Wahl im Tschad: Ein Kandidat, der Putin besucht
Der Ministerpräsident des Tschads, Succes Masra, bei einer Wahlkampkundgebung am 28. April in Moundou
Seit mehr als drei Jahrzehnten steht im Tschad der Name einer Dynastie auf den Wahlzetteln für die Präsidentenwahl. So lange hat Idriss Déby das zentralafrikanische Land bis zu seinem Tod vor drei Jahren regiert. Jetzt tritt sein Sohn, der vierzig Jahre alte Mahamat Idriss Déby, am kommenden Montag zur Wahl an.
Als Idriss Déby im April 2021 getötet wurde – nach damaligen Berichten war der Militärführer im Gefecht mit Rebellen gefallen – hatte sein Sohn dessen Nachfolge angetreten, die Verfassung außer Kraft gesetzt und eine neue Militärregierung für den Übergang gebildet. Damals hatte er versprochen, innerhalb von 18 Monaten Wahlen auszurichten, doch das Vorhaben zog sich hin. Gut drei Jahre später wird nun gewählt. Neun weitere Kandidaten bemühen sich um die Präsidentschaft. Trotzdem zweifelt kaum jemand daran, dass der Sieger abermals Déby heißen wird.
Die Wahl wird im Ausland dennoch aufmerksam verfolgt werden. Zum einen gehört der Tschad zu der schrumpfenden Zahl von Verbündeten Frankreichs in der Region, nachdem sich die Militärführer in anderen Sahel-Staaten und in der Zentralafrikanischen Republik von der ehemaligen Kolonialmacht abgewandt und Kontakte zu Russland geknüpft haben.
Bezeichnend ist die Teilnahme des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der Trauerfeier für den Langzeitpräsidenten gewesen, als er demonstrativ neben dessen Sohn in Militäruniform Platz nahm. Frankreich werde nicht zulassen, dass die „Stabilität und Integrität“ des Tschads gefährdet sei, während sich das Land zu einer Demokratie entwickle, sagte Macron.
Mehr als eine Million Flüchtlinge aus Sudan
Zum anderen ist der Tschad eines der Hauptaufnahmeländer von Flüchtlingen aus dem Sudan, seitdem dort zwei rivalisierende Militärführer gegeneinander Krieg führen. Mehr als 750.000 Menschen sind seitdem in den Osten des bitterarmen Nachbarlands geflohen, hinzu kommen 400.000 Menschen, die während der Darfur-Krise vor zwanzig Jahren geflohen sind.
Die Sorge unter westlichen Regierungen ist zudem groß, dass weitere Unruhen und Chaos im Tschad den Kampf gegen islamistische Terroristen im Sahel behindern. Der Wüstenstaat mit 17 Millionen Einwohnern liegt im „Human Development Index“ der Vereinten Nationen auf Rang 189 unter 193 Staaten und ist umgeben von Konfliktherden wie Libyen, Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und der Tschadsee-Region.
Déby hat die Übergangszeit offenkundig genutzt, um sich eine Machtbasis zu schaffen und die Opposition aus dem Weg zu räumen. An dem Tag, an dem er den Termin der Wahl und seine Kandidatur bekannt gab, wurde der prominente Oppositionspolitiker Yaya Dillo, mit dem Déby verwandt ist, in einem Gefecht zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern seiner Partei getötet.
Die staatlichen Sicherheitskräfte hatten Dillo beschuldigt, einen Angriff auf das Hauptquartier des Büros für die Innere Sicherheit geplant zu haben. Er wies die Vorwürfe zurück. Später beteuerte Déby, sein Cousin sei nicht vorsätzlich ermordet worden. Dillo war schon ein Rivale seines Vaters gewesen, gegen den er zur Präsidentenwahl 2021 antreten wollte. Doch er flüchtete damals ins Ausland, nachdem Sicherheitskräfte versucht hatten, ihn in seinem Haus festzunehmen. Seine Mutter, sein Sohn und fünf weitere Personen wurden bei dem Anschlag getötet.
Der einzige nennenswerte Konkurrent in dieser Wahl ist nun Succés Masra, der Ministerpräsident. Er hatte im Oktober 2022 zunächst Proteste gegen die Verschiebung der Wahl angeführt, bei denen etwa 100 Teilnehmer von Sicherheitskräften erschossen und Hunderte später in Schauprozessen verurteilt wurden. Doch in diesem Jahr schloss sich Masra, der genauso alt ist wie Déby, der Regierung an. In den Augen einiger Anhänger hat er dadurch an Glaubwürdigkeit verloren, sie werfen ihm vor, sich „kaufen zu lassen“.
Zugleich hat er als Regierungschef Einfluss auf den Ablauf der Wahl und sieht womöglich die Chance, seinen Ruf wiederherzustellen. Vor allem unter jungen Wähler kommt er an, weil sie auf ein besseres Leben hoffen, wenn die bisherige Präsidentenfamilie abdankt. Für die meisten sind Wahlen und das politische Machtgerangel der Eliten jedoch weit entfernt von ihren täglichen Sorgen um das Überleben.
Dass Déby die Macht kampflos abgibt, gilt als höchst unwahrscheinlich. Die Armee und wichtige Institutionen werden von einem kleinen Zirkel rund um den Präsidenten kontrolliert. „Gewalt ist eines der grundlegenden Elemente der lokalen Regierungsführung im Tschad“, heißt es in einem Bericht des amerikanischen Instituts ACLED. Von Anfang 2022 bis März dieses Jahres zählte das Institut knapp 270 politische Gewalttaten, in denen mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen. Seit der Ermordung des ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit im Jahr 1975 hat es im Tschad keinen friedlichen Machtwechsel gegeben.
Ob sich der junge Déby als zuverlässiger Verbündeter westlicher Regierungen entpuppt, ist derweil nicht garantiert. Seit der Machtübernahme bemüht er sich auch um gute Beziehungen mit den Golfstaaten, China und der Türkei. Im Januar war er in Moskau, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Unlängst forderte er den Abzug von etwa 100 amerikanischen Soldaten, die sich für den Anti-Terror-Kampf gegen Islamisten in der Region im Tschad befinden, ähnlich wie vorher die neuen Machthaber in Niger.