Wie viele Steaks verträgt die Demokratie? Debatte Richter vs. Kaube

wie viele steaks verträgt die demokratie? debatte richter vs. kaube

Blick aus der Außenkabine des Kreuzfahrtschiffs Vasco da Gama

Beginnen wir dort, wo Hedwig Richter beginnt. Sie spricht von einem Ad-hominem-Angriff auf sie, der aus tiefer Resignation hämisch bei „den Kreuzfahrten seiner Mitmenschen“ lande. Zu viel Psychologie. Es geht um einen Satz, der erwähnte, dass in den sozialen Medien an ältere Tweets von ihr erinnert wurde, in denen sie vergnügt von einer Kreuzfahrt zwischen Hongkong und Singapur berichtet hat. Mein Punkt: Das fällt einem auf die Füße, wenn man gleichzeitig den Autofahrern und Nichtveganern mit erhobener Stimme verantwortungsloses Verhalten vorhält.

Weshalb Richter das hämisch findet, erschließt sich nicht, denn es beruht auf einer Rechnung. Je nach Schätzung verursacht eine Kreuzfahrt auf Richters Strecke einen Ausstoß zwischen einer und 1,9 Tonnen Kohlendioxid pro Passagier. Hinzu kommen die Flüge, um ins Südchinesische Meer und wieder zurückzugelangen. Sie bringen es auf etwa 2,3 Tonnen CO2-Emission pro Kopf. Der durchschnittliche Konsum von Fleisch, gewichtet nach den Tierarten, kommt in Deutschland inzwischen auf eine jährliche Emission von knapp 300 Kilogramm CO2. Für jene Kreuzfahrt hätte sie also etwa zehn Jahre lang Fleisch essen können.

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Lassen sich die Deutschen ihr Steak ausreden?

Dies nur, um die Verhältnisse darzustellen. Richters Entgegnung „Am besten weder Kreuzfahrt noch Fleisch“ liegt auf der Hand. Sie schreibt, die Kreuzfahrt habe sie angetreten, „bevor mir klar wurde, wie krass wir unsere Zivilisation zerstören“. Im Jahr 2019 war sie Mitte vierzig, das Pariser Abkommen war seit drei Jahren in Kraft. Jetzt spricht sie davon, die Bürger sollten von der Politik als Erwachsene behandelt werden. Recht hat sie, aber es wäre auch ganz schön, wenn die erwachsenen Bürger untereinander nicht versuchten, sich für dumm zu verkaufen.

Polemik und Pathos fürs Podium

Anders formuliert: Es ist ein Merkmal der ökologischen Diskussion, dass manches Wort von einem hohen Ross geschwungen wird, auf dem aber gar niemand sitzt. Für den eigenen Konsum finden sich immer Ausreden. Bei sich selbst ist es stets etwas anderes: ein Nichtwissen, eine akute Notwendigkeit (Flüge nach Dubai zur Klimakonferenz, zu Vorträgen im Ausland, Dienstreisen), ein Noch-nicht-gelernt-Haben, eine Verlockung. Die anderen hingegen frönen der Freiheit des „Suppenkaspers“, der allerdings verhungert ist und sich nicht überfressen hat.

Hedwig Richter überschätzt sich also, wenn sie einen „persönlichen Entlarvungseifer“ unterstellt. Bei drei Millionen Deutschen, die jährlich eine Hochseekreuzfahrt machen, fällt sie selbst gar nicht ins Gewicht. Sie unterschätzt hingegen, dass dasselbe für die Insassen der Steakhäuser gilt, denen man dann auch nicht persönlich kommen sollte. Umso weniger, wenn es sich mit den Zahlen so wie dargestellt verhält. Eine ökologisch bewusste Landwirtschaftspolitik hat zu viele konkrete Aufgaben, als dass es sich lohnen würde, den Konsumenten vorzuhalten, ihre Vernunft wackele, sie seien schlechte Kantianer und eigentlich keine Demokraten. Denn das ist nur eine pathetische Geste für Podien.

Richters Mitstreiter, Bernd Ulrich, hat gerade einen kurzen Text über den sich ausweitenden Widerstand in vielen Hafenstädten geschrieben, die von Kreuzfahrtschiffen frequentiert werden. Darin verkörpert sich viel mehr politischer Verstand als in Richters abstrakter Polemik gegen das „kollektive Unterbewusste“ und die von ihr erfundene „Weiter-so-Bürgerlichkeit“ ihrer Kontrahenten.

Selbstgenießerische Radikalität

Vor allem ist solch ein Widerstand dagegen, die externen Effekte des Tourismus ausbaden zu müssen, viel sinnvoller, als es die von Richter beschworenen autofreien Sonntage von 1973 waren. Einerseits schreibt sie, es sei damals gar nicht um die Drosselung des Verbrauchs, sondern um „ein Signal“ gegangen. Andererseits stellt sie das Signal etwas merkwürdig dar: Das Ziel sei nicht gewesen, Energie einzusparen, sondern der Bevölkerung mitzuteilen, sie solle auf den Energieverbrauch achten. Was beides unterscheidet, ist nicht leicht herauszufinden. Aber Richter benötigt eine solche wolkige Formulierung, um den Tatbestand zu umgehen, dass die autofreien Sonntage in puncto Energieverbrauch kaum eine Wirkung hatten. Für Richter desto mehr eine symbolische. Der Staat habe die Bürger als Erwachsene behandelt, die Bürger hätten sich als Mitglieder einer Republik gefühlt.

Zugegeben, das Fahrradfahren auf den leeren Straßen war vergnüglich, die Stille auch. Ökologisch hat die Sache aber nichts gebracht und wurde von der Bevölkerung auch gar nicht ökologisch aufgefasst. Das sind Erfindungen. Als Hedwig Richter jüngst die Besprühung des Brandenburger Tores durch die „Letzte Generation“ als seine bestmögliche Nutzung bezeichnete, gab sie sich auf ähnliche Weise dem Genuss an einer symbolischen Aktion hin. Sie fragt nicht nach Wirkungen in der ökologischen Sache, sondern nur nach den melodramatischen Effekten. Was darauf gemünzt war, den Akteuren Medienauftritte zu sichern, hält sie für einen politischen Erfolg, ohne dass sich ein Jota in der Klimapolitik durch ein Denkmal geändert hätte, das nun gereinigt werden muss.

Blumige Worte für die Demokratie

Schlimmer noch: Die Anstrengungen der Grünen werden durch solche Aktionen als radikales Spinnertum diskreditiert. Hedwig Richter freilich genießt Worte wie „radikal“ und „Revolution“, weil die Lage dramatisch ist. Dass sie für ihre Revolution Mehrheiten finden muss, die sie aber durch Beschimpfungen des „kollektiven Unterbewussten“ nicht finden wird, beschäftigt sie weniger. Kommen wir darum zur Kernpunkt von Richters Argument, zur Demokratie. Für diese Staatsform findet sie blumige Worte, die Festreden entstammen. Die Demokratie ist für sie kein Verfahren, um politische Ämter zu besetzen, keine Form, Machtausübung zu organisieren, sondern ist von der Hoffnung auf menschliche Autonomie bestimmt.

Dass sukzessive erst alle Männer unabhängig vom Einkommen, dann die Frauen, dann die Jugendlichen mit 18, schließlich zumindest kommunal die Ausländer ein Wahlrecht erhalten haben, ist für sie keine Verbreiterung der Legitimität von Mehrheitsentscheidungen, sondern Ausdruck demokratischer Partizipation und Menschenwürde. Richter hält, mit anderen Worten, das Vokabular, mit dem das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt wurde, zugleich für geeignet, seine Funktionsweise zu analysieren.

Die Menschen sind also wirkmächtig. Doch welche Wirkungen werden durch Wahlen herbeigeführt? Weder bekundet sich in ihnen ein Volkswille, gar Vernunft, noch bekommen die Wähler, was ihnen die Parteien zuvor versprochen haben, noch bekommen sie überhaupt die Regierung, die sie vielleicht haben wollten. Die Ampelkoalition als Ausdruck des Wählerwillens zu beschreiben, wäre merkwürdig. Und doch delegitimiert das keine Regierung. Die Wahlen haben nur nicht die Funktion der Willensübertragung.

Ihre Leistung, zu Mehrheiten zu führen, kann Hedwig Richter nicht genügen. Für sie müssen die Mehrheiten auch die richtigen Entscheidungen treffen, von denen sie weiß, welche es sind. Auf die Unterscheidung von Regierung und Opposition will sie sich nicht verlassen, denn es ist für sie nachvollziehbarerweise keine Opposition in Sicht, die falsche ökologische Politik rückgängig machen würde. Bislang – auch 1973 und danach, auch unter Rot-Grün! – wurde zu wenig gemacht und zu langsam agiert. Also gehe es nun darum, „die Menschen zu überzeugen“. Wer sich nicht überzeugen lässt, erhält Attribute wie unbürgerlich, undemokratisch, unanständig, wird also semantisch ausgebürgert. Wer skeptisch ist, was vernünftige Mehrheiten angeht, wird als resignativ bezeichnet. Wer sein Auto nicht verkauft, kann seinen – oder wie Richter schreibt: „den“ Kindern – nicht mehr in die Augen schauen.

Richters Imperativ: Handle so, dass die Maxime deines Handelns zu einem Gesetz werden kann, das dem krisenfreien Bestehen der Menschheit förderlich ist. Richter hält das für eine Sympathieerklärung an die Demokratie. Dass ein allgemeines Verzehrverbot für Fleisch, das ihrem privaten Verzicht entspräche, Mehrheiten finden kann, mag sie glauben. Als ließen sich die Leute das Fleisch ausreden. Als läge das Problem überhaupt beim Fleisch. Als liefe alles am Ende nicht doch auf Verbote hinaus. Richter bejaht sie, was ihr gutes Recht ist, beschimpft aber alle, die ihr nicht folgen, und nennt die Mehrheiten, die es nicht anordnen, allen Ernstes undemokratisch. Kompromisse scheint es für sie nicht zu geben. Versteht sich, denn für sie wackelt ihre eigene Vernunft ja nicht.

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