Wirecard-Prozess: Gutachten sieht laut Richter keine psychische Erkrankung von Wirecard-Chefbuchhalter
Das Gericht hatte im Wirecard-Strafprozesses drei Gutachter beauftragt, um die Schuldfähigkeit des Angeklagten Stephan von Erffa zu prüfen. Demnach gibt es keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung.
Wirecards früherer Chefbuchhalter Stephan von Erffa ist nach Ansicht von Gutachtern voll schuldfähig. Zu dem Ergebnis kommen Psychiater, die von Erffa im Rahmen des Wirecard-Strafprozesses begutachtet haben. Dies teilte der Vorsitzende Richter Markus Födisch am 122. Verhandlungstag am Montag mit. Im Prozess geht es um einen milliardenschweren Betrug beim ehemaligen Dax-Konzern.
In einem vorläufigen psychologischen und psychiatrischen Gutachten werde von keiner Erkrankung ausgegangen, die relevant sein könnte, so Födisch. Damit gebe es bisher keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten.
Über das Ergebnis des Gutachtens hatte das Handelsblatt bereits Mitte März berichtet. Von Erffa will sich nach Handelsblatt-Informationen in Kürze erstmals im Prozess inhaltlich äußern. Zuvor hatten seine Verteidiger die Möglichkeiten einer Verständigung mit Gericht und Staatsanwaltschaft ausgelotet. Födisch hatte Ende März deutlich gemacht, dass von Erffa jetzt noch etwas mit einem Geständnis bewirken könne. Er solle aber nicht zu lange warten.
Prozess gegen Wirecard: Staatsanwaltschaft wirft drei Managern bandenmäßigen Betrug vor
Von Erffa muss sich zusammen mit dem Ex-Konzernchef Markus Braun und dem ehemaligen Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, seit Dezember 2022 vor dem Landgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Trio unter anderem bandenmäßigen Betrug vor. Von Erffa soll demnach als Chefbuchhalter unter anderem dafür gesorgt haben, dass gefälschte Zahlen in die Bilanzen gelangten.
Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, nachdem der damalige Dax-Konzern ein angebliches Milliardenvermögen auf Treuhandkonten nicht auffinden konnte. Das Geld sollte aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft stammen, das Wirecard vor allem in Asien für Kunden aus der Porno- und Glücksspielbranche betrieb. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass es dieses Geschäft nie gab.
Die drei vom Gericht beauftragten Gutachter sollen am Montag die Ergebnisse ihrer Gutachten vorstellen. Von Erffas Verteidigung hatte zu Beginn der Verhandlung einen Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt, weil die Sachverständigen sich auch auf private Details beziehen. Das Gericht lehnte den Antrag jedoch ab, weil das öffentliche Interesse überwiege.
Der Psychologe Maximilian Wertz, den das Gericht als ersten Gutachter hörte, sagte: „Es ergaben sich keine hinreichenden Hinweise auf eine Autismus-Spektrum-Störung.“ Zudem habe Erffa einen Intelligenzquotienten (IQ) von 110 und liege damit „im oberen Normbereich“.
Im Anschluss ging es unter anderem um von Erffas Biographie. Stephan Egilmar Hartmann Freiherr von Erffa, geboren 1974 in Kenia, entstammt einem alten Adelsgeschlecht aus Thüringen. Ende der 1970er Jahre zog die Familie nach Deutschland. Von Erffa sei ein guter Schüler gewesen, Auffälligkeiten seien aus der Zeit nicht bekannt, bemerkte der zweite Gutachter, Norbert Nedopil.
Auch aus dem anschließenden Werdegang wie etwa der Studentenzeit und der Karriere nach dem Einstieg bei Wirecard wusste der Gutachter nicht über Störungen bei von Erffa zu berichten. Beispielsweise habe er Berufs- und Privatleben miteinander verbinden können. Es seien keine Auffälligkeiten erkennbar, die als Beweis für eine Persönlichkeitsstörung stehen könnten, resümierte Nedopil.
Der Psychologe Maximilian Wertz berichtete, dass von Erffa ihm gegenüber bei Untersuchungen gesagt habe, im Auftrag des Vorstands Dokumente für die Wirtschaftsprüfer erstellt und dabei „ein Störgefühl“ empfunden zu haben. Dies sei der einzige Vorwurf, den sich der Angeklagte gefallen lassen müsse, so Wertz.
Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Wirtschaftsprüfer über die tatsächliche finanzielle Lage über Jahre getäuscht. Der Vorsitzende Richter Födisch nahm die Schilderungen des Psychologen mit einigem Interesse zur Kenntnis, denn von „Störgefühlen” bei der Erstellung von Dokumenten für die Prüfer hatte von Erffa bisher im Prozess nicht berichtet. Auf der Anklagebank schweigt er seit rund eineinhalb Jahren.