„Annette, ein Heldinnenepos“ in Darmstadt – Aus dem Leben der Anne Beaumanoir
Darmstadt
„Annette, ein Heldinnenepos“ in Darmstadt – Aus dem Leben der Anne Beaumanoir
„Annette, ein Heldinnenepos“ in Darmstadt: Gabriele Drechsel, Edda Wiersch, Berna Celebi (v.l.). Foto: Sinah Osner
In Darmstadt wird aus Anne Webers „Heldinnenepos“ ein Vortrag mit Bildern.
Einen bebilderten Vortrag beschert Antje Schupp dem Publikum im Darmstädter Staatstheater. Sie geht, so hat es den Anschein, in jene Falle, in die die Schriftstellerin Anne Weber auch hätte geraten können, und lässt sich vom aufregenden Leben Anne Beaumanoirs dazu verführen, möglichst viel von dieser Frau zu berichten. Es klingt seltsam, aber da es Anne Beaumanoir (1923-2022) tatsächlich gegeben hat, ist das zunächst einfach keine Kunst.
Auch Anne Weber sah sich vor dieser Schwierigkeit, die natürlich nur eine ist, wenn man kein Sachbuch schreiben (beziehungsweise keinen bebilderten Vortrag halten) möchte. Sie löste diese Schwierigkeit fabelhaft auf, indem sie eine freie Versform wählte und zu einem Ton fand, der elegant, schwebend und intensiv von Beaumanoir erzählte, und zugleich von einer Frau, die über Beaumanoir nachdenkt (Anne Weber hat sie kennengelernt und sich dann vielfach mit ihr getroffen). Der Ton war ausgesucht und bodenständig zugleich, und äußerst präzise. Formvollendet, ja. „Annette, ein Heldinnenepos“ ist kein Roman, aber Literatur und entsprechend 2020 in Frankfurt den Deutschen Buchpreis. Es gab zu Recht keinerlei Zweifel an der poetisch-erzählerischen Form dieses Buches, das ungewöhnlich ist wie seine Heldin.
In der Bühnenfassung der Regisseurin Schupp bleibt nun lediglich der bodenständige Anteil übrig: der berichtende und der verblüfft über das Berichtete reflektierende Anteil. Dies geschieht nun aber formlos, eine Entscheidung zweifellos, aber sie tut dem Text literarisch nicht gut. Sie tut dem Text nicht gut, wenn man sich für einen Theaterabend zu „Annette, ein Heldinnenepos“ interessiert. Wenn man sich nur (aber was heißt hier: nur) für Anne, genannt Annette, interessiert, ist das völlig in Ordnung.
Wobei gleich ein früher Dreh- und Angelpunkt – Annettes erste, spontane Rettungsaktion für jüdische Flüchtlinge im besetzten Paris – mitnichten die atemberaubende Intensität erreicht, die sie in Weber glasklar durchgefilterten Sätzen hat, zum Beispiel. Aber man erfährt insgesamt vieles über Annette, und wo das Quartett auf der Bühne etwas überspringt, sagen sie es dazu.
Berna Celebi, Gabriele Drechsel, Edda Wiersch und Béla Milan Uhrlau werfen sich Text und Geschichten mit Schmackes zu. Sie haben in Christoph Rufers auf einen nichtbühnenhaften Raum setzenden Ausstattung ein paar Requisiten zur Verfügung, auch ein Fahrrad und sogar ein kleines Auto. Aber ins Spielen kommen sie selten. Zu viel Material, zumal Annettes zweites Leben, das sie zur tätigen – und auf eine schiefe Bahn geratenden – Unterstützerin der algerischen Befreiungsfront FLN machte, auch noch untergebracht werden muss. Von der Reflexion bleibt vor allem das tiefe Erstaunen darüber übrig, wie so viel in ein Leben passen kann. In einen Theaterabend passt es offenbar nicht, obwohl er, mit Pause, fast drei Stunden dauerte.
Die vier werden auf Videoeinspielungen (Ayman Nahle) noch durch Lola Giouse unterstützt, die französisch spricht und einem wie Annette vorkommen muss. Sie sieht ihr auch ähnlich, wenn man von den Fotografien ausgeht. Aber auch sie ist einfach im Hier und Heute unterwegs und blickt uns aus ihren stahlblauen Augen an.
Staatstheater Darmstadt, Kammerspiele: 17., 26. Mai, 14. Juni. www.staatstheater-darmstadt.de