IGH-Entscheidung zu Gaza: Deutschland Ansehen als ehrlicher Makler in Nahost leidet
Außenministern Annalena Baerbock am Montag in Riad
In Berlin wird man eine gewisse Erleichterung empfunden haben: Auch wenn kaum jemand ernsthaft befürchtet hatte, dass der Internationale Gerichtshof in Deutschlands Unterstützung für Israel eine Beihilfe zum Völkermord sehen würde, war die fast einmütige Entscheidung der Haager Richter doch ein wichtiges Signal. Und das nicht nur für das internationale Recht, weil sich das Gericht dem Versuch entgegenstellt, den schwersten Vorwurf des Völkerrechts zu verwässern.
Für Berlin geht es um deutlich mehr: Deutschland muss seit dem 7. Oktober um sein Ansehen als ehrlicher Makler im Nahen Osten fürchten. Vor allem in den arabischen Staaten wird der Bundesregierung ihre klare Positionierung an der Seite Israels übel genommen – und das umso mehr, je höher die Zahl der zivilen Opfer in Gaza steigt.
Feine Tonverschiebungen werden im Lärm des Streits kaum wahrgenommen
Zwar wissen die Regierungen in der Region, was sie an Deutschland haben, doch in der Gesellschaft herrschen Wut und Unverständnis. Die Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen wird gemieden, Wissenschaftler wollen kein Geld mehr aus Berlin. Dass Bundeskanzler und Außenministerin Israel gegenüber längst einen anderen Ton angeschlagen haben und – diplomatisch verbrämt, aber für die Adressaten deutlich vernehmbar – die Kompromisslosigkeit der Kriegsführung kritisieren, nimmt kaum jemand zur Kenntnis. Feine Tonverschiebungen dringen in dem lauten Stakkato der Israelkritik kaum durch.
Einiges spricht dafür, dass die Bundesregierung mit ihrer unermüdlichen Reisediplomatie und dem ständigen Werben für kleinere Verbesserungen für die Menschen in Gaza mehr erreicht hat, als es die lauten Fundamentalkritiker aus anderen Hauptstädten tun.
Doch je unerträglicher die Situation in Gaza wird, desto mehr muss sich Berlin darauf besinnen, dass Deutschlands historische Verpflichtung gegenüber Israel nicht darin besteht, offene Kritik auszusparen, sondern darin, dem Land mit Verständnis für seine tiefen Traumata dabei zu helfen, einen konstruktiven Weg aus dem Konflikt herauszufinden.