Staatsmann oder nicht: Die großen und kleinen Qualitäten von Söder
Markus Söder beim CSU-Parteitag im April 2024.
Es mangelt nicht an Zusicherungen des CDU- und des CSU-Vorsitzenden, dass die Zusammenarbeit der Schwesterparteien bestens sei. Im Vergleich zu den Zeiten von Angela Merkel und Horst Seehofer stimmt das sicher. Trotzdem ist nicht alles tutti.
Das zeigte zuletzt die Sache mit dem Ei. Markus Söder hatte auf Social Media ein großformatiges Osterei mit seinem Konterfei verlost. Daraufhin brachte Friedrich Merz zu einem Treffen der Jungen Union (JU) in Berlin, zu dem Söder wegen einer Terminüberschneidung nicht kommen konnte, ein Imitat von Söders Osterei mit, zum Amüsement des Auditoriums, aber nicht des CSU-Chefs. Der telefonierte danach aufgeregt herum, ob Merz ihn habe durch den Kakao ziehen wollen und wie das in Berlin angekommen sei.
JU-Leute aus der CSU haben dort das Söder-Ei-Imitat an sich gerissen. Weil sich unter den CDUlern keiner fand, dafür Lösegeld zu zahlen, überbrachten sie es Söder in München. Auch das fand der nicht lustig. Sein Konter kam vergangene Woche: noch ein Riesen-Söder-Ei für Merz. Dieser sei, so Söder via Instagram, „ein wahnsinniger Fan davon“. Alles humorig verpackt, aber doch mit der Botschaft: Wenn hier einer die Eier herausholt, dann ich, denn meine sind immer noch die größten.
Söder baut vor, falls Weber gewinnt
Das wurde zuletzt auch Manfred Weber klargemacht, immerhin CSU-Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl. Auf einem CSU-Parteitag sagte Söder mit Bezug auf die angestrebten Parlamentssitze: „Sieben plus x, das wäre ein gutes Ergebnis.“ Aus der CSU-Spitze heißt es, das sei als Motivation gemeint gewesen. In Webers Umfeld hingegen sieht man es eher als ein Vorbauen für den Fall, dass die CSU vielleicht nur, wie bisher, auf sechs Sitze kommt, aber in Prozenten auf 40 plus. Dann könnte sich das Narrativ festsetzen, dass die besten CSU-Ergebnisse von Weber geholt werden. Söder käme das sehr ungelegen. Er könnte Weber freilich entgegenhalten: Es wäre mehr drin gewesen.
Offenbar ist es Söder wichtig, dass man ihn nach wie vor als heißeste Aktie in der Union handelt. Das ist bei ihm eine Frage des Selbstverständnisses. Hofft er noch auf die Kanzlerkandidatur? Er dürfte sie noch nicht ganz abgeschrieben haben. Aber er weiß auch, dass die Aussichten darauf gering sind. Das liegt zum einen daran, dass sich viele in der CDU mit Merz ganz wohlfühlen, selbst Daniel Günther, der einst in der CSU als „Genosse Günther“ verspottet wurde. Zum anderen sind in der CDU die Zweifel an Söder, genährt durch sein obstruktives Verhalten im Bundestagswahlkampf, nicht kleiner geworden.
Söder weiß, was einen großen Staatsmann ausmacht, zumindest theoretisch. Bei einem Festakt der Hanns-Seidel-Stiftung aus Anlass des 85. Geburtstags von Theo Waigel hat er nicht nur auf die Unterscheidung von potestas, der Amtsmacht, und auctoritas, der Macht durch Aura und Argument, aufmerksam gemacht. Sondern auch gesagt, das Allerwichtigste für einen Politiker sei „Zeitlosigkeit“.
Staatsbesuch oder Parteisache?
Manchmal hält er sich selbst an solche Ansagen, öfter mal nicht. Um seinem innerparteilichen Konkurrenten Weber eins hineinzuwürgen, hat Söder 2022 dessen Versuche torpediert, die – sicher nicht über jeden Zweifel erhabene – italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni dialogisch einzubinden. Kommende Woche nun fliegt Söder selbst zu ihr nach Rom. Begründung: Das sei ein Staatsbesuch – und keine Parteisache wie seinerzeit bei Weber. Doch Söder glaubt selbst nicht an diese strikte Unterscheidung. Das sieht man schon daran, dass er zunächst Alexander Dobrindt, eher Partei- als Staatsmann, zu Meloni mitnehmen wollte. Als dann kritische Nachfragen zur Reise kamen, nahm er wieder Abstand davon.
Söder hat große Qualitäten, um die ihn auch in der CDU viele beneiden: seine Tempohärte. Sein Unterhaltungstalent. Seine körperlichen und geistigen Kapazitäten, die es ihm erlauben, neben allem anderen auch noch die Eier-Causa zur Chefsache zu machen. Mit so einem können wir in die Schlacht ziehen, glaubten 2021 viele, auch in der CDU. Zuletzt fragten sich manche, wie Söder die AfD oder den Russen besiegen will, wenn er sich schon von einem Osterei aus der Balance bringen lässt. Davon abgesehen: Sind die Zeiten nicht zu ernst für so einen Schmarrn?
Söder hat es weit gebracht mit seinem Credo, dass der Beste sich am Ende durchsetze, und falls nicht: dass es dann noch nicht das Ende sei. Aber gerade wenn, wie bei ihm, der Erfolg auch nicht alles überwältigend ist und die Ausgangslage als CSU-Mann per se eher ungünstig, entscheiden über eine weitere Beförderung nicht nur große Eier, sondern: auctoritas. Ein bisschen Veritas. Vertrauen und Glaubwürdigkeit, auf die Weber nicht ohne Hintergedanken seine Kampagne aufbaut. Nicht zuletzt: echte Freunde, die es, wie Waigel beim Festakt sagte, auch in der Politik gibt.