Buldern/Dülmen: Das Rätsel um eine mumifizierte Hand - wem gehörte sie?

Zufällig entdeckt ein Pfarrer hinter einem Schrein mit einem Knochensplitter des Heiligen eine mumifizierte Hand in seinem Gotteshaus. So rätselhaft wie der Fund ist die Frau, der sie einst gehört haben könnte.

buldern/dülmen: das rätsel um eine mumifizierte hand - wem gehörte sie?

Aloys Rohlmann dachte, er kenne die Geheimnisse seiner Pfarrkirche. Schon lange war er Pastor in der katholischen Gemeinde St. Pankratius in Buldern, einem Ortsteil des münsterländischen Dülmen. An einem Frühlingstag des Jahres 2010 machte er allerdings eine schockierende Entdeckung.

Zum ersten Mal in 27 Dienstjahren hatte er einen Schrein mit einem Knochensplitter des Heiligen Pankratius aus einer Nische in der Seitenkapelle gehoben. Beim genauen Betrachten sah er, dass an die Rückseite des kunstvoll gestalteten Behälters offenbar nachträglich eine Schatulle angenagelt worden war.

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Rohlmann tastete in der Nische nach einem Schlüssel, fand aber keinen. Er ging mit dem Schrein in die Sakristei, nahm sich einen kleinen Schrankschlüssel und steckte diesen in das Schloss des ominösen Kastens. Er musste ihn ein wenig rütteln, dann ließ sich der Deckel öffnen.

Im Inneren lag eine mumifizierte Hand.

Menschliche Körperteile in katholischen Kirchen sind an sich nichts Besonderes. In den Gotteshäusern liegen Tausende Überreste von Märtyrern, Schutzpatronen und anderen kultisch verehrten Menschen. Es sind Knochen und Haare darunter, Vorhäute und Blutstropfen, Fetzen von Leichenkleidung und Splitter vom Kreuz Jesu. Nicht alle dieser teils jahrtausendealten Reliquien sind echt, und ihre Herkunft ist zum Teil völlig unklar. Die meisten dieser Reste werden in den Gotteshäusern ausgestellt oder sind den Gemeinden zumindest bekannt. Warum war das in diesem Fall anders? Sollte etwas vertuscht werden?

Rohlmann alarmierte etliche Mitglieder der Pfarrgemeinde, und schon bald kam ein Verdacht auf: Bei dem Körperteil könnte es sich um die rechte Hand von Anna Katharina Emmerick handeln, einer einst berühmten Dülmenerin, die angeblich übersinnliche Fähigkeiten hatte und unter ominösen blutenden Körperstellen litt. Die Frau wurde zu Lebzeiten fast kultisch verehrt, war Gegenstand behördlicher Ermittlungen und fand nicht einmal Ruhe, als sie im Grab lag. Es wäre wenig verwunderlich, wenn ihr die rechte Hand abgesägt worden wäre.

Emmerich wurde 1774 als Tochter eines armen Bauern geboren, lernte lesen und trat 1802 bibelkundig und gegen alle Widerstände in ein Kloster ein. Dieses wurde im Zuge der Säkularisierung allerdings aufgelöst, und so verbrachte Emmerick die letzten zwölf Jahre ihres Lebens dauerkrank in einem nur 1,40 Meter langen und mit Stroh gefüllten Bettkorb. Eine unbequeme Schlafstatt, in der sie laut mehrerer Zeitzeugen immer wieder Visionen von biblischen Geschichten, dem Fegefeuer und einer drohenden Endzeit gehabt haben soll.

Besonders faszinierten ihre Mitmenschen aber die Wundmale auf Emmericks Körper. Sie erschienen immer wieder an genau jenen Stellen, an denen Jesus Christus gepeinigt worden sein soll. Die Blutungen waren schon damals umstritten und wurden von den Behörden untersucht. Der Verdacht, dass sich Emmerick etwa durch Säure selbst verletzte, konnte nicht erhärtet werden.

Brentano führte Buch

Trotz aller Skepsis saß immerzu irgendjemand am Bett der kranken Frau und erhoffte sich Rat, Zuspruch oder auch Weissagungen. Die Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts war von Armut und Kriegen geprägt; die Menschen sehnten sich nach jemanden, der ganz augenscheinlich einen kurzen Draht zum lieben Gott hatte.

Zu Emmericks Bewunderern zählte etwa Schriftsteller Clemens Brentano, der sich ihretwegen über fünf Jahre lang in Dülmen niederließ und Buch über ihre Wachträume führte. Auf Grundlage der Notizen schrieb Brentano sein sehr erfolgreiches Buch »Das bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus«, das zur Grundlage von Mel Gibsons Film »Die Passion Christi« wurde.

Als Emmerick am 9. Februar 1824 starb, machte sich große Trauer breit in Dülmen. Hunderte Menschen nahmen an der Bestattung teil. »Leute aus allen Ständen, reich und arm, Geistliche und Laien hatten sich zusammengefunden, um der Verstorbenen ihre Verehrung zu bekunden«, schrieb ein Zeitzeuge.

Bei all der Verehrung ist es nur logisch, dass etliche Menschen es auf Überreste der Toten abgesehen hatten. Viele Gläubige versprachen sich von den Körperteilen geliebter oder verehrter Menschen Hilfe, Heilung oder Trost. Goethe etwa soll den Schädel Schillers besessen haben.

Ein gruseliger Holländer

Doch wer hat sich an Anna Katharina Emmerick zu schaffen gemacht? Infrage kommt ein gruseliger Holländer. Der Mann reiste kurz nach der Bestattung mit einem Pferdefuhrwerk an und machte das Angebot, die Leiche für 4000 Gulden zu kaufen, was heutzutage etwa 100.000 Euro wären. Über die Hintergründe ist wenig bekannt, doch es ist wahrscheinlich, dass er im Auftrag von irgendwelchen Sektierern oder Reliquienhändlern handelte. Die Obrigkeiten lehnten das Angebot allerdings ab. Der Holländer soll die Stadt mitten in der Nacht verlassen haben. Möglich, dass er kurz zuvor den Sarg Emmericks freilegte, die Leiche vorübergehend auswickelte und sich zumindest eine Hand sicherte.

Leicht schimmeliges Gesicht

Auch Luise Hensel ist verdächtig, eine von Emmericks besten Freundinnen. Die Schriftstellerin hatte nicht an der Beerdigung teilnehmen können und wollte fünf Wochen später Nelken auf das Grab pflanzen. Hensel war dazu in Dülmen bei einer Gastwirtin untergekommen. Die berichtete ihr von dem Holländer und äußerte die Vermutung, dass die Leiche längst über alle Berge sei.

Hensel wollte das Gerücht überprüfen, bestach zwei Totengräber und ließ den Sarg der geliebten Freundin Ende März 1824 freilegen, wie sie später schrieb. Als sie den Deckel öffnete, fand sie Emmerick zwar mit leicht schimmeligem Gesicht, aber insgesamt in sehr gutem Zustand vor. Dass sie die Hand abgetrennt hatte, davon schrieb Hensel nichts. Ausgeschlossen ist es aber nicht.

Die Vermutung, dass an Emmerick herumgesägt oder -geschnitten wurde, drängt sich auch mit Blick auf eine Exhumierung Emmericks im Jahre 1975 auf. Weil sie in eine Krypta umgebettet werden sollte, wurden die Gebeine der Mystikerin ausgegraben und in eine Metallkiste verfrachtet. Weil das Leinentuch mittlerweile verrottet war, fiel dabei auf, dass Emmericks Hand- und Fußknochen fehlten. Zwar hätten sich diese Skelettteile auch natürlich auflösen können, doch womöglich wurden sie amputiert.

Pfarrer Rohlmann war sich laut eigener Aussage von Anfang an »ziemlich sicher«, zu wem die Hand gehörte. Er wünschte sich allerdings einen echten Beweis. So informierte er im Sommer 2010 das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Münster. Schon wenige Wochen später wurde dort eine DNA-Untersuchung durchgeführt.

Die Experten glichen ein Teilchen der mumifizierten Hand unter anderen mit der Probe eines Knochens von Emmerick ab, der bei der Umbettung 1975 gesichert worden war. Außerdem wurden dem Institut Haare zur Verfügung gestellt, die von einer Locke Anna Katharina Emmericks stammen. Es fand sich aber nur wenig brauchbares und aussagekräftiges DNA-Material, und so war die Botschaft aus Münster nicht eindeutig: Die Hand könnte von der Emmerick stammen – muss es aber nicht, schlussfolgert der zuständige Mediziner.

Amputation während der Leichenwaschung?

Ganz unabhängig vom Analyseergebnis bliebe noch eine andere Frage: Wie und aus welchen Gründen sollte die Emmerick-Hand in den Schrein gelangt sein? Wer hätte ein Interesse daran haben können, dass sie irgendwo in der Pfarrgemeinde St. Pankratius versteckt wurde? Am ehesten kommt hier Hensel oder einer ihrer Nachfahren infrage, doch Pfarrer Rohlmann hat nach langen Jahren der Recherche noch eine andere Vermutung: Es war Clemens Brentano.

Tatsächlich ist den Notizen des weltbekannten Dichters von der Kraft zu lesen, die angeblich von Emmericks Händen ausging. Insofern würde es passen, wenn der berühmte Romancier höchstselbst für eine Amputation während der Leichenwaschung gesorgt hätte. Wann und warum er dann aber eine Rückgabe organisiert haben sollte, lässt sich nur vermuten. War es ein schlechtes Gewissen?

Pfarrer Rohlmann, der längst im Ruhestand ist, glaubt mittlerweile nicht mehr, dass das Rätsel der mumifizierten Hand jemals gelöst wird. Klar ist, dass ein Forschungserfolg gut in dieses Jahr passen würde: Emmerick wurde vor 250 Jahren geboren, ihr Todestag jährt sich zum 200. Mal. Außerdem wurde sie vor zwanzig Jahren vom damaligen Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Dülmen gedenkt der Frau, die einmal berühmt war, daher in diesem Jubiläumsjahr mit zahlreichen Vorträgen und anderen Veranstaltungen. Einige davon finden in der Dülmener Heilig Kreuz Kirche statt, wo die Überreste Emmericks mittlerweile ruhen.

Zumindest das, was von ihnen übrig ist.

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