«Remember 1989» – Lausanne gegen die ZSC Lions wie einst der SCB gegen Lugano
Heute Abend erwartet uns ein Spektakel – die ZSC Lions und Lausanne spielen in der entscheidenden Partie um den Titel.
Ein Team dominiert die Qualifikation und stürmt ohne Niederlage in den Final und verliert völlig überraschend gegen einen leidenschaftlichen Aussenseiter: Das hatten wir schon einmal. Interessante Parallelen zum Frühjahr 1989.
Lugano hat 1989 die Qualifikation gewonnen und in den Playoffs bis in den Final kein Spiel verloren. Lugano ist 1989 das Mass aller taktischen und spielerischen und finanziellen Dinge in unserem Hockey. Wie die ZSC Lions 2024. Der SCB beendet die Qualifikation 1989 auf Rang drei. Wie Lausanne 2024.
Lugano ist 1989 im Final himmelhoher Favorit. Wie die ZSC Lions 2024. Der SCB ist sozusagen «aus Ruinen auferstanden»: Noch zwei Jahre vorher von heftigen internen Querelen erschüttert und der Pleite knapp entronnen. 1988 auf Rang 7 in der damals zehn Teams umfassenden Liga nicht in den Playoffs (nur die Ränge 1 – 4 sind 1988 qualifiziert). Wie Lausanne 2024, das in den letzten Jahren von heftigen Turbulenzen neben dem Eis erschüttert worden ist und in der vergangenen Saison die Playoffs auf Rang 11 unter 14 Teams ebenfalls verpasst hat.
Nach der letzten Saison hätte man in Lausanne von einem Finaleinzug wohl nicht einmal zu träumen gewagt.
Der SCB wird 1989 vom Stoiker Bill Gilligan gecoacht. Der Stoiker zeigt auch im Hockey die Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit, Mässigung sowie innere und äussere Ruhe. Geoff Ward ist 2024 Lausannes Antwort auf Bill Gilligan.
Der SCB hat 1989 mit Renato Tosio einen Torhüter mit der Nummer 31, der zum ersten Mal im Final steht. Wie Lausanne 2024 mit Connor Hughes. Auch er hat die Nummer 31 und steht erstmals im Final.
Es sind verblüffende Parallelen. Der Final 1989 geht über maximal 5 Spiele (Best-of-Five). Der SCB gewinnt die alles entscheidende 5. Partie in Lugano 4:2. Obwohl Lugano von der ersten bis zur letzten Minute drückend überlegen spielt. 1989 gibt es noch keine offizielle Torschuss-Statistik. Gefühlt hat Lugano mit 45:15 Torschüssen dominiert.
Eigentlich müsste Lugano deutlich gewinnen, doch der SCB schafft das Wunder – auch dank Goalie Renato Tosio.
Der SCB setzt 1989 auf Härte, um den Favoriten zu destabilisieren. SCB-Kanadier Alan Haworth gilt als härtester Spieler der Liga und übernimmt eine ähnliche Rolle wie Michael Raffl 2024 bei Lausanne. Im Final kassieren Bob Martin, Peter Bärtschi (beide je zweimal) und Pietro Cunti Fünfminuten-Ausschlüsse. Auch Lausanne setzt 2024 hin und wieder auf rumpelnde Härte.
Lausanne 2024 also wie der SCB 1989? Die Parallelen sind tatsächlich – je nach Sichtweise – beunruhigend oder beflügelnd. Die Zeiten und das Hockey sind 1989 zwar anders als heute. Als der SCB 1989 seinen Titel feiert, steht die Mauer in Berlin noch. Und doch: Die DNA der Berner von 1989 ist eine ähnliche wie jene von Lausanne 2024. Mit Captain Martin Rauch hat der SCB sogar einen ähnlichen «Schauspieler» wie Lausanne mit dem Schwalbenmacher Andrea Glauser.
Unser Kommentar vor Spiel 7:
Martin Rauch ist ein Pausenmacher: 1989 gibt es noch kein Timeout und keine Powerbreaks. Wenn die Berner eine Verschnaufpause brauchen, schickt Trainer Bill Gilligan in der Regel Martin Rauch zum Head-Schiedsrichter, um irgendetwas zu fragen. Der damalige Spitzenschiedsrichter Reto Bertolotti erinnert sich: «Martin Rauch kam einmal zu mir und sagte: Reto, der Coach schickt mich, um Dich etwas zu fragen. Aber ich weiss gar nicht, was ich fragen soll …» Vize-Verteidigungsminister neben Martin Rauch ist im SCB-Meisterteam von 1989 Sven Leuenberger, aktuell Sportchef der ZSC Lions. Als Präsident führt Fred Bommes den SCB mit harter Hand. Er ist der Vater des heutigen SCB-Präsidenten Carlo Bommes. Bommes junior überlässt die SCB-Führung Marc Lüthi.
Auch wenn es andere Zeiten sind: Der Final von 2024 mahnt an den Final von 1989: Himmelhoher Favorit gegen einen Aussenseiter, dessen Substanz wegen weitgehender Erfolgslosigkeit im Vorjahr unterschätzt wird. Der Favorit des Hockey-Verstandes verliert am Ende gegen den Favoriten des Herzens und der Emotionen.
So feierte man den Meistertitel anno 1989 – gross anders dürfte das auch heute Abend nicht aussehen.
Tröstlich für die ZSC Lions bei diesem Rückblick: Ein Jahr später gewinnt Lugano die Qualifikation erneut und setzt sich im Final gegen den SCB durch (3:1). Tröstlich auch für Marc Crawford: Lugano hat Trainer John Slettvoll damals trotz der Finalniederlage nicht gefeuert.
Es heisst, die Geschichte wiederhole sich nicht. Wenn sich die Geschichte doch wiederholt, werden die ZSC Lions 2025 Meister. Wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, dann werden sie 2024 Meister.
P.S. Der SC Bern ist 2024 zwar schon im Viertelfinal gegen Zug ausgeschieden. Trotzdem sorgt der Final auch im Bernbiet für Emotionen Auf der Lueg ist eine ZSC-Fahne aufgezogen worden. Die Lueg ist ein fast 900 Meter hoher Hügel im Herzen der Schweiz am Übergang vom Oberaargau ins Emmental. Hier sind einst im Kriegsfall Alarmfeuer angezündet worden. Ein empörter SCB-Fan hat den Besitzer vergeblich aufgefordert, diese Fahne sofort herunterzunehmen.
Die Fahne auf der Lueg.
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