Hartmut Rosa: „Man sollte auch mit der AfD reden“

hartmut rosa: „man sollte auch mit der afd reden“

Der Soziologe Hartmut Rosa

Der Soziologe Hartmut Rosa ist nicht nur ein anerkannter Akademiker, sondern auch Bestsellerautor. Sein Buch „Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung“ hat den Resonanzbegriff bekannt gemacht und das Nachdenken über die Beschleunigung der Moderne in neue Bahnen gelenkt. Rosa lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist Direktor des Max-Weber-Kollegs der Universität Erfurt. Ursprünglich kommt er aus dem Südwesten Baden-Württembergs. Wir haben mit dem Soziologen per Video gesprochen.

Herr Professor Rosa, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Waffenlieferungsfrage hat man den Eindruck, dass die Polarisierung in Deutschland neue Dimensionen angenommen hat. Teilen Sie dieses Gefühl?

Ja, wobei sich das schon eine ganze Weile abzeichnet. Bei jedem neuen Thema, das aufpoppt, werden die Emotionen stärker, und das wechselseitige Unverständnis für die andere Seite wird größer. Bei der Taurus-Debatte konnte man das sehr gut beobachten. Die einen fordern noch mehr Waffen, die anderen schütteln den Kopf. Was außerdem zu beobachten ist: Es gibt in der öffentlichen Medienlandschaft ein deutliches Ungleichgewicht, das verschoben ist gegenüber der Wahrnehmung in der Bevölkerung.

Also eine Diskrepanz zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung?

Ja. Das zeigen auch die Umfragen. In den Eliten gibt es einen politischen Konsens, wie man mit dem Ukrainekrieg umgehen soll. Die Elite ist der Meinung, man muss mehr Waffen liefern. Das deckt sich nicht unbedingt mit den Meinungen im Rest der Bevölkerung.

Werden die Debatten noch emotionaler geführt als vor einem Jahr?

Ja, absolut. Die Aufladung ist sehr groß, besonders mit Blick auf den israelischen Einsatz in Gaza. Ich glaube nicht, dass in der Bevölkerung eine Diskrepanz in der Beurteilung der Faktenlage vorherrscht, sondern es gibt eine Entzweiung auf der Empathieseite. Mit welcher Art von Opfern zeigt man mehr Empathie? Mit den Israelis oder den Palästinensern?

Und mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine?

Hier haben sich die Eliten verändert, nicht die Bevölkerung. Früher hat die Politik stärker auf Deeskalation gesetzt. Wann immer es irgendwo in der Welt zu Gewalthandeln kam, galt das erste Bemühen einem Waffenstillstand. Die Bundesaußenministerin hat das jüngst auch im Fall des Sudan getan und zum sofortigen Gewaltverzicht und zu Verhandlungen aufgerufen, obwohl der Milizenführer Hemeti ein Menschenrechtsverbrecher sondergleichen ist. Bisher galt bei den politisch Verantwortlichen wie bei den einfachen Menschen, dass es im Krieg nur Verlierer gibt. Das haben wir im Schulunterricht gelernt, links wie rechts der Mauer. Und jetzt plötzlich gilt das nicht mehr. Die Wörter ‚Verhandlung‘ und ‚Waffenstillstand‘ darf man mit Blick auf die Ukraine nicht mehr in den Mund nehmen, das hat SPD-Fraktionschef Mützenich gerade erfahren. In der FAZ wurde er dafür ‚eine verächtliche Figur der deutschen Politik‘ genannt. Der Wandel der Deutungsmuster findet aufseiten der Eliten statt, die Bevölkerung hinkt hinterher. Persönlich bedauere ich diesen Wandel zutiefst.

Parallel kämpfen die Zivilgesellschaft und die etablierten Parteien gegen die AfD. Zugleich könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Kampf gegen die AfD diese Partei noch stärker macht. Sehen Sie diesen Widerspruch?

Das ist definitiv so, und das lässt sich schon lange beobachten. Schon vor sieben oder acht Jahren, als die AfD zum ersten Mal stark wurde, war in allen Talkshows und in den Meinungsspalten der Zeitungen immerzu von der AfD die Rede. Es wurde gefragt, warum die AfD so stark sei, wie man sie schwächen könne, wie man die Brandmauer zur AfD gestalten müsse. Die AfD war der Brennpunkt und der Fokus für jede Überlegung und für jede Form politischen Handelns. Es ging immer nur darum, wie stark sich die Parteien von der AfD abgrenzen müssten. In diesem Prozess hat die AfD eindeutig gewonnen. Es gab dann Phasen, da war nicht ständig von der AfD die Rede, weil andere Probleme dominierten – zeitgleich sind auch die Zustimmungswerte der AfD gefallen. Jetzt sind wir leider wieder an dem Punkt, an dem die AfD Dauerthema ist. In Thüringen, wo ich zu Hause bin und lehre, schauen alle wie das Kaninchen auf die Schlange, wenn es um die AfD geht. Das verhindert die Diskussion um Sachfragen. Was der Politik fehlt, ist eine Vision, wie wir die Gesellschaft, die Republik gestalten wollen. Was ist die Zukunft, auf die es sich lohnt, zuzugehen? Stattdessen wird auf allen Seiten – die AfD macht das stärker als jede andere Partei – mit Ressentiments und Horrorbildern gearbeitet. Das kann so nicht funktionieren.

Einige Grüne sagen, die Menschen hätten eigentlich keine Probleme, diese Probleme seien nur gefühlt, Deutschland ginge es gut. Zugleich lässt sich die Angst der Deutschen nicht leugnen, also die Sorge davor, dass die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs vorbei sei. Wie schauen Sie auf diese Frage?

Das Erfolgsrezept der AfD basiert auf Ängsten. Diese Ängste sind zum Teil imaginär. In Ostdeutschland ist die Migration besonders niedrig und die Angst davor besonders hoch. In Thüringen trifft man in vielen Gegenden kaum auf Menschen mit Migrationshintergrund. Umfragen zeigen zugleich, dass die Menschen, übrigens auch die Menschen in Ostdeutschland, sagen: Eigentlich geht es mir ganz gut, aber ich habe das Gefühl, dass die Zeiten schlecht sind. – Als Soziologe muss man sich diesem Widerspruch widmen. Meine Deutung ist, so erkläre ich den AfD-Erfolg auch, dass es kein Bild gibt einer Gesellschaft, auf das wir zugehen wollen. So etwas bräuchte man. Dann hätte man das Gefühl: Wir sind in guten Zeiten. Das kann man historisch schön zeigen. Selbst wenn Menschen relativ arm sind oder sehr arm, wenn sie das Gefühl haben, jetzt wird’s besser, dann fühlen sie sich auch gut. Dann sagen sie: Wir leben in guten Zeiten. – Wenn Eltern hart arbeiten, sind sie zufrieden, selbst wenn sie unter Knappheit leiden, solange sie überzeugt sind, dass sie eine bessere Welt schaffen, eine bessere Welt für ihre Kinder. Die AfD profitiert davon, dass das Gefühl dominiert, wir würden uns in eine schlechtere Welt bewegen als die gegenwärtige.

Und warum ist das so?

Wir haben viele Horrorbilder im Kopf. Krieg, Klimakatastrophe. AfD-Wähler treibt selten die ökonomische Not an. Es geht darum, dass die Menschen oft eine leidlich intakte Lebenssphäre haben und zugleich das Gefühl, dass diese Sphäre bedroht ist. Das Gefühl der Bedrohung ist etwas ganz Starkes, das ist eine fast leibliche Erfahrung. Die Lebenssphäre wird wie eine erweiterte Haut wahrgenommen. Diese Sphäre erfahren die Menschen als bedroht von außen, durch die Politik und die Eliten. Das bedient die AfD meisterhaft. Wenn in einem kleinen Dorf in Thüringen ein Flüchtlingsheim gebaut wird, dann fühlt sich das für die Menschen vor Ort so an, als würde ihre erweiterte Haut durchstoßen werden. Deshalb haben AfD-Wähler auch so sensibel auf das Heizungsgesetz reagiert. Ich habe immer gedacht: Was haben die denn für ein Problem? Doch die Bürger haben das Gefühl, als würde der Staat kommen, in ihre Behausung eingreifen und ihre Heizung buchstäblich aus ihren Wänden reißen. Und deswegen war auch die Impfung so ein Problem. Viele Menschen dachten: Jetzt kommt der Staat und durchsticht wirklich meine Haut. Es sind wirklich gefühlte Schutzschichten, um die es geht. Die intimste davon ist der Kopf, das eigene Denken – und durch neue Sprachregeln scheint selbst dies für manche Menschen nun bedroht.

Also müsste man Politik machen, die diese Gefühle nicht triggert?

Absolut. Genau da läuft es schief, und das liegt oft weniger an den politischen Inhalten als an der Argumentationsweise.

Viele Menschen, die die DDR erfahren haben, spiegeln uns in Leserbriefen, dass die politische Wirklichkeit sie derzeit an die DDR erinnere. Dass etwa die Politik sich nicht mit echten Problemen befasst, sondern moralisierende, aufbauende Reden hält, die von der Wirklichkeit ablenken. Und: Es gibt Ostdeutsche, die sagen, dass sie sich diskreditiert fühlen. Ob Impfung oder Ukrainekrieg. Können Sie das nachvollziehen?

Ja, das höre ich auch. Es gibt Menschen, die sagen, es dominieren wie früher die Staatsmedien. Damit sind nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender gemeint, sondern etwa auch Der Spiegel und Die Zeit. Diese Blätter werden wie Staatsmedien wahrgenommen. Man glaubt, dass diese Medien die Elitenmeinung vertreten und sich um die einfachen Bürger nicht kümmern. Ich kann das insofern nachvollziehen, als man auch als gut Informierter den Eindruck bekommen kann, dass ein Mensch, der eine andere Meinung als der Mainstream der Medien vertritt, Gefahr läuft, medial zum schlechten Menschen degradiert zu werden. Im Ukrainekrieg hat sich das sehr deutlich gezeigt. Wer für Waffenstillstand ist oder als Pazifist auftritt wie ich, wird postwendend als ein egoistischer, selbstsüchtiger Feigling gebrandmarkt. Es gibt also keine unterschiedlichen Sichtweisen, sondern gute Menschen und schlechte Menschen. Wer an Impfungen zweifelt, ist nicht nur ein Idiot, sondern auch ein Menschenfeind. Ähnlich ist es auch jetzt. Wer Mitleid mit den Palästinensern zeigt, ist in Gefahr, als menschenverachtender Antisemit dazustehen. Darauf reagieren Menschen sensibel. Sie nehmen wahr, dass es eine vorgeblich politisch-moralisch richtige Meinung gibt, und wer sie nicht teilt, erscheint als schlechter Mensch. Das ist eine Diskursneuentwicklung, die wir im Westen nicht kannten.

Es geht um moralische Diskreditierung?

Ja, politisch Andersdenkende werden moralisch diskreditiert. Das ist eigenartig. In Ostdeutschland merkt man das besonders. Gerade bei bisher eher politikfernen Menschen entsteht der Eindruck, es gäbe einen Eliten- und Staatsmedienkomplex, mit dem man nichts mehr zu tun haben möchte. Neu ist, dass sich diese Menschen andere Kanäle suchen. Ich finde es schon beunruhigend, was man in diesen anderen Kanälen findet. Ein Klempner zeigte mir den Sender „Auf1“, einen österreichischen Alternativ-Fernsehsender, dessen Inhalte unfassbaren verschwörungstheoretischen Charakter haben. Und diese Inhalte erreichen mitunter bereits bürgerliche Kreise.

Haben Sie persönlich Furcht vor moralischer Diffamierung, wenn Sie sich öffentlich äußern?

Ja. Man fängt an, sich zu überlegen, was man sagt. Andere ziehen dann willkürlich einen Satz heraus, der einen Shitstorm auslöst. Diskurse verselbstständigen sich. Die Leute interessieren sich nicht mehr für den Kontext und wie jemand etwas gemeint hat. Es geht eher darum, dem Gegner zu schaden, ihn nicht mehr salonfähig zu machen. Ja, ich fürchte mich davor, ich formuliere vieles vorsichtiger, aber ich lasse mich in meiner Meinung nicht verbiegen.

hartmut rosa: „man sollte auch mit der afd reden“

29.09.2019 Weimar: Vortrag des Soziologen und Politikwissenschaftlers Hartmut Rosa, der den Resonanz-Begriff stark gemacht hat.

In der SZ haben Sie eine Erfahrung in Thüringen bei McDonald’s beschrieben. Sie sagten, dass Sie dort manchmal zu Fuß hingehen, um aus der Universitätsblase herauszukommen. Darüber haben sich viele aufgeregt.

Was man beobachten konnte in den Reaktionen, war das komplette Abheben von dem, worum es eigentlich in dem Interview ging und was ich wirklich gesagt habe. Ein Kollege von mir twitterte sogar, man müsse sich meinetwegen deshalb für die Soziologie schämen. Mir wurde Sozialchauvinismus vorgeworfen, was lächerlich ist, weil ich weit genug in der Welt herumkomme, auch in Slumgegenden, um soziologisch zu forschen, zum Beispiel bei den Müllsammlern von Porto Alegre oder in einer Landlosen-Kommune in der Nähe von São Paulo. Dafür gehe ich bestimmt nicht zu McDonald’s. Doch auf Twitter und Konsorten wurde alles ganz anders dargestellt. So ist es halt.

Welche Sätze haben Ihnen noch einen Shitstorm eingebracht?

Ich habe mal gesagt, wir lebten in einer Überflussgesellschaft, oft wüssten wir gar nicht mehr, was wir alles im Haus oder in den Schränken hätten. Da habe ich was zu hören gekriegt, von wegen abgehobener Professor und so. Den meisten Zorn habe ich aber für meine Haltung zum Ukrainekrieg ausgelöst. Ich war nie einfach blind gegen Waffenlieferungen, aber ich mache mich immer noch für Verhandlungen stark. Was haben wir, aber vor allem: Was haben die Ukrainer davon, wenn der Krieg 30 Jahre weitergeht und die Russen am Ende vielleicht gewinnen? Irgendwann gibt es keine Soldaten mehr. Es wird immer gesagt: Putin will nicht verhandeln! Das kann ja sein. Das sollte aber uns nicht daran hindern, mal ein Szenario zu entwickeln, wie man aus dem Krieg wieder herauskommt. Zu sagen, wir machen keine Verhandlungsvorschläge, weil die andere Seite nicht verhandeln will, ist Quatsch. Ich spreche mich dafür aus, die Ukraine in die Nato und EU aufzunehmen, dafür müsste die Ukraine im Gegenzug auf die Krim und vermutlich auf eine Landverbindung der Russen dorthin verzichten. Das habe ich schon im Sommer 2022 im Spiegel vorgeschlagen. Jetzt sieht es so aus, als würde sogar die Nato ebendieses Szenario anstreben – Hunderttausende tote, verstümmelte, traumatisierte und verkrüppelte Menschen später. Und es kann gut sein, dass es damals geklappt hätte, heute aber nicht mehr, weil die Russen jetzt wieder auf dem Vormarsch sind. Damals habe ich dafür nur einen Shitstorm abgekriegt.

Verletzt Sie das, oder können Sie ruhig bleiben?

Völlig kalt lässt das einen nicht. Die Frage ist: Wie weit geht die Anfeindung? Wenn sogar Kollegen mich anfeinden, von denen ich dachte, dass wir befreundet sind, das verletzt mich schon. Da sieht man, wie schnell das geht. Bis in persönliche Kontakte hinein. Aber ich habe nicht erlebt, dass man zur Persona non grata erklärt oder gecancelt wird.

Sind Universitäten Räume, wo mehr sagbar ist?

Eigentlich schon. Aber zugleich nehmen auch Sensibilitäten zu und Diskursregeln. Denken Sie ans Gendern oder an Trans-Gender-Phänomene. Wenn man hier beispielsweise als junger Student aus einem Nichtakademiker-Milieu vielleicht einfach aus Unkenntnis Diskursregeln verletzt, kann es gerade auch von Studierendenseite zu scharfen Reaktionen kommen. Bei postkolonialen Debatten ist das ähnlich, denken Sie an das N-Wort. An Universitäten muss man bei bestimmten Diskursen vielleicht sogar mehr aufpassen als anderswo.

Spielt die Diskussion um die AfD und Björn Höcke an Ihrer Universität eine Rolle?

Das universitäre Milieu ist sicher nicht AfD-nah; in den USA treffen Sie auch kaum jemanden in den Geisteswissenschaften, der für Trump ist. In der Soziologie haben wir praktisch keine Meinungsbeiträge, die sich für Höcke stark machen, was nicht ausschließt, dass es diese Positionen gibt. Ich lehre in Erfurt und Jena, beide Universitäten engagieren sich in der Kampagne „Weltoffenes Thüringen“. Es gibt eher ein wachsendes Bewusstsein, dass sich Unis politisch positionieren sollten. Wobei ich nicht ganz sicher bin, welche Strategie hier die richtige ist. Wenn man sich für „Weltoffenes Thüringen“ engagiert, was ich unterstützt habe, sehe ich zwei Gefahren. Erstens: Es gibt diese Heuchelei in der Debatte. Wir sind Teil der EU, lassen aber die Grenzen durch Frontex brutal schließen. Weltoffen ist das nicht. Es ist selbst für Wissenschaftler etwa aus Afrika extrem schwer, nach Deutschland zu kommen. Das zweite Risiko: Schon der Begriff „Weltoffenes Thüringen“ bedient die Ängste der Rechten oder AfD-Wähler. Dann heißt es: Ach, die Unis wollen alle Grenzen aufmachen, dann muss ich erst recht AfD wählen. – Ich weiß also nicht, welche Strategie die richtige ist.

Mich überrascht diese Dichotomie: AfD versus Demokratie. Ist jemand, der für die AfD ist, automatisch gegen die Demokratie?

Ich halte dies für keine gute Diskursstrategie, diese Gleichsetzung zu betreiben. Wir, die wir die AfD verhindern wollen, sollten die Strategien ändern. Permanent zu sagen, die AfD sei nicht demokratisch, ist gefährlich. Manche weiten das ja auch auf Linke und BSW aus. Was ist das für ein Demokratieverständnis? Das ist so ein Punkt, bei dem man wohl den nächsten Shitstorm bekommt, wenn man das offen ausspricht. Aber ich sage es trotzdem: Ich denke, die Brandmauerstrategie der Zivilgesellschaft hat nicht funktioniert. In Thüringen ist das ein großes Problem. Wenn sich alle Parteien gegen die AfD positionieren, haben die AfD-Wähler den Eindruck, die anderen Parteien seien tatsächlich „alle gleich“. Dann wählen diese Menschen erst recht AfD. Was bekommt man dann am Ende? Umfragewerte der AfD, die potenziell sogar absolute Mehrheiten ermöglichen. Was ich also meine: Wenn man so tut, als dürfe man mit der AfD nicht reden, sonst würde man kontaminiert, erreicht man das Gegenteil von dem, was man eigentlich erreichen will: Man macht die AfD größer, als sie ist. Ich würde die Brandmauer inhaltlich setzen. Es muss für Demokraten inhaltliche Dinge geben, die nicht diskutabel sind – wie etwa das Recht auf Asyl oder die Gleichbehandlung. Man sollte mit der AfD reden und Menschen, die zweifeln, durch Argumente überzeugen. Entzauberung statt Dämonisierung, lautet mein Vorschlag.

Wäre eine AfD-Regierung in Thüringen eine Katastrophe?

Für die Unis ja. Und für Menschen mit Migrationshintergrund oder aus dem LGBTQIA+-Spektrum sicher auch. Dann würde niemand mehr in Thüringen studieren wollen. Es ist schon schwer genug, junge Menschen aus dem Westen zu überzeugen, in Ostdeutschland zu studieren. Und es wäre auch eine Katastrophe für die Wirtschaft: Investitionen in den Freistaat würden zurückgehen, und die dringend benötigten Arbeitskräfte würden fernbleiben. Außerdem: Wir haben in Deutschland schlechte Erfahrungen gemacht mit dem Versuch, rechtsnationale Parteien demokratisch einzubinden. Das muss man schon auch sehen.

hartmut rosa: „man sollte auch mit der afd reden“

„Ich stelle fest: Deutschland ist auf einem militaristischen Weg“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa der Berliner Zeitung im Interview.

Wie schauen Sie auf das BSW?

Ich stelle fest: Deutschland ist auf einem militaristischen Weg. Baerbock hat die Fregatte Hessen ins Kriegsgebiet zu den Huthi-Rebellen geschickt, bevor es irgendeine politische oder rechtliche Legitimation dafür gab. Das ist beispiellos. Wir liefern Raketen an Saudi-Arabien. Darüber könnte ich mich stundenlang aufregen. Wir behaupten, wir stehen für eine internationale und regelbasierte Ordnung. An welche Regeln hält sich Saudi-Arabien, bitte schön? Oder die USA? Bei den Huthis wollten wir vorne dabei sein, an Saudi-Arabien liefern wir Waffen, Waffenstillstandsresolutionen für Gaza tragen wir nicht mit, an ein Anhalten des Mordens in der Ukraine mittels eines Einfrierens des Konfliktes sollen wir, geht es nach dem Willen von Grünen, FDP, CDU oder Spiegel, nicht einmal denken. Wir machen neuerdings Militärmanöver mit Modis Indien: Modi verwandelt Indien gerade in eine antiwestliche, illiberale Autokratie. Dieser eigenartige militaristische Wandel in der Elite ist ein Problem. Er verspielt übrigens auch gerade Deutschlands moralischen Ruf in der Welt radikal. Daher ist es wichtig, dass es ein Gegengewicht gibt. Mir geht es nicht darum, dass man alle Waffenlieferungen sofort einstellt. Das wäre vielleicht nicht gut, dafür bin ich auch nicht. Mir geht es darum, dass man eine Vision entwickelt, wie man irgendwie wieder Vertrauen mit anderen Staaten aufbaut, deeskaliert, eine Vision, oder mehr: einen Plan für eine Zeit des Friedens entwickelt. Eine mentale Gegenwende, sozusagen. Nun haben wir eine Regierung, die gegenüber Russland, gegenüber China, gegenüber Iran oder Hamas oder Huthis immer nur auf eskalierende Tendenzen setzt – das ist doch keine Politik. Wagenknecht vertritt die alte Linke, die nicht mehr sichtbar ist und sich für Deeskalation einsetzt. Daher hat sie großes Potenzial, der AfD Stimmen abzunehmen. Das begrüße ich. Auch wenn ich mit vielen Positionen von BSW nicht einverstanden bin.

Sind Sie Björn Höcke jemals begegnet?

Nein.

Wie fänden Sie es, wenn Medien Björn Höcke interviewen?

Das ist eine heikle Frage. Aber ich bin immer noch der Überzeugung, als Linker und als Demokrat: Wir müssen zeigen, dass wir die besseren Argumente haben. Denn wir haben die besseren Argumente. Zu sagen, mit dem Menschen darf man nicht reden, finde ich problematisch. Man muss mit Argumenten um die besten Strategien ringen, sonst verrät man selbst die Demokratie.

Kommen Sie mit AfD-Wählern in Kontakt?

Ja, klar, selbst in meinem akademischen Umfeld. Was ich bei diesen Menschen feststelle, ist ein besonderes Misstrauen gegenüber den Medien. Viele AfD-Wähler glauben, es gäbe einen Verbund zwischen ARD, ZDF, Spiegel, Zeit und der Regierung. Es gibt Leute, die ich nett finde und respektiere, die sagen: Das schaue ich nicht mehr, das lese ich nicht mehr. Das ist wie früher das Neue Deutschland lesen.– Einige davon sind gebildet, die das denken. Ob ich im Schwarzwald bin oder in Ostdeutschland, die Vorurteile sind die gleichen. Daher finde ich es absurd, wenn man sagt, die AfD sei ein ostdeutsches Phänomen. Denken Sie an die SVP in der Schweiz. Politiker der SVP sagen Dinge, die vergleichbar sind mit Aussagen von Björn Höcke. Oder denken Sie an Österreich und die FPÖ. An Geert Wilders in Holland. Es geht hier nicht um Ostdeutschland gegen Westdeutschland. Es geht hier eher um Milieus, insbesondere akademisches versus ländliches Milieu.

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