„Wir müssen die Probleme lösen, die die AfD für sich instrumentalisiert“
Helmut Kohls Enkel Johannes Volkmann will nächste Woche in den CDU-Bundesvorstand gewählt werden. Der 27-Jährige möchte das Bürgergeld in der jetzigen Form abschaffen und sieht die Migrationspolitik als Hebel, um den Zulauf zur AfD zu stoppen. In der Ära Merkel seien nicht nur hier Fehler gemacht worden.
Johannes Volkmann (CDU) Nicolai Franz/PRO
Johannes Volkmann kennt die Vergleiche mit einem Großvater Helmut Kohl, die Nachfragen zu seinen Erinnerungen. Nun will er raus aus dem Schatten des Kanzlers der Einheit. Seit Jahren macht der 27-Jährige Lokalpolitik, nun bewirbt er sich um ein hohes Parteiamt und will bei der nächsten Bundestagswahl in den Bundestag.
WELT: Herr Volkmann, Sie sind mit 14 Jahren in die Junge Union eingetreten, zum frühstmöglichen Zeitpunkt. Da war Ihr Großvater Helmut Kohl als Bundeskanzler längst abgewählt. Warum wollten Sie in die CDU?
Johannes Volkmann: Ich wollte unsere Grundschule im Ort vor der Schließung bewahren. Die CDU war seinerzeit die Partei, die sich engagiert für die Offenhaltung eingesetzt hat. So bin ich zur CDU gekommen, und hier fühle ich mich mit meinen Werten und Überzeugungen zuhause.
WELT: Überregional bekannt wurden Sie nicht durch die Politik, sondern durch einen TV-Auftritt bei Günther Jauch „Wer wird Millionär“ vor drei Jahren. Damals sagten Sie, Sie könnten sich nicht vorstellen, Berufspolitiker zu werden. Nun kandidieren Sie für einen Platz im CDU-Bundesvorstand. Was ist seither passiert?
Volkmann: Mein Amt als Kreistagsvorsitzender macht mir Spaß, und ich sehe, dass man mit Engagement etwas bewegen kann. Die aktuelle Bundesregierung tut zu wenig für die Chancen der jungen Generation. Nach einer Studie der EU-Kommission sind EU-weit nur in Bulgarien junge Menschen unzufriedener als in Deutschland. Das hat viel mit der derzeitigen Regierungspolitik zu tun, die außer Identitätspolitik nicht viel anzubieten hat. Ich will einen Beitrag dazu leisten, dass sich meine Generation wieder auf die Zukunft freuen kann.
WELT: Auf dem CDU-Parteitag kommende Woche in Berlin wollen Sie in den Bundesvorstand der Partei gewählt werden. Wer unterstützt Sie dabei?
Volkmann: Die Junge Union und mein Landesverband Hessen haben mich nominiert.
WELT: Sie sagen, nicht auf dem Ticket Ihres Großvaters Helmut Kohl nach oben kommen zu wollen, ohne „Enkel-Trick“. Aber glauben Sie wirklich, dass es ein anderer 27-jähriger Lokalpolitiker ohne Ihren Hintergrund auf Anhieb in den Bundesvorstand der CDU schaffen würde?
Volkmann: Ich bewerbe mich um einen Platz im Bundesvorstand, auch zusammen mit anderen sehr guten jungen Kandidaten. Es gab schon jüngere Mitglieder des Bundesvorstands. Die Delegierten wählen Personen, keine Verwandtschaftsverhältnisse.
WELT: Parteichef Friedrich Merz will das Bürgergeld der Ampel abschaffen, ist das richtig?
Volkmann: Wer arbeitet, muss am Ende des Monats spürbar mehr Geld auf dem Konto haben, als derjenige, der nicht arbeitet, obwohl er es könnte. Das Bürgergeld der Ampel setzt die falschen Anreize, deshalb sollte es in jetziger Form abgeschafft werden.
WELT: Ist es klug, die Grünen als Koalitionspartner auszuschießen?
Volkmann: Wir sollten auf programmatischer Grundlage sagen, mit wem eine Zusammenarbeit vorstellbar ist. Ich halte die Grünen mit Blick auf die Migrationspolitik im Moment nicht für regierungsfähig.
WELT: Wie geht man mit der AfD um?
Volkmann: Wir müssen die Probleme lösen, die die AfD aufgreift und für sich instrumentalisiert. Allen voran bedeutet das, die Migrationskrise zu überwinden. Ein Schutz durch Europa muss nicht ein Schutz in Europa sein. Nur, wer über einen gültigen Einreisetitel in die EU verfügt, sollte auch einreisen dürfen.
Gleichzeitig müssen wir die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass unsere Wirtschaft wieder Tritt fasst. Für die Zukunft des Industriestandorts Deutschlands sind Energiepreise von entscheidender Bedeutung. Deshalb brauchen wir eine europäische Energieunion unter Einbeziehung der Kernkraft, um das Energieangebot nachhaltig auszuweiten und preislich wettbewerbsfähig zu sein. Vor allem der Mittelstand braucht einen Belastungsstopp in der europäischen und deutschen Regulierung. Kommen wir da voran, verliert die AfD an Mobilisierungspotenzial.
WELT: Gehört der Islam zu Deutschland?
Volkmann: „Den Islam“ gibt es pauschal nicht, deshalb kann man diese Frage nur differenziert beantworten. Es gibt einen europäischen Islam, der zu Deutschland gehört, weil er auf einem gemeinsamen Wertefundament fußt. Dieser Islam wird von vielen deutschen Muslimen bereits heute gelebt, aber durch die Islamverbände kaum abgebildet. Ein positives Beispiel ist die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee von Seyran Ateş in Berlin. Islamverbände wie Ditib hingegen stehen unter dem Einfluss eines nicht-europäischen Staatsislams und sind ein Teil des Problems.
WELT: Das man wie löst?
Volkmann: Die deutsche Politik muss sie in die Verantwortung nehmen, wenn in ihrem Umfeld antiwestliches und antisemitisches Gedankengut verbreitet wird. Dazu kommt das Problem des Extremismus. Wer, wie jüngst in Hamburg, ein Kalifat und die Scharia fordert, sollte mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden, solche Islamisten passen nicht in unsere Gesellschaft. Es ist überfällig, islamistischen Influencern in den sozialen Medien die Reichweiten zu nehmen. Die politische Mitte darf gegenüber der Gefahr des Islamismus für das friedliche Zusammenleben in unserem Land nicht länger wehrlos sein.
WELT: Ihr Vater Walter Kohl hat vor einer Politiker-Karriere gewarnt. In seinem ersten Buch schreibt er vom Applaus, der abhängig mache. Von Macht, die den Mächtigen beherrsche. Hat Sie das nicht nachdenklich gemacht?
Volkmann: Meine Eltern unterstützen inzwischen meinen Weg. Wir haben ein sehr enges Verhältnis.
WELT: Ist es Vorteil oder Bürde, als Kohl-Enkel politisch aktiv zu sein?
Volkmann: Mein Großvater ist jetzt seit sieben Jahren tot. Was für mich weiterlebt, ist sein Bekenntnis zur europäischen Einigung, zum Westen und zu Frieden in Freiheit. Das sind Werte, die ich teile.
WELT: Was sehen Sie als seine größten Leistungen an?
Volkmann: Allen voran die deutsche Einheit und die Schaffung der EU. Diese Erfolge wurden nur möglich, weil er zu Beginn seiner Amtszeit beim Nato-Doppelbeschluss standhaft blieb. Helmut Schmidt und er haben eine entschiedene Antwort auf die sowjetische Bedrohung mit neuen Atomwaffen gegeben, gegen massiven Druck im Inland und aus Moskau. Sicheren Frieden konnte es für ihn nur aus einer Position eigener Stärke geben. Man kann daraus für heute lernen: kein Appeasement gegenüber Autokraten.
WELT: So wie das jetzt manche gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin tun wollen? Was halten Sie von der Forderung, den Konflikt zwischen Russland und Ukraine einzufrieren?
Volkmann: Gar nichts. Das wurde doch 2014 schon versucht nach der ersten russischen Invasion in der Ukraine. Unsere ausgestreckte Hand hat Putin nur ermuntert. Während der gezündelt hat, haben wir Nord Stream 2 gebaut …
WELT: … mit Billigung einer Kanzlerin von der CDU und von ihrer Partei.
Volkmann: In dem Punkt hat sich das deutsche Parteiensystem kollektiv geirrt. Diesen Fehler jetzt nochmal zu wiederholen, riskiert die künftige Sicherheit aller Nato-Länder, auch Deutschlands. Deswegen müssen wir der Ukraine alle nötigen militärischen Mittel zur Verfügung stellen, damit sie diesen Krieg gewinnt. Dazu gehört auch, die Produktionskapazität unserer Rüstungsindustrie so zu erweitern, dass wir konkurrenzfähig gegenüber Russland werden. Ich finde es peinlich, dass im vergangenen Jahr Nordkorea an Russland mehr Artilleriemunition geliefert hat als die gesamte Europäische Union an die Ukraine.
WELT: Damit liegen Sie ganz auf Kurs der CDU-Spitze um Friedrich Merz. Woher rührt die Sehnsucht vieler in der Partei, gerade führender Mitglieder, nach der alten CDU, der bürgerlich-konservativen Partei aus den Zeiten vor Merkel?
Volkmann: Es geht nicht um ein „früher war alles besser“. Wir müssen den Mut haben, Fehler der vergangenen Jahre zu korrigieren. In der Migrationspolitik, der Energiepolitik, der Rentenpolitik. Dabei sollte man nicht ausblenden, dass die Ära Angela Merkel auch für Stabilität stand. Deutschland war 16 Jahre Stabilitätsanker der EU und respektiert auf der Weltbühne. Die Ampel hat diese Reputation in kurzer Zeit kaputt gemacht.