Wem hat das TV-Duell mit Höcke genützt?: Diese Entdiabolisierung der AfD ist brandgefährlich
Der Thüringer AfD-Chef wirkte im Duell mit CDU-Mann Mario Voigt fahrig, wurde teils sogar entlarvt. Und doch dürfte seine Partei den Auftritt für ihren Wahlkampf zu nutzen wissen.
Björn Höcke (AfD, l.) und Mario Voigt (CDU), Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen, stehen beim TV-Duell bei Welt TV.
Soll man einem Rechtsradikalen wie Björn Höcke die große Bühne bieten? Einem Mann, den man – juristisch bestätigt – als Faschisten bezeichnen darf? Nach dem TV-Duell vom Donnerstagabend ist man nicht schlauer als vorher. Jedes Lager sieht sich bestätigt. Allein dass Björn Höcke heute früh in aller Munde ist, dass die halbe Republik über Gewinner und Verlierer diskutiert, ist ein Erfolg für die AfD.
Das gilt aber auch für Mario Voigt, den Thüringer CDU-Spitzenmann, der ja nicht ohne Grund eingewilligt hatte in dieses Duell. Der Kandidat, den vorher so gut wie niemand außerhalb der Polit-Blase kannte – das hat sich schlagartig, ja, schlagabtauschartig geändert. Insofern muss man sagen: Auch sein Kalkül ist durchaus aufgegangen.
Voigt hatte ganz klar zwei Ziele an diesem Abend. Erstens, sich selbst als Hauptkonkurrent von Björn Höcke inszenieren – und damit zeigen, wer nicht dabei ist: Bodo Ramelow, amtierender Ministerpräsident. Dass der für seine Linke genügend Stimmen bekommt, um weiterzuregieren, gilt als ausgeschlossen. Vor allem, weil SPD und Grüne, mit denen Ramelow eine Minderheitsregierung führt, froh sein können, wenn sie es überhaupt noch in den Landtag schaffen.
Also versucht Voigt, auch wenn er keine Koalitionspartner in Sicht hat, die „Vernünftigen“ hinter sich zu versammeln, mit der Botschaft: Wer die AfD verhindern will, muss CDU wählen. Diese Botschaft dürfte angekommen sein – und muss deswegen eigentlich allen demokratisch Denkenden gefallen.
Zweitens wollte Voigt eine klare Linie ziehen zwischen der konservativen, durchaus auch scharf nach rechts blinkenden, thüringischen CDU und der völkisch-nationalistischen AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.
Solche Duelle tragen dazu bei, die AfD weiter zu normalisieren. Die Bostchaft ist: Da sprechen zwei Politiker auf Augenhöhe miteinander.
Anke Myrrhe
Auch das ist Voigt in Teilen gelungen, auch wenn er sich dabei in schlechtester Friedrich-Merz-Manier durchaus einige Aussetzer geleistet hat. Etwa die Aussage, deutsche Kinder würden keinen Kitaplatz bekommen, weil die für Ausländer reserviert würden. Das ist populistischer Unsinn. Richtig ist, dass inzwischen alle Probleme haben, einen Kitaplatz zu bekommen, weil der Ausbau verschlampt wurde und niemand mehr Erzieher werden will, weil es so schlecht bezahlt wird.
Aber darum ging es im TV-Duell gar nicht. Denn man musste ja, wie es sich für eine ordentliche Landtagswahl gehört, über Europa, den EU-Austritt und die Gedenkkultur sprechen – was mit der Entstehungsgeschichte dieses Duells zusammenhing und nicht unbedingt zur Entzauberung Höckes beitrug.
Der bekam gerade am Anfang sehr viel Raum, auch Falschaussagen unwidersprochen zu äußern. Zum Beispiel, dass es Großbritannien nach dem Brexit heute viel besser gehe als vorher, oder dass Putin eigentlich Frieden wolle. Diese und andere Momente wird das Social-Media-Team der AfD jetzt für TikTok und Telegramm zusammenschneiden und tausendfach verbreiten.
Dabei ist es ganz egal, wie fahrig Höcke am Donnerstagabend in weiten Teilen war, wie gut die Moderatoren ihn teilweise entlarvt haben – das spielt in der Social-Media-Logik, die diese Partei wie keine andere beherrscht, leider keine Rolle.
Und in der linearen Logik trägt jedes dieser Duelle dazu bei, die AfD weiter zu normalisieren. Die Bostchaft ist: Da sprechen zwei Politiker auf Augenhöhe miteinander. Höcke hat sich ganz bewusst als der freundliche Nazi von nebenan inszeniert – der Vertrauenslehrer, der sich missverstanden fühlt, den man nicht ausreden lässt und der mit Remigration doch eigentlich nur meinte, deutsche Fachkräfte aus dem Ausland zurückzuholen. Der sich in die Enge gedrängt fühlt in einem Land, in dem man nichts mehr sagen kann – live in einem TV-Interview.
Das ist einerseits absurd und entlarvend. Aber dennoch hatte er eben auch ausreichend Gelegenheit, den Eindruck zu erwecken, dass seine Partei das ist, was sie im Namen trägt: eine Alternative.
Das allein, diese Entdiabolisierung, diese Normalisierung ist brandgefährlich – so gut sich alle Beteiligten gestern auch geschlagen haben.