Märkte Insight: Die drei Ebenen des KI-Hypes
Bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten von Nvidia, Meta und Co. kann ein Vergleich mit dem Straßenbau helfen, meint Frank Wiebe.
Die vergangene Woche hat es gezeigt: Bei den Quartalsberichten der großen US-Tech-Konzerne dominiert das Boomthema Künstliche Intelligenz (KI). Dabei zeigt sich, dass es darauf ankommt, stärker als bisher zwischen den verschiedenen Ebenen zu differenzieren, auf denen KI diskutiert wird. Dabei kann ein Vergleich mit klassischen Infrastrukturprojekten helfen. Da gibt es Unternehmen, die die Infrastruktur schaffen, solche, die sie betreiben, und wieder andere, die sie nutzen. Drei Ebenen sind also in erster Linie entscheidend.
Ein simples Beispiel ist der Bau einer privat finanzierten Straße. Baukonzerne sind für die Schaffung der Straße verantwortlich. Sie verdienen ihr Geld in der ersten Phase. Ist die Straße fertig, müssen sie sich einen neuen Auftrag suchen. Der Vorteil für sie: Sie haben ihren Gewinn schon gemacht, unabhängig davon, ob sich die Straße später tatsächlich rentiert. Das heißt umgekehrt aber auch: Ein Boom im Infrastrukturbereich lässt nur mit Vorsicht Rückschlüsse auf den späteren Erfolg der Straße zu. Und zurzeit befinden wir uns beim Thema KI noch weitgehend in diesem Stadium.
Dann gibt es eine Betreibergesellschaft. Die muss zunächst einmal viel Geld investieren und es sich später durch Mautgebühren zurückholen. Die dritte Ebene bilden die Nutzer der Straße. Sie müssen bezahlen, können auf der Straße zum Beispiel ihre Lkws fahren lassen.
Übertragen auf KI heißt das: Nvidia, der große Börsenstar, liefert die Infrastruktur. Insofern ist es kein Wunder, dass gerade dort das Geld jetzt in Strömen fließt. Aber könnte es sein, dass damit Schluss ist, wenn genug Infrastruktur vorhanden ist? Hin und wieder sind dazu, wenn auch nur leise, skeptische Stimmen zu hören. Jedenfalls könnte sich das rasante Wachstum verlangsamen, wenn es schon genug mit den Spezialchips von Nvidia ausgerüstete Kapazität für das Training von KI-Programmen gibt. Außerdem kann es natürlich passieren, dass ein großer Konkurrent für Nvidia entsteht; der würde möglicherweise aber schon zu spät kommen.
Die Betreiber der KI sind Firmen wie Meta (Facebook) und Alphabet (Google), die damit zum Beispiel eine präzisere Ansprache von Werbekunden erreichen. Und die Straßennutzer sind die werbetreibenden Firmen.
In der vergangenen Woche hat Meta Investitionen von 40 Milliarden Dollar in das Thema KI angekündigt. Das hat nicht nur den Kurs abrutschen lassen, sondern auch andere Aktien von Tech-Firmen. Zwar haben sich die Titel danach wieder auf Erholungskurs begeben. Trotzdem beinhaltet der Meta-Schock eine wichtige Botschaft: KI mag noch so genial sein, aber zunächst einmal kostet sie sehr viel Geld. Anders gesagt: Was bei Nvidia als Gewinn erscheint, wird bei Firmen wie Meta in Form von hohen Kosten spürbar.
Die Frage, ob diese Kosten durch spätere Gewinne gerechtfertigt werden, ist weitgehend offen. Man kann auch noch einen Schritt weitergehen: Erst wenn die Endnutzer von KI handfeste und sehr große kommerzielle Gewinne erzielen, wird sichtbar, ob KI eine Blase ist oder nicht.
Den Hype vermeiden
Damit soll das Thema nicht kleingeredet werden. KI bietet schon jetzt viele faszinierende Anwendungen. Die reichen von der Produktion von Texten und sogar Filmen über Programmierung, medizinische Diagnosen und die Entwicklung von Medikamenten bis hin zu Versuchen, Aktiendepots per KI zu steuern. Wie sich die drei beschriebenen Ebenen zueinander verhalten und wo am Ende der Erfolg liegt, kann je nach Branche sehr unterschiedlich aussehen.
Aus Investorensicht kommt es darauf an festzustellen, wo genau ein Unternehmen in der Kette vom Aufbau der Infrastruktur bis zur Endnutzung steht. Nur ein präziser Blick auf diese Unterschiede kann helfen, zwei Fehler zu vermeiden: auf einen übertriebenen Hype aufzuspringen oder aber eine geniale Entwicklung zu verpassen.