Wer ein unmoralisches Leben geführt hat, den verschlingt die Fresserin

Das altägyptische Totenbuch erzählt von der gefährlichen Reise ins Reich der Toten – es beeinflusste auch die Jenseitsvorstellungen des Christentums.

wer ein unmoralisches leben geführt hat, den verschlingt die fresserin

Noch immer geben uns die Pyramiden viele Rätsel auf – das Totenbuch gibt Einblick in die Mythologie der alten Ägypter.

Die Pyramiden haben uns noch längst nicht all ihre Geheimnisse offenbart. Erst vor wenigen Monaten machte die Entdeckung einer Kammer in der Cheopspyramide Schlagzeilen. 4500 Jahre lang hatte den mindestens fünf Meter langen Raum niemand entdeckt. Und vermutlich gibt es noch viele solche verborgenen Kammern. Wer den Jenseitsglauben und die Mythologie der alten Ägypter verstehen möchte, der bekommt mit dem sogenannten Totenbuch wertvolle Einblicke. Auch das Totenbuch ist über 4000 Jahre alt, jetzt ist ein neuer Forschungsband dazu erschienen. Beeinflusst hat der ägyptische Jenseitsglaube sogar das viel später entstandene Christentum.

Das ägyptische Totenbuch ist eine uralte Sammlung von Zaubersprüchen und religiösen Texten. Seine Ursprünge reichen bis ins 24. Jahrhundert v. Chr. zurück. Auf den Wänden der Grabkammern in den Pyramiden standen damals Sprüche geschrieben, die den Königen die Reise ins Jenseits erleichtern sollten. Was bei den Königen begann, entwickelte sich zu einer Praxis, die sich ab rund 2000 v. Chr. auch bei grösseren Teilen der altägyptischen Elite durchsetzte. Sie liessen diese Sprüche auf ihre Särge, auf Leinen und auf Papyri schreiben.

Die Zaubersprüche sollten nicht nur die Reise ins Jenseits, sondern auch das Leben dort und das Streben nach Unsterblichkeit ermöglichen.

«Das Totenbuch ist ein sehr wichtiges Zeugnis für die altägyptische Mythologie», sagt Martin Stadler, Professor für Ägyptologie an der Universität Würzburg und Mitherausgeber des neuen Forschungsbandes. Die Zaubersprüche sollten nicht nur die Reise ins Jenseits, sondern auch das Leben dort und das Streben nach Unsterblichkeit ermöglichen.

Der Gott Osiris regiert in der ägyptischen Mythologie über die Unterwelt. Osiris, als Gott einst für das Leben und die Fruchtbarkeit zuständig, wurde von seinem Bruder Seth aus Neid hinterhältig ermordet. Osiris’ Schwester und Ehefrau Isis gelang es, Osiris ins Leben zurückzuholen und einen Sohn mit ihm zu zeugen. Doch die Auferstehung war nicht von Dauer, und Osiris wurde zum Herrscher der Unterwelt.

Der Weg in die Unterwelt war voller Gefahren

Eine entscheidende Rolle für die Reise ins Jenseits spielte ein intakter Körper. Auch aus diesem Grund war die Mumifizierung der Verstorbenen wichtig. Allerdings gab es auch Zaubersprüche, die Toten halfen, deren Körper nicht mehr ganz so vollständig waren. Verschiedene Sprüche ermöglichten es zudem, sich zwischenzeitlich in einen Falken, einen Reiher oder ein Krokodil zu verwandeln, sollte das die Reise erleichtern.

Denn die Reise ins Jenseits war sehr gefährlich. «Die Sprüche erzählen uns nicht direkt, wie sie ablief. Doch es lässt sich einiges aus ihnen ableiten», sagt Stadler. Der Verstorbene musste sich einen Weg durch jenes Reich bahnen, durch das auch die Sonne in der Vorstellung der alten Ägypter bei Nacht reiste. Die Menschen stellten sich die Erde damals als Scheibe vor. Wenn die Sonne abends im Westen versank, musste sie unter der Scheibe hindurchreisen, um am nächsten Morgen im Osten wieder aufgehen zu können.

Das Herz war im Verständnis der alten Ägypter das wichtigste Organ und auch Sitz des Denkens.

In dieser nächtlichen Welt wartete allerlei Schreckliches. Der Verstorbene musste seinen Weg durch Tore, Höhlen und Feuergruben finden. Dort lauerten nicht nur Dämonen, sondern auch Schlächter, Jäger oder Kobras. Zähmen liessen sich diese unheimlichen Kreaturen, wenn man den richtigen Zauberspruch aufsagen konnte. Dann waren sie manchmal sogar hilfsbereit.

Knapp 200 Texte sind aus dem Totenbuch bis heute überliefert. Einer der bekanntesten ist Kapitel 125: Wer den Weg durch das Reich der Dämonen erfolgreich hinter sich gebracht hatte, der klopfte an die Pforte der Unterwelt. Dort wartete eine weitere Prüfung in der Halle der Göttin Ma’at. Der Gott Osiris und 42 weitere Gottheiten testeten den moralischen Charakter des Verstorbenen. Wer um Einlass bat, der musste ein Bekenntnis ablegen, wonach er 42 Sünden nicht begangen habe.

wer ein unmoralisches leben geführt hat, den verschlingt die fresserin

Der «Papyrus von Ani» zeigt den entscheidenden Moment, wenn das Herz des Verstorbenen auf der Waage liegt – zu sehen ist er heute im British Museum in London.

Und dann folgte der alles entscheidende Moment, der sich mit «Wehe, dein Herz ist zu schwer» zusammenfassen lässt. Das Herz war im Verständnis der alten Ägypter das wichtigste Organ und auch Sitz des Denkens. Das Herz des Verstorbenen wurde auf eine besondere Waage gelegt. Als Gegengewicht diente die Feder der Wahrheit. War das Herz nicht schwerer als die Feder, so hatte der Verstorbene ein moralisch reines Leben geführt und auch vor den Pforten der Unterwelt nicht gelogen. Ihm stand die Tür zum ewigen Leben offen.

«Es wäre falsch, das Totenbuch mit der Bibel zu vergleichen. Es war kein kanonisches Werk, sondern die Sprüche veränderten sich über die Jahrhunderte.»

Zog das Herz die Feder auf der Waage jedoch nach oben, so drohte seinem Besitzer die endgültige Auslöschung. Er wurde von der Fresserin verschlungen, einem Wesen, halb Nilpferd, halb Löwe, mit dem Maul eines Krokodils. Abgebildet ist diese Szene beispielsweise auf dem «Papyrus von Ani», der heute im British Museum ausgestellt ist.

Zu kaufen gab es die Totenbücher in vorgefertigten Versionen in Werkstätten. Möglich war es dann auch, die Texte zu personalisieren. Zudem wandelte sich das Totenbuch mit der Zeit. «Es wäre falsch, das Totenbuch mit der Bibel zu vergleichen», sagt Stadler, «es war kein kanonisches Werk, sondern die Sprüche veränderten sich über die Jahrhunderte.»

3000 Jahre lang existierte das Reich der alten Ägypter

Die Mythologie spielte im alltäglichen Leben der Menschen damals eine wichtige Rolle. Wer krank war, der ging in den Tempel oder zu Heilern mit magischen Kräften. Sie wandten teilweise die gleichen Sprüche an, die später auch im Jenseits wichtig waren. So hiess es manchmal beispielsweise am Schluss eines Spruchs im Totenbuch, «ein wahres Mittel, millionenfach erprobt».

Die Vorstellungen, welchen Zustand die Verstorbenen anstrebten, veränderten sich über die Jahrhunderte. Während es anfänglich das Ziel war, mit dem Sonnengott in seiner Barke zu reisen, galt es später als erstrebenswert, Osiris in der Unterwelt möglichst nahe zu sein.

Nicht immer, aber häufig sind Jenseitsvorstellungen mit Moralvorstellungen verknüpft.

Erstaunlich ist dieser Wandel nicht, wenn man bedenkt, über welche lange, für uns heute unvorstellbar lange, Zeitspanne das Reich der alten Ägypter existierte. Von den frühen Dynastien bis zum Tod Kleopatras im Jahr 30 v. Chr. verstrichen rund 3000 Jahre.

Auch die heute noch bekannten Bauwerke stammen aus unterschiedlichen Epochen. Die Pyramiden von Gizeh, mit der Cheopspyramide, erbauten die Ägypter um das Jahr 2500 v. Chr. Auch die nahe gelegene Sphinx stammt aus dieser Zeit. Die Gräber im Tal der Könige, unter ihnen das bekannteste von Tutenchamun, entstanden zwischen dem 16. und 11. vorchristlichen Jahrhundert.

Jenseitsvorstellungen gibt es in vielen Glaubenssystemen. Nicht immer, aber häufig sind sie mit Moralvorstellungen verknüpft. Nur wer sich zu Lebzeiten an die moralischen Regeln einer Gesellschaft gehalten hat, der erreicht nach dem Tod den jeweiligen Idealzustand. Andernfalls drohen – wie im Fall der altägyptischen Fresserin – oftmals drakonische Strafen.

Auch James Joyce liess sich vom Totenbuch inspirieren

So manches aus dem Totenbuch mag Menschen, die in einer christlich geprägten Kultur aufgewachsen sind, bekannt vorkommen. Tatsächlich findet man manche Elemente des altägyptischen Jenseitsglaubens auch im viel später entstandenen Christentum. Erstaunlich ist das aufgrund der geografischen Nähe nicht.

«Es gibt zahlreiche Kontinuitäten zwischen der altägyptischen und der christlichen Religion», sagt Christoph Uehlinger, Professor für historische und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Zürich. Die Szene des Wägens des Herzens vor den Toren der Unterwelt habe beispielsweise in der «mittelalterlichen Vorstellung des Wägens der Seele im Christentum Resonanz gefunden». Auch die grosse Fresserin lasse sich mit dem «Höllenrachemonster der mittelalterlichen Darstellungen» vergleichen. «Dieses prominente Beispiel könnte man durch viele andere ergänzen: den Gedanken der Rechtfertigung und Bilanzierung des Lebens und den Vorstellungen eines Jenseits.» Neben Ähnlichkeiten gebe es aber auch namhafte Unterschiede, die Rezeption und Transformation der altägyptischen Mythologie sei selektiv geschehen.

Die Wirkung des Totenbuchs hallt bis in die moderne Zeit nach. Auch der irische Autor James Joyce (1882–1941) bezog sich in seinem Roman «Finnegans Wake», einem seiner schwierigsten Bücher, auf das Totenbuch. «Es ist Joyces irische Version des Totenbuchs, und man weiss, dass er die ägyptischen Texte als Quellen nutzte», schreibt der Ägyptologe Aris Legowski von der Universität Bonn im neuen Forschungsband. Joyces Roman nimmt Bezug auf ein Lied, das vom Iren Tim Finnegan erzählt. Finnegan stürzt von einer Leiter, stirbt und wacht während der Totenwache wieder auf, als Whisky über ihn geleert wird. «Dann verwandelt sich die Geschichte in eine Reise zwischen den Welten des Lebens und des Todes.»

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