Sternehotels ohne Rezeption
Schön hier: Rezeption im Foyer des Hotel de Rome in Berlin-Mitte
Wer ein Vier-Sterne-Hotel besucht, kann folgende Annehmlichkeiten erwarten: einen Gästelift (bei mehr als drei Stockwerken), eine Lobby mit Sitzgelegenheiten und Getränkeservice, zusätzlichen Bettwäschewechsel (auf Wunsch) und eine Auswahl unterschiedlicher Typen von Kopfkissen.
Mit einem rund um die Uhr besetzten Empfangstresen können Vier-Sterne-Gäste ab 2025 hingegen nicht mehr rechnen. Das geht aus dem neuen Anforderungskatalog für Sternehotels hervor, den die „Hotelstars Union“, ein Zusammenschluss von 21 europäischen Branchenverbänden, in der vergangenen Woche veröffentlicht hat. Die Verbände bestimmen, welche Kriterien ein Sternehotel erfüllen muss und welche nicht. Alle fünf bis sechs Jahre wird der Katalog überprüft und angepasst. In der neuen Version wurde er gestrafft, statt wie bisher 247 gibt es nur noch 239 Kriterien. So muss der Umwelt zuliebe zukünftig nicht mehr täglich die Bettwäsche gewechselt werden, außer der Gast wünscht sich das explizit. Und auch das von so manchem Gast belächelte Näh- und Schuhputzset gibt es nur noch auf Nachfrage.
Die wohl bedeutsamste Änderung betrifft aber den Bereich, den Hotelgäste als ersten betreten, den Empfang. Denn ab nächstem Jahr müssen die Rezeptionen nur noch in Fünf-Sterne-Hotels durchgehend besetzt werden. In Vier-Sterne-Hotels muss nur noch 14 Stunden statt wie bisher 16 Stunden am Tag ein Mitarbeiter an der Rezeption sitzen. Drei-Sterne-Hotels müssen ihren Empfang nur noch zehn Stunden mit einem Mitarbeiter besetzen. Wer den Check-In und Check-Out auch online anbietet, kann diese Zeit sogar noch mal um zwei Stunden reduzieren. Ein- und Zwei-Sterne-Hotels können sogar ganz auf einen Empfangstresen verzichten und stattdessen auf Check-In und Check-Out in Selbstbedienung setzen. Jedoch muss auch hier mindestens eine Person telefonisch oder online erreichbar sein.
Sinkende Servicekultur?
Über üble Auswüchse einer schwindenden Servicekultur mag sich der ein oder andere Hotelgast entrüsten. Doch mit der neuen Regelung reagiert die Branche auf ein großes Problem: Die Hotels finden keine Mitarbeiter mehr. Oder wie es Markus Luthe vom deutschen Branchenverband Dehoga ausdrückt: Die neuen Rezeptionszeiten seien an die „betriebliche Realität in Zeiten des Fachkräftemangels angepasst“ worden.
Der Fachkräftemangel ist, wenig überraschend, auch in der Hotelbranche längst harte Realität. Mehr als 27.500 offene Stellen gab es der Bundesagentur für Arbeit zufolge im März in der deutschen Gastronomie- und Hotelbranche. „Wir gehen allerdings davon aus, dass der tatsächliche Bedarf deutlich höher ist, da viele Betriebe ihre freien Arbeitsplätze nicht mehr bei den Arbeitsagenturen melden“, sagt Luthe. Dass davon aber auch Sternehotels betroffen sein sollen, mag den einen oder anderen Besucher von Luxusherbergen überraschen. So geordnet erscheint der Betrieb vor allem in gehobenen Hotels, wo der Page einen immer mit einem Lächeln begrüßt. „Der Mitarbeitermangel ist eine der größten Herausforderungen in der Hotellerie. Das betrifft selbstverständlich auch die Sternehotels“, hält Dehoga-Vertreter Luthe dagegen. Auch der F.A.S. erzählen mehrere Sterne-Hoteliers, dass es für sie schwierig geworden ist, Personal zu finden.
Begonnen hat die Misere den Berichten zufolge während der Corona-Pandemie. Viele frühere Hotelmitarbeiter haben in der Lockdown-Zeit neue Jobs angenommen. Sie fehlen nun in den Hotelbetrieben.
Bei all den schlechten Nachrichten habe das Ganze doch etwas Gutes, findet Caroline von Kretschmann, die eines der bekanntesten Fünf-Sterne-Hotels in Deutschland leitet, den Europäischen Hof in Heidelberg. „Die Anpassung der Anforderungen an Vier-Sterne-Hotels, die Rezeption nicht mehr rund um die Uhr besetzen zu müssen, ist ein gutes Beispiel für eine pragmatische und zeitgemäße Reaktion auf die Herausforderung des Fachkräftemangels“, sagt sie. Der Europäische Hof ist zwar nicht von der Neuregelung betroffen. Kretschmann begrüßt es gleichwohl, auf den technologischen und digitalen Wandel zu setzen.
Auch Anja Fenneberg vom Vier-Sterne-Hotel Kaiserhof in Münster findet die neue Regelung gut. Sie sei „leider zeitgemäß“, sagt die Hotelmanagerin. Eine Krux gibt es dann aber für sie: Viele Gäste würden bei einem gehobenen Hotel eben doch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erwarten, Fachkräftemangel hin oder her.
Dieser Anspruch zeigt sich auch immer wieder in den Online-Bewertungsportalen, die neben der Sterne-Anzahl eine wichtige Informationsquelle für Hotelgäste geworden sind. Sogar einem Drei-Sterne-Hotel warf kürzlich bei Google ein Besucher vor, dass die Rezeption „nicht mit angemessenem Personal besetzt“ gewesen sei.