Zum Tod des amerikanischen Malers Frank Stella: Das Objekt im Schwarzen
Maler von komplett schwarzen Gemälden, Rennwagenfetischist, Geometriker, Illusionist: Der Jahrhundertkünstler Frank Stella ist im Alter von 87 Jahren in New York gestorben. Ein Nachruf.
Frank Stella 2016 bei der Eröffnung einer Ausstellung in Warschau.
Man kann sich gut vorstellen, was es für ein Aufsehen gegeben haben muss, als Frank Stella Ende der fünfziger Jahre mit seinen „Black Paintings“ die Bühne der New Yorker Kunstwelt betrat. Es war die Zeit von Jackson Pollocks „Action Painting“, die frühe Zeit der Pop Art und ihres Warenfetischismus’, und dann antwortete hier jemand noch einmal ganz anders auf den Abstrakten Expressionismus, auf die Minimal Art: mit der Nichtfarbe Schwarz, mit strikt geometrischen Formen, mit gleichmäßig symmetrischen Mustern aus schwarzen, immer gleich breiten Streifen, der Absage an eine genaue Unterscheidung von Figur und Grund.
Eine Feier der Oberfläche, auf die man noch heute fasziniert blickt, und nichts darunter, die Form als reine Form, und das berühmteste Beispiel dafür, was Stella mit seinem ebenfalls berühmt gewordenen Ausspruch „Man sieht, was man sieht“ meinte.
Entdeckt von Leo Castelli
Es war der New Yorker Galerist Leo Castelli, der 1959 auf Frank Stella aufmerksam wurde, eben jener Castelli, der auch der Pop Art mit Ausstellungen von Jasper Johns und Robert Rauschenberg entscheidend auf die Sprünge in den Olymp der Kunst half. Castelli vermittelte Stella an die Kuratorin des „Museum of Modern Art“, Dorothy Miller, die vier der schwarzen Gemälde für die Ausstellung „Sixteen Americans“ auswählte. „Frank Stella has found it necessary to paint stripes. There is nothing else in his painting. Frank Stella is not interested in expression or sensitivity. He is interested in the necessities of painting. Symbols are counters passed among“,so schrieb es der ebenfalls kürzlich erst verstorbene Bildhauer Carl André, ein Geistesbruder von Stella, damals in den Ausstellungskatalog.
1936 in Malden/Massachusetts als ältestes von drei Kindern einer abstrakten Künstlerin und eines italoamerikanischen Gynäkologen geboren, gab Stella nach den „Black Paintings“ zunächst weiterhin bevorzugt geometrische Formen, vom gleichschenkligem Kreuz über regelmäßige Sechsecke bis zum Trapez, wandte sich dann aber auch der Farbigkeit zu.
Er selbst erinnerte sich im Nachhinein, Mitte der achtziger Jahre in den Charles Eliot Norton Vorlesungen, an die Eigengesetzlichkeit, mit der er zu Werke ging und an die er damals fest glaubte, nämlich „dass die Verbindung zu einer normalen Sichtweise gekappt werden konnte: Die Malerei wäre dann in der Lage, in einer eigenen Welt weiterzuleben. Ich wollte durch die Malerei eine Unabhängigkeit ausgedrückt sehen, in der sich auf einer anderen Ebene offensichtlich mein Wunsch spiegelte, unabhängig zu sein von der Familie, von den Vorgaben durch Verantwortung und Autorität.“
Ich wollte durch die Malerei eine Unabhängigkeit ausgedrückt sehen, in der sich auf einer anderen Ebene offensichtlich mein Wunsch spiegelte, unabhängig zu sein von der Familie, von den Vorgaben durch Verantwortung und Autorität.
Frank Stella über seine frühe Kunst
In den siebziger und achtziger Jahren entwickelte Stella immer raumgreifendere und farbigere Formen, mithin sein skulpturales Werk in Form von Reliefs. Er begann reine, starke Farben zu benutzen, was ihm ihm hin und wieder auch den Vorwurf einbrachte, eher dekorativ zu sein. Das wiederum störte Stella aber keineswegs: Auch dekorative Kunst kann Kunst sein, es kommt immer darauf an, wie sie gemacht ist.
Ferrari-Besitzer
Unabhängig von den Vorgaben von Verantwortung und Autorität: So hielt es Frank Stella fortan mit der Kunst und auch jenseits davon in seinem Leben. Er war Formel-1-Fan und ein Freund schneller Autos, fuhr selbst einen Ferrari und besaß als Geschwindigkeitsfetischt, als der er sich einmal bezeichnete, auch Rennpferde. 1976 gestaltete er einen BMW zu einem Kunstwerk um, einem BMW, der dann auch beim 24-Stundenrennen von Le Mans gefahren wurde. „Mein Design ist wie eine Blaupause, die auf die Karosserie übertragen wurde“, sagte er seinerzeit. Und auch: „Ich wurde geboren, um zu fahren.“
Ein Lebemann, wie ihn nur die Nachkriegszeit und die sechziger und siebziger Jahre hervorbringen konnten, ein intellektueller überdies. Einen Bruder im Geiste sah er in Heinrich von Kleist, den er auf dem College in Princeton erstmals las und dessen Erzählungen ihn inspirieren sollten. 2001 wurde Stellas monumentale Skulptur „Prinz Friedrich von Homburg, Ein Schauspiel, 3X“ an der Nordost-Seite der National Gallery of Art in Washington, D.C. aufgestellt, 2011 konnte man in der Neuen Nationalgalerie in Berlin seinen mit dem Kollegen Santiago Calatrava entstandenen „Michael Kohlhaas-Vorhang.“ sehen. Auch mit Hermann Melvilles „Moby Dick“ trat er in einen Dialog.
Pragmatischer Klassizist
Bei seiner künstlerischen Arbeit sollte er sich schließlich ab Mitte der achtziger Jahre mehr und mehr als pragmatischer Klassizist verstehen, Mit riesigen, freistehenden Metallskulpturen versuchte er, die Grenzen des dreidimensionalen Reliefs zu überwinden. Das wirkte dann mitunter etwas erratisch. Man denke an die mit viel Ornamenten geschmückten Reliefs der „Indian Bird Series“, die bewusst an die Farben brasilianischer Feste oder indigener Volkskunst erinnern sollten. Oder an die Mitte der achtziger Jahre entstandenen „Cones and Pillars-Reliefs, durchaus ein Höhepunkt seiner spielerisch-experimentellen Kompositionen. Als „bewohnbare Illusionen“ hat Frank Stella seine Körper- und Raumfantasien bezeichnet, so auch die Hudson River Valley-Serie, die im Oktober 1996 im Innenhof der ehemaligen Zeiss-Fabrik in Jena zu sehen waren.
Das Malen ließ er dann ab Beginn des neuen Jahrtausends sein, fortan beschäftigte er sich vor allem mit der architektonischen Umsetzung seiner Werke. Am vergangenen Samstag ist Frank Stella an den Folgen einer Krebserkrankung in seinem Haus in New York gestorben. Er wurde 87 Jahre alt.