Entwicklungshilfe wirkt heute nicht selten wie eine Ablasshandlung von reichen westlichen Staaten. Dass sich die Geber wohlfühlen, ist mindestens so wichtig wie das angestrebte Wohlergehen der Empfänger.
Ernüchternd ist oft die Bilanz der Entwicklungshilfe. Der bedeutendste Entwicklungserfolg der vergangenen Jahrzehnte, der industrielle Aufstieg Asiens, ist primär dem Freihandel und marktwirtschaftlichen Reformen zu verdanken. Sie hilft offenbar auch nicht bei der Eindämmung von irregulärer Migration, was immer wieder als Ziel ausgegeben wird. Auf der Liste der größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe standen im Jahr 2022 die Ukraine (Platz 1), Syrien (Platz 2), Afghanistan (Platz 7), der Irak (Platz 10) und die Türkei (Platz 12). Das sind zugleich die Länder, aus denen aktuell die meisten Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland kommen. Das Migrationsgeschehen kann man nicht zum einzigen Kriterium zur Beurteilung von Entwicklungshilfe machen. Aber dass die Leute gerade aus den Ländern fliehen, in die Deutschland besonders viel Geld zahlt, sollte zu denken geben.
Die Quote wurde erfüllt
Die Entwicklungshilfe lehrt einiges darüber, welche Prioritäten die deutsche Politik setzt. Während sie das Zweiprozentziel der NATO bis vor Kurzem ignorierte, erfüllte sie hier in den vergangenen Jahren eine international vereinbarte Quote. Deutschland gehört zu einer Handvoll von Staaten, die 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungsleistungen ausgeben, wozu die Bundesregierung sich von 2015 an verpflichtet hatte. Da schimmert noch einmal eine sehr bundesrepublikanische Weltsicht durch: Man wollte sich nicht militärisch behaupten, sondern als Zivilmacht. Das hat Deutschland zum zweitgrößten Geber nach den Vereinigten Staaten gemacht.
Unser Land ist aber keine humanitäre Supermacht, diese Einsicht sollte sich jetzt in den Beratungen zum Bundeshaushalt durchsetzen. Die beiden zuständigen Ministerinnen, Schulze und Baerbock, verlangen unter Verweis auf die Krisen in aller Welt 12,16 respektive 7,39 Milliarden Euro für ihre Häuser. Das sind gewaltige Beträge, die zusammen mehr wären als das, was der Bund im Haushalt 2024 für die Krankenkassen und die Bundespolizei ausgab. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass sich die Welt verändert hat: Deutschland muss vor allem in harte Sicherheit investieren, sprich in die Bundeswehr. Die Entwicklungshilfe, im Fall des Auswärtigen Amtes die humanitäre Hilfe, nützt nicht gegen Putin.
Nicht zuletzt geht es hier auch um die politische Stimmung im Land. Eines der hilflosesten Argumente in dieser Debatte, dass man nämlich die Entwicklungshilfe nicht gegen die Bedürfnisse der deutschen Bürger „ausspielen“ dürfe, verkennt die Wirklichkeit. Wer in einer deutschen Großstadt eine Wohnung oder einen Facharzt sucht, dort Kinder auf die Schule schickt, den Zug nehmen will oder auf die Autobahn fährt, kann sich mit gutem Grund fragen, ob wirklich so viel von seinem Steuergeld im Ausland landen muss. Die Schuldenbremse ist auch in dieser Hinsicht ein Instrument zur Erdung der Ampel.