Insight: Die Herausforderungen beim Wasserstoffverbrennungsmotor (1/3)

Technologien brauchen das richtige Umfeld, um zu funktionieren. Seien es batterieelektrische Antriebe, die 120 Jahre benötigt haben, bis Batterien genügend Kapazität hatten, um in Kraftfahrzeugen erstmals effektiv eingesetzt zu werden. Der Computer brauchte mehrere Jahrzehnte, um bürofreundlich zu werden. Bei der Wasserstofftechnologie ist es noch extremer.

Tatsächlich ist der Wasserstoffmotor bereits mehr als 200 Jahre alt. Der erste Explosionsmotor der Geschichte, den Isaac de Rivaz von 1804 bis 1807 entwickelte, verwendete zumindest teilweise Wasserstoff als Antrieb. Auch wurde damit bereits ein Motorwagen auf eine Geschwindigkeit von drei km/h gebracht.

Auch der Explosionsmotor, aus dem der Verbrennungsmotor hervorging, brauchte fast ein Jahrhundert, bis das erste wirkliche Automobil erfunden war. Und der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 wird bereits mehr als 140 Jahre alt sein, wenn bei den 24 Stunden von Le Mans 2027 die Wasserstoffklasse debütiert.

Es steht viel auf dem Spiel, denn es geht um eine langfristige Zukunft des Motorsports mit Sound – und eine nachhaltige Antriebstechnologie, die keinerlei Abhängigkeit von Russland und China mit sich bringt.

Doch warum eine Technologie auspacken, die eigentlich schon einmal gescheitert ist? BMW hatte in den 2000er-Jahren Jahren bereits einen groß angelegten Feldversuch mit dem Hydrogen 7 gestartet. Das Konzept setzte sich nicht durch. Doch vielleicht war es einfach nur die falsche Zeit.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Projekte für einen emissionsfreien H2-Verbrennungsmotor. Sei es die von Toyota angeführt japanische Allianz (HySE) bei der Rallye Dakar, oder Projekte im Langstreckensport auf der Rundestrecke. Bosch hat mit seiner Lösung in Kooperation mit Ligier die Automobilhersteller ebenso im Blick wie AVL Racetech mit seinem Vierzylindermotor.

Motorsport-Total.com sprach mit Bosch und AVL über die Herausforderungen des Wasserstoffverbrennungsmotors.

Diva Wasserstoff: Heiß und wild

Das simpelste aller Elemente hat eine äußerst kurze Zündschnur. Wasserstoff verbrennt schnell und wild, deutlich schneller als Benzin. Zwar ist durch die schnelle Verbrennung prinzipiell eine höhere Leistung möglich.

Lionel Martin, Vertriebsleiter der Bosch Engineering GmbH erklärt: “Es gibt keinen Brennstoff, der besser brennt. Man kann theoretisch bis zu einem Gemisch von 10:1 fahren. Wir sind effizienter als ein Benzinmotor und mindestens so effizient wie ein Dieselmotor.”

Doch das kommt mit einer Kehrseite daher, wie Paul Kapus, Leiter Entwicklung Ottomotoren bei AVL, erklärt: “Das Ganze hat zwei Seiten. Natürlich ist eine schnelle Verbrennung prinzipiell sehr gut, doch es gibt leider ein Aber dazu.”

insight: die herausforderungen beim wasserstoffverbrennungsmotor (1/3)

Paul Kapus

Paul Kapus hat mit AVL einen H2-Verbrenner mit Rekord-Literleistung entwickelt

Foto: AVL

“Das Aber heißt: Wasserstoff brennt viel näher an die Wand heran als Benzin. Die Zone, wo die Flamme am Brennraumrand verlöscht, ist bei Wasserstoff also viel, viel dünner.”

Verbrennungsmotoren nutzen nie den kompletten Brennraum aus. Je nach Kraftstoff verbleibt eine dünne Schicht, in der die Flamme verlöscht. Bei Wasserstoff ist diese Schicht mit rund 0,5 – 1 Millimetern um ungefähr den Faktor drei dünner als bei Benzin.

“Das führt dazu, dass die Wandwärmeübergänge deutlich höher sind als bei Benzin und damit auch die Wandwärmeverluste. Und das führt auch dazu, dass Bauteile, die warm werden, noch viel heißer werden als bei Benzin.”

Vorentflammung als Gefahr

Das zweite Problem ist die hohe Zündwilligkeit von Wasserstoff. “Das Hauptthema bei den Wasserstoffmotoren ist Pre-Ignition [Vorentflammung]”, so Kapus. “Wasserstoff hat sehr weite Zündgrenzen und benötigt nur eine sehr niedrige Zündenergie. Das geht an jedem heißen Bauteil hoch!”

Genau darin liegt auch ein Grund für die bisher mageren Literleistungen von Wasserstoffmotoren. Es musste sehr vorsichtig vorgegangen werden, damit sich der Wasserstoff nicht versehentlich an heißen Bauteilen wie der Zündkerze entzündet – oder an weiteren Teilen, die in den Brennraum ragen.

“Und dann muss man sich auch mit Themen wie Zündsystemen beschäftigen”, so Kapus weiter. “Man braucht restladungsfreie Zündspulen, damit man keine ungewollten Zündungen an der Zündkerze bekommt. Und man muss sich intensiv auch mit der Zündkerze selbst beschäftigen. Praktisch alles, was käuflich zu erwerben ist, ist zu heiß. Wir haben einiges modifiziert.”

Vorentflammung ist nicht zu verwechseln mit Klopfen: “Tatsächlich hat Wasserstoff an sich sogar eine relativ gute Klopffestigkeit! Die Wärmefreisetzung beim Klopfen passiert nach dem Zündzeitpunkt, bei der Vorentflammung davor. Und Wasserstoff geht sehr gerne vor dem Zündzeitpunkt hoch.”

Das ist der Grund, warum ein sogenannter “Verbrennungsmoderator” bei Wasserstoff verwendet werden muss. Dieser Moderator ist bei Wasserstoff meistens Luft. Das bedeutet dann Magerbetrieb.

Bei stöchiometrischem Betrieb kann das Restgas (Abgasrückführung) oder Wasser sein (Wassereinspritzung). Dieser Verbrennungsmoderator führt zu einer etwas langsameren Verbrennung und zu deutlich niedrigeren Temperaturen.

Bei Magerbetrieb besteht das Problem des hohen Ladedruckbedarfes – oder man lebt wie in früheren Versuchen mit der niedrigen Literleistung. Bei stöchiometrischem Betrieb kann man deutlich höhere Literleistungen erzielen – die höchsten bei Verwendung von Wassereinspritzung.

Natürlich ist ein zusätzlicher Wassertank im Rennauto, wo es um Leichtbau geht, äußerst kontraproduktiv. Doch theoretisch ist eine Wiederverwendung möglich: “Bei Wasserstoff hat man den schönen Vorteil, dass man sich das Wasser aus dem Auspuff kondensieren könnte. Das ginge sich rechnerisch aus.” Es würde lediglich, wie beim Turbo, einen zwischengeschalteten Kühler beziehungsweise Kondensator in einem Teilstrang des Abgasrohres brauchen.

In Teil 2 befassen wir uns mit der niedrigen Dichte von Wasserstoff und den letzten Emissionen, an denen es noch zu arbeiten gilt.

Mit Bildmaterial von AVL.

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