«Wir haben in Gaza schon fünf Teammitglieder verloren»

Stephen Cornish ist Generaldirektor der Einsatzzentrale von Ärzte ohne Grenzen in Genf. Im Interview mit 20 Minuten spricht er über Erfahrungen in Krisenregionen und aktuelle Krisen.

Stephen Cornish ist Generaldirektor der Einsatzzentrale von Ärzte ohne Grenzen in Genf. 20 Minuten sprach mit ihm auf dem St. Gallen Symposium.

Herr Cornish, Sie waren selbst für Ärzte ohne Grenzen in Krisengebieten?

Ich war über ein Jahrzehnt lang in vielen Konflikten im Einsatz, von Tschetschenien über Sierra Leone bis Sudan.

Was sind Ihre Erfahrungen?

Wenn Sie wahllose Tötungen sehen, wenn Sie sehen, wie Menschen durch Belagerungstaktiken absichtlich von Hilfe abgeschnitten werden, was ich zum Beispiel in Afghanistan, der Ukraine, Syrien und anderen Orten gesehen habe, dann ist das wirklich hart.

Wo ist Ärzte ohne Grenzen derzeit am aktivsten?

Ärzte ohne Grenzen ist in vielen Regionen der Welt aktiv, unter anderem im Sudan und in Tschad. Das ist ein Konflikt, der oft vergessen wird: Sieben Millionen sind dort heimatvertrieben und zwei Millionen sind in umliegende Länder geflohen.

Wie sieht es aus mit dem Krieg in der Ukraine und dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern?

Natürlich sind wir in vielen Regionen in der Welt aktiv und setzen auch dort unsere Hilfe fort. Wir unterstützen zum Beispiel das Gesundheitsministerium in der Ukraine.

Auf der russischen Seite gibt es keinen grossen Willen, unabhängige und neutrale Hilfsorganisationen überall hinkommen zu lassen. Wir leisten aber auch dort über Partner vor Ort Hilfe.

In Gaza haben wir Teams, die unter sehr schwierigen Bedingungen versuchen, Hilfe zu leisten. Und das in einer Situation, die viel mehr politischen Willen erfordert, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung die grundlegenden Dinge des Lebens von Nahrung bis medizinischer Versorgung auf würdige Weise erhält.

Bei Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten, ist das nicht gefährlich?

In Krisenregionen zu gehen, ist nicht ohne Risiko. In Gaza haben wir in den letzten sechs Monaten fünf Mitglieder unserer medizinischen Teams verloren, viele haben auch Familienmitglieder verloren. Und das in einer Situation, in der Zivilisten ausserhalb des Konflikts und geschützt sein sollten. Beim Konflikt in einem städtischen Umfeld mit sehr schwerer Munition scheint es leider an Präzision zu fehlen, sodass viele Zivilisten getroffen werden.

Beim Konflikt in einem städtischen Umfeld mit sehr schwerer Munition scheint es leider an Präzision zu fehlen, sodass viele Zivilisten getroffen werden.

Sind denn allen Menschen, die bei Ihnen arbeiten, die Risken klar?

Wir sind sehr transparent und offen gegenüber Menschen, die zu uns kommen. Wir stellen immer sicher, dass unsere Mitarbeiter sich des Risikos bewusst sind und ihr Einverständnis geben für den Einsatz. Aber das Wichtigste ist: Wir tun alles, was möglich ist, um unsere Mitarbeiter zu unterstützen und das Risiko zu minimieren.

Kann denn ein Einsatz in einem Krisengebiet auch Risiken für die psychische Gesundheit haben?

Wir kümmern uns um die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter, um Stress zu reduzieren. Wir haben auch spezialisierte psychologische Teams, die eingreifen, wann immer es ein schwieriges Ereignis oder einen traumatischen Moment gibt. Wenn es etwa einen Angriff auf eine unserer Einrichtungen gibt oder wenn jemand entführt wurde, dann schicken wir Fachleute, um eine Nachbesprechung mit unserem Personal durchzuführen.

Es gibt den Vorwurf, dass Ärzte ohne Grenzen nicht immer ganz neutral ist, was sagen Sie dazu?

Wir versuchen immer, unsere Hilfe auf beide Seiten des Konflikts zu bringen. Wir sehen einen Menschen in Not, keine Nationalität, keine Ethnie. Wir sind nicht im Einsatz, um Regierungen zu unterstützen, sondern die Bevölkerung. Allgemein arbeiten wir in Partnerschaft mit dem Gesundheitsministerium, wenn wir können. Wenn nicht, dann arbeiten wir meist dort, wo die Regierung nicht eingreifen kann oder nicht die Mittel dafür hat.

Wie sehen Sie die derzeitige Situation des Asylsystems?

In der Frage des Asylrechts und der Migration verschieben die EU und auch die Schweiz ihre Grenzen und zahlen sehr grosse Geldsummen, um mit nicht immer den angesehensten Akteuren zusammenzuarbeiten und wollen so Migration begrenzen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es sehr wenige legale Wege gibt, um nach Europa zu migrieren, und nicht genug Würde und Begleitung für diejenigen, die ein Recht auf Asyl haben und es in Europa beantragen.

Es gibt zum Beispiel die Blaue Karte der EU und ähnliche Möglichkeiten in der Schweiz. Legale Migrationswege nach Europa existieren also, diese sind jedoch selbstverständlich an Kriterien geknüpft.

Wenn Sie heute in eines der Flüchtlingslager im Tschad gehen würden, dann würden Sie sehen, dass es dort keinen Weg gibt, wie einer dieser Menschen Asyl beantragen könnte, um in die EU oder in die Schweiz zu gelangen.

Ist es denn wirklich fair, dass heutzutage Schlepper in Nordafrika entscheiden, wer genug Geld zahlt, um nach Europa zu kommen?

Nein, es gibt derzeit absolut keine Fairness. Sie werden die Menschen allerdings nicht davon abhalten, ein besseres Leben zu suchen.

Australien hat beispielsweise Massnahmen zur Verhinderung irregulärer Migration ergriffen und war damit sehr erfolgreich, konnte die Zahlen auf nahezu null drücken. Wie bewerten Sie das?

Aber nur weil es internationales humanitäres Recht gebrochen hat und den Willen der Menschen gebrochen hat, bereit war, Menschen hoffnungslos einzusperren. Das ist gegen internationales humanitäres Recht, gegen Moral und unmenschlich.

Viele Menschen haben in Europa das Gefühl, dass bereits heute zu viele Asylbewerber und Migranten aufgenommen werden.

Wenn wir uns Länder ansehen, die Flüchtlinge aufnehmen, wie Tschad von dem ich bereits erzählte, gibt es dort 600’000 geflohene Menschen in einem Gebiet, in dem die örtliche Bevölkerung etwa 60’000 beträgt. Wenn wir also wollen, dass sie dort bleiben, müssten wir zumindest Tschad und die UN-Organisationen, die dort arbeiten, mit Hilfsgeldern unterstützen.

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