„Der Minister sollte seine Gedankenspiele sofort beenden“
Verfolgt umstrittene Pläne: Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die Tilgung der Notlagenkredite aufschieben.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) stößt mit seinem Plan, die Tilgung der Notlagenkredite aufzuschieben, um Mittel für den Verteidigungsetat freizuschaufeln, auf Widerstand. „Der Minister sollte seine Gedankenspiele sofort beenden“, sagte der CDU-Politiker Christian Haase der F.A.Z. Er warf ihm Haushaltstricksereien vor. Der Koalition fehle offenkundig die Kraft zur Prioritätensetzung, meinte er.
Lindner will Notlagenkredite später tilgen, wenn die deutsche Staatsschuldenquote unter der Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen sollte. Er braucht 2028 rund 30 Milliarden Euro, damit Deutschland nach dem Ausschöpfen des Sondervermögens Bundeswehr weiterhin 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben kann. Wie die F.A.Z. am Mittwoch berichtete, sind die Mittel aus dem Sondervermögen so gut wie weg: 99.999.691.000 Euro sind verplant.
Die Union, die schon gegen die Umwandlung von Corona-Krediten in Klimakredite vor dem Verfassungsgericht erfolgreich klagte, sieht die Sache anders als der Minister. „Es ist doch niemandem vermittelbar, die Schuldentilgung auf fünfzig oder mehr Jahre zu strecken“, meinte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Kredite seien nach dem Grundgesetz „binnen eines angemessenen Zeitraums“ zurückzuführen.
Rechtliche Bedenken
Die Schuldentilgung sei schon einmal verschoben und um zehn Jahre gestreckt worden. „Der Finanzminister ist gut beraten, die kritischen Aussagen von Professor Hanno Kube ernst zu nehmen“, mahnte Haase. Der Verfassungsrechtler hatte gegenüber der F.A.Z. gewarnt: „Ein schlichtes Hinausschieben der Rückführung ohne tragfähige eigenständige Begründung ist meines Erachtens nicht akzeptabel.“
Der Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer warb für neue Kreditmöglichkeiten zugunsten der Bundeswehr. „Verteidigungsminister Boris Pistorius hat recht: Allein durch Umschichtungen im Bundeshaushalt werden wir die Bedarfe zur notwendigen Ausstattung der Bundeswehr und zur Stärkung der Sicherheitsfähigkeit unseres Landes nicht sicherstellen können“, sagte er. Das Sondervermögen sei absehbar gebunden. „Wir brauchen eine Ausweitung der Produktionskapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie.“ Dafür müssten Verträge geschlossen werden. Auch mit der Brigade in Litauen und mit der Unterstützung der Ukraine seien erhebliche Bedarfe verbunden. „Deshalb brauchen wir dafür pragmatische Lösungen – ohne ideologische Scheuklappen.“
In der Bundeswehr fordert man ein Machtwort des Kanzlers: „Wenn für unsere Regierung Worte wie Verteidigungsfähigkeit, Schutz oder Wehrhaftigkeit nicht bloße Worthülsen sein sollen, muss Kanzler Scholz seine Richtlinienkompetenz wahrnehmen und ein Machtwort sprechen“, sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner. Sonst müsse die Zeitenwende in der Bundeswehr für beendet erklärt werden.