Meloni gegen Salvini: Die Europawahl spaltet Italiens Regierung
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bemüht sich um gute Beziehungen zu den europäischen Partnern. Doch ihr Stellvertreter wettert gegen die EU − und sucht die Nähe zu Russland.
Da waren sie noch geeint: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr Stellvertreter Matteo Salvini bei einer Sitzung des Oberhauses des Parlaments vor einer Vertrauensabstimmung für die neue Regierung in Rom, Italien, 26. Oktober 2022.
In Italien liegen die letzten nationalen Wahlen nicht lange zurück: Erst im Herbst 2022 erhielten die rechten Parteien eine solide Mehrheit der Stimmen. Doch über anderes wird kaum diskutiert, trotz der vielen Themen auf der europäischen Agenda.
Dazu gehören zum Beispiel die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die die rechte Regierungskoalition und die Mitte-Links-Opposition auch innerparteilich spalten. Oder die Probleme im Agrarsektor, die bereits so viel politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, dass die Proteste der Beschäftigten ein Ende fanden.
Stattdessen spricht man eingehend über die Kandidaturen von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Elly Schlein, der Vorsitzenden der Demokratischen Partei (PD), um deren jeweilige Liste zu stärken. Auch neue Bündnisse und die Überarbeitung der bereits bestehenden stehen im Raum. Kurz gesagt – nur taktische Fragen sind im Gespräch.
Europawahl für Italiens Rechte nur Stimmungsbarometer
Diese Haltung der Parteien resultiert einerseits aus dem für die italienische Politik typischen Antagonismus und andererseits aus der Tatsache, dass die Europawahl auf mehrere wichtige Regionalwahlen folgt und somit ein konstantes Wahlkampfklima herrscht.
Italien ist zwar kein Föderalstaat, doch die Regionen besitzen ein erhebliches politisches und institutionelles Gewicht, da sie auch über legislative Gewalt verfügen. Nicht zufällig wirken sich die Regionalwahlen immer auch auf nationaler Ebene aus, ähnlich der Zwischenwahlen in den USA, und eignen sich daher zur Einschätzung der aktuellen Zustimmungsrate der Nationalregierung.
So waren auch die Wahlen in Sardinien vom 25. Februar und vom 10. März in den Abruzzen, bei denen die Mitte-Links-Partei und die Rechtspartei gewannen, eine Art Stimmungsbarometer.
Die Europawahlen im Juni erfolgen per Verhältniswahl. Dabei konkurrieren tendenziell alle Parteien miteinander, egal ob sie Gegner oder Verbündete sind. Dies gilt insbesondere für die Rechtskoalition aus Forza Italia (FI), Lega und Fratelli d’Italia (FdI). Trotz der vermeintlichen Übereinstimmung bröckelte das Verhältnis von FdI und Lega aufgrund einer Rivalität, die von der Konsens- und Führungskrise der Lega und der gleichzeitig wachsenden Wahlstärke der FdI angeheizt wurde.
Bröckelndes Verhältnis innerhalb der Rechtskoalition
Ein farbenfroher Artikel von „La Repubblica“ fasste im März dieses Jahres die Beziehung zwischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) und ihrem Stellvertreter Matteo Salvini (Lega) folgendermaßen zusammen: „Sie trifft von der Leyen in Rom, während er im Fernsehen tönt, Ursula sei ‚der Ruin Europas‘. Sie fliegt wie eine brave Enkelin nach Washington, um sich von Opa Biden auf die Stirn küssen zu lassen, während er, der geborene Zerstörer, Trump zu seinem Triumph am Super Tuesday gratuliert.“
Offensichtlich verfolgen die beiden Verbündeten seit Langem sehr unterschiedliche Strategien, sowohl im eigenen Land als auch in Europa.
Unterschiedliche internationale Strategien
In Italien vertritt Meloni weiterhin nationalistische, rechte Positionen, doch auf europäischer und internationaler Ebene tritt sie nun gemäßigter auf und passt sich an die Sprache der Institutionen an. Dieser Gesinnungswandel zeigt sich besonders deutlich in dem Kontrast zwischen ihrer westlich-atlantischen Haltung zum Krieg in der Ukraine und der – Beobachtern zufolge – noch immer russland- und putinfreundlichen Position Salvinis. Lega und FdI gehen also auch mit ihrer internationalen Ausrichtung verschiedene Wege.
Meloni pflegt die Beziehung zur gerade von der Europäischen Volkspartei (EVP) wiedergewählten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in der Hoffnung auf mehr Einfluss oder zumindest mehr Legitimität in der EU. Und gleichzeitig bewahrt sie in Italien das postfaschistische Erbe.
Die Lega hingegen steht in Kontakt mit der rechtsradikalen Fraktion „Identität und Demokratie“, zu der unter anderem der französische Rassemblement National und die Alternative für Deutschland gehören – beides Parteien, gegen die von der Leyen bereits in ihrer Bewerbungsrede der EVP-Nominierung wetterte.
Eine ähnliche Uneinigkeit besteht im Mitte-Links-Lager: Der Demokratischen Partei und der 5-Sterne-Bewegung (M5S) gelingt es nicht, die Bedingungen für ein stabiles Bündnis zu schaffen – abgesehen von gemeinsamen Wahlplakaten.
Dies liegt zum einen an den verschiedenen Grundideen der Parteien, den liberal-demokratischen Überzeugungen der PD und der populistischen Prägung der M5S. Zum anderen differieren die Wählerschaften: M5S erhält Stimmen aus dem rechten Lager und zieht in puncto US-Politik den Republikaner Donald Trump dem demokratischen Joe Biden vor.
Vor diesem Hintergrund gehen viele Beobachter davon aus, dass sich die Polemik noch weiter verschärfen wird, auch – oder besonders – unter den Verbündeten.