Arthur Brunner: Der SVP-Bundesrichter, der sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifiziert hat
Arthur Brunner wurde in der Frühlingssession zum nebenamtlichen Bundesrichter gewählt. Alessandro Della Valle / Keystone
Arthur Brunner ist der wohl effizienteste Richter der Schweiz. Rund hundert Entscheide pro Stunde sind für ihn ganz normal. Allerdings nicht an seinem Arbeitsplatz als Vizepräsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, sondern in seiner Freizeit. Nach Feierabend und vor allem am Wochenende leitet Brunner als Schiedsrichter Handballspiele.
In dieser Sportart verkörpert er Weltklasse. Zusammen mit seinem Partner Morad Salah gehört er zu den Schiedsrichtern, die regelmässig Partien an Welt- und Europameisterschaften, Olympischen Spielen sowie in der Champions League und im Europacup leiten. Natürlich sind Brunner/Salah gegenwärtig auch bei den entscheidenden Spielen der Schweizer Meisterschaft im Einsatz.
Unter Druck des Publikums
Rund 60 Spiele pro Saison in ganz Europa kommen so zusammen. Das Ganze ist ein Hobby, verdienen lässt sich mit dieser Tätigkeit praktisch nichts. So beträgt die Aufwandsentschädigung für ein Champions-League-Spiel mit dreitägiger Abwesenheit 800 Euro. Dazu kommt noch eine Spesenentschädigung.
Natürlich könne man die beiden «Richtertätigkeiten» nicht miteinander vergleichen, sagt Brunner. «Bei einem Handballspiel müssen die Entscheidungen intuitiv und in Sekundenbruchteilen getroffen werden.» In den engen Spielszenen, bei denen Körperkontakt dazugehört, bleibe gar keine Zeit zum Nachdenken. Im Sport könne man eine umstrittene Entscheidung im Nachhinein auf Video analysieren. Als Richter erfolge die Analyse während des Entscheidungsfindungsprozesses. «Man trägt zwar auch eine Intuition an den Fall heran, aber es ist richterliche Pflicht, dieses Vorverständnis laufend zu hinterfragen», erklärt Brunner.
Es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen den Funktionen des Richters und des Referees. «Als Schiedsrichter und als Richter übernimmt man Verantwortung, man steht für seine Entscheide hin und man kommuniziert sie», sagt Brunner. Zudem könne der Druck von aussen in beiden Positionen gross sein. Sowohl von heissblütigen Fans als auch von der öffentlichen Erwartung, beispielsweise eine möglichst hohe Strafe auszusprechen, dürfe man sich nicht beeinflussen lassen, betont Brunner.
Auf dem Spielfeld hat Arthur Brunner mit den weltbesten Handballern zu tun. ;Mathias Bergeld / Imago
Brunners berufliche Tätigkeit ist in den Sporthallen kein Thema. Die meisten Spieler wissen nicht, dass sie von einem promovierten Juristen für zwei Minuten auf die Strafbank geschickt werden. Obwohl er für sein Hobby sehr viele Ferien und Wochenenden opfert, hat Arthur Brunner seine berufliche Karriere nie vernachlässigt und arbeitet hundert Prozent.
Er besitzt sowohl das Anwaltspatent wie auch das Notariatspatent. Seine Dissertation mit dem Titel «Subsidiaritätsgrundsatz und Tatsachenfeststellung unter der EMRK – Analyse zu Art. 3 EMRK» wurde mit dem Preis des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung ausgezeichnet. Derzeit arbeitet Brunner an einer prozessrechtlichen Habilitation.
Den vorläufigen Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn erreichte er im vergangenen März. Damals wählte ihn die Vereinigte Bundesversammlung für den Rest der Amtsperiode als nebenamtlichen Richter ans Bundesgericht. Als Kandidat wurde der St. Galler für diese Position von der SVP aufgestellt. «Ich habe einen konservativen Zugang zur Richtertätigkeit», sagt Brunner. «Der Primat der demokratischen Entscheidungsfindung hat für mich sehr hohe Bedeutung, der Erfolg unseres Landes beruht darauf.» Diese Werte teile er mit der SVP.
Die Wahl an das höchste Gericht bedeutet gleichzeitig das Ende von Brunners Karriere als internationaler Handballschiedsrichter. Beides lässt sich zeitlich nicht vereinbaren. «Meine Frau und meine beiden Söhne mussten bisher schon stark zurückstecken. Sie kämen jetzt definitiv zu kurz, wenn ich mich im bisherigen Umfang für den Sport engagieren würde», erklärt Brunner. Nebenamtliche Bundesrichter wirken an rund 15 Fällen pro Jahr mit.
Olympiafinale als Traum
Mit 32 Jahren ist Brunner für einen Schiedsrichter auf diesem internationalen Niveau noch sehr jung. Er hätte noch mehr als 15 Jahre auf höchstem Niveau pfeifen können. Doch wie es der Zufall will, endet seine sportliche Karriere mit einem absoluten Höhepunkt. Der Internationale Handballverband (IHF) hat nämlich das Duo Arthur Brunner und Morad Salah vor kurzem als eines von 16 Schiedsrichter-Paaren für die Olympischen Spiele in Paris aufgeboten.
An den letzten Olympischen Spielen 2021 in Tokio leiteten sie bereits den Halbfinal der Männer zwischen Spanien und Dänemark. Wenn alles optimal läuft, pfeifen die beiden Schweizer nun im August sogar den Final des Männerturniers. Für Arthur Brunner wäre dies der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere.