Xi in Paris: Härter als das Treffen mit Scholz
Macron, Xi und von der Leyen am Montag vim Elysee-Palast in Paris
Vor dem Empfang mit militärischen Ehren und Truppenrevue am Invalidendom am Montagmittag hat der französische Präsident Emmanuel Macron den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Arbeitsgespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den Elysée-Palast gebeten. „Der Dialog zwischen Europa und China ist notwendiger denn je“, sagte Macron zur Begrüßung.
Anders als beim Staatsbesuch vor fünf Jahren wartet Frankreich nicht mit Prunk und Pracht des Schlosses von Versailles für den Gast aus Peking auf. Das entspricht der neuen Haltung Macrons, der aus einer Position der europäischen Stärke heraus faire Wettbewerbsbedingungen aushandeln will, wie er sagte. Zugleich hat sich der Gastgeber zum Ziel gesetzt, „dass China sich für die Stabilität der internationalen Ordnung einsetzt.“
Der Zeitung „La Tribune“ sagte Macron: „Ob beim Klima oder bei der Sicherheit, wir brauchen die Chinesen. Das Pariser Abkommen wäre ohne eine Vereinbarung zwischen Xi Jinping und Obama nicht möglich gewesen.“ Macron wolle die Vorwürfe gegen chinesische Unternehmen ansprechen, die sich mutmaßlich an russischen Kriegsanstrengungen beteiligen, hieß es in Paris. Die USA haben deswegen bereits Sanktionen gegen chinesische Unternehmen verhängt. In einem Gastbeitrag in der Zeitung „Le Figaro“ schrieb Xi am Montag, China sei weder Partei noch Beteiligter im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Man hoffe auf „Frieden und Stabilität“ in Europa.
Scholz schlug Treffen in Paris aus
Zu dem ersten Gespräch mit Xi am Vormittag hatte Präsident Macron EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu geladen. In Brüssel wurde dies als Fortsetzung ihrer gemeinsamen China-Reise im April vorigen Jahres gesehen. Seinerzeit hatte von der Leyen eine neue China-Strategie präsentiert, die nicht auf Entkoppelung setzt, wohl aber auf die Verminderung von Abhängigkeiten in strategischen Bereichen. Das stand zwar in einer gewissen Spannung zum Auftreten Macrons, der sich von einer großen Wirtschaftsdelegation begleiten ließ, die 18 Kooperationsvereinbarungen mit chinesischen Unternehmen schloss. Doch hält von der Leyen den französischen Präsidenten in der China-Politik für einen engeren Verbündeten als Bundeskanzler Olaf Scholz.
Dessen China-Reise Mitte April war in Brüssel mit Erstaunen verfolgt worden. Zwar weiß niemand, was der Kanzler und Xi hinter verschlossenen Türen besprachen. In seinen öffentlichen Äußerungen hatte Scholz aber für mehr Handel mit China geworben, ohne das Stichwort Risiko-Minderung zu erwähnen. Vertreter der deutschen Automobilkonzerne kritisierten mögliche Sanktionen gegen chinesische E-Auto-Hersteller – weil sie nicht unmittelbare Konkurrenten sind, aber Angst vor Gegenmaßnahmen haben. Scholz hat sich diese Sichtweise zu eigen gemacht, während Macron die Untersuchung der EU-Kommission, ob chinesische Hersteller unzulässige staatliche Subventionen bekommen, mit angestoßen hatte.
Macron hat Scholz zu dem Gespräch mit Xi in den Elysée-Palast eingeladen, was dieser aber mit Verweis auf eine Reise ins Baltikum ausgeschlagen hat. 2019 nahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige EU-Kommissionspräsident an der Unterredung mit Xi teil. Macron sagte, er habe sich bei einem Abendessen mit Scholz am Donnerstag eng abgestimmt. Zugleich offenbarte der Präsident in „La Tribune“ die deutsch-französische Uneinigkeit in der Handelspolitik: „In Europa sind wir uns in dieser Frage nicht einig, da einige Akteure in China immer noch hauptsächlich einen Absatzmarkt sehen. Ich plädiere für ein Aggiornamento (Erneuerung, d. Red.), denn China hat in vielen Bereichen Überkapazitäten aufgebaut und exportiert massiv nach Europa.“
Von der Leyen kündigt harte Entscheidungen an
Auch von der Leyen äußerte sich nach dem Gespräch mit Xi deutlich: „Europa wird sich nicht von harten Entscheidungen abhalten lassen, um seine Wirtschaft und Sicherheit zu schützen.“ Europa könne wettbewerbsverzerrende Praktiken nicht akzeptieren. „Subventionierte Produkte wie E-Autos und Stahl überschwemmen den europäischen Markt.“ Europa sei bereit, seine „Instrumente zur Verteidigung des Handels“ einzusetzen.
In Brüssel deutet viel darauf hin, dass die Kommission noch vor der Sommerpause vorläufige Strafmaßnahmen verhängt, entweder Zölle oder Mengenbeschränkungen. Rechtlich möglich wäre das ab Anfang Juni. Gerade erst teilte die Kommission den drei Herstellern BYD, SAIC und Geely mit, dass sie im Prüfverfahren nicht genug Informationen geliefert hätten. Weitere Verfahren in anderen Branchen könnten folgen. Im Umfeld von der Leyens werden etwa Windenergieanlagen und Wärmepumpen als Beispiele für hochsubventionierte Produkte genannt, die auf den europäischen Markt schwemmen und heimische Erzeugnisse verdrängen. So ähnlich hatte man es vor Jahren schon bei Solarzellen erlebt, aber nicht gehandelt – was inzwischen als strategischer Fehler gilt.
Von der Leyen setzt auf einen toughen Kurs gegenüber Peking. Sie glaubt, dass viele Regierungschefs, auch Scholz, die Effekte billiger chinesischer Überkapazitäten und von Investitionen in strategisch wichtigen Sektoren unterschätzen. Schon vor dem Treffen mit Xi hatte sie klare Signale gesetzt. Kürzlich durchsuchten Beamte zwei Niederlassungen von Nuctech wegen des Verdachts, der chinesische Hersteller von Flughafenscannern habe unzulässige Subventionen bekommen. Außerdem eröffnete Brüssel ein Verfahren wegen des Ausschlusses europäischer Hersteller von Medizintechnik von öffentlichen chinesischen Aufträgen, das zu entsprechenden Gegenmaßnahmen in Europa führen kann.
Macron und Xi reisen in die Pyrenäen
Auch der Krieg in der Ukraine war ein Thema des Gesprächs. China müsse sich weiter anstrengen, „die Lieferung von Gütern mit doppelten Verwendungszweck nach Russland zu verhindern, die ihren Weg auf das Schlachtfeld finden“, sagte von der Leyen anschließend. Auf chinesische Unternehmen entfallen siebzig Prozent der Verdachtsfälle von Sanktionsumgehungen bei kriegswichtigen Gütern.
Ende Dezember hatte von der Leyen Xi in Peking eine Liste mit einem Dutzend Firmen übergeben, die man auf dem Kieker hatte. Doch danach geschah wenig. Im 13. Sanktionspaket, das Ende Februar in Kraft trat, wurden erstmals drei Unternehmen vom Festland auf eine Schwarze Liste gesetzt – sie dürfen nicht mehr von EU-Partnern mit bestimmten Komponenten beliefert werden. Weitere Listungen könnten im 14. Sanktionspaket folgen, das derzeit von Brüssel vorbereitet wird.
Macron sieht die China-Diplomatie als Möglichkeit, europäische Geschlossenheit zu zeigen. „Wir können uns als Macht etablieren“, sagte er. In der französischen Hauptstadt wurde das Viertel um den Elysée-Palast und den Invalidendom mit hohem Polizeiaufwand gesichert, mehrere Metrostationen wurden geschlossen. Die Präsidentengattinnen besuchten gemeinsam das Musée d’Orsay. Am Dienstag reisen die Präsidentenpaare in die Pyrenäen weiter. Macron will dem Besuch eine persönliche Note verleihen, indem er Xi nach in den Luftkurort La Mongie führt, wo seine Großmutter mütterlicherseits herkam. Sie wollen zudem einen berühmten Pass der Tour de France, den Col de Tourmalet, aufsuchen.
In Paris kam es am Wochenende zu Protesten von Tibetern, Uiguren und anderen unterdrückten Minderheiten. Der sozialistische Spitzenkandidat im Europawahlkampf, Raphael Glucksmann, hielt Macron vor, sich Xi anzubiedern, obwohl dies schon bei Putin nicht funktioniert habe. „Die Lehren aus dem Scheitern der Charme-Offensiven gegenüber Wladimir Putin sind nicht gezogen worden“, äußerte Glucksmann. Macron verwies darauf, dass „die Frage der Werte, der Menschenrechte, der Meinungsverschiedenheiten, die man haben kann, eher hinter verschlossenen Türen angesprochen werden.“