Was ein junger S-Pedelec-Fahrer mit Autofahrern erlebt
„Ich bin wie ein unbekanntes Wesen“
Was ein junger S-Pedelec-Fahrer mit Autofahrern erlebt
Die schnellen S-Pedelecs benötigen ein Versicherungskennzeichen. Damit ist ihre Power dann auch von außen ein wenig besser zu erkennen.
Ein S-Pedelec-Fahrer berichtet von seinen Erfahrungen im Straßenverkehr. Viele Autofahrer wissen nicht, dass er die Fahrbahn benutzen muss und reagieren gereizt.
Oberallgäu – Eigentlich sehen Simon B. (Name von der Redaktion geändert) und sein motorunterstütztes Fahrrad aus wie ein ganz normales E-Bike-Gespann. Auf den ersten Blick nichts Auffälliges, Helm, Motor, Gepäckträger, alles wie gewohnt. Erst wenn der Student mit seiner Maschine vorbeizieht, ist es zu sehen: das kleine Versicherungskennzeichen am hinteren Schutzblech. „Ich fahre ein S-Pedelec“, sagt Simon grinsend, „für viele Allgäuer Autofahrer ein unbekanntes Wesen“. Und das macht ihm das Leben auf der Straße schwer.
S wie „Speed“, also Geschwindigkeit. Auf bis zu 45 Kilometer pro Stunde beschleunigt Simons Motor, da bleibt manchem Automobilisten der Mund offen stehen. „In Bayern darf ich keine Radwege benutzen, muss auf der Straße fahren.“ Das stößt bei Lenkern PS-starker Automobile ganz offensichtlich auf Unverständnis und provoziert Drohgebärden, unflätige Worte und gefährliche Überholsituationen: „Was willst du Radfahrer auf der Straße?!“, wird der 20-Jährige angeschrieen. „Scher dich weg, da drüben ist der Radweg!“ oder einfach „Hau ab mit dei‘m Radl!“ „Sie hupen und gestikulieren, kriegen rote Köpfe, überholen mich denkbar knapp“, berichtet der Student, der seit einem Jahr mit dem S-Pedelec unterwegs ist. Bis zu 22 Kilometer fährt er von zu Hause zur Ausbildungsstätte.
Wenn ein Radweg da ist, gibt‘s Probleme
Pedaliert er auf Landstraßen dahin, kommt es selten zu den beschriebenen Vorkommnissen: „Los geht’s, wenn parallel zur Straße ein Radweg verläuft, dann drehen viele Autofahrer regelrecht durch.“ Doch Simon und sein S-Pedelec dürfen die Straße nicht verlassen. Per definitionem gilt es als Kleinkraftrad, muss Betriebserlaubnis und Zulassung haben, darf nur mit Führerschein, Versicherungskennzeichen und Helm gefahren werden. „Wenn ich an der Ampel neben einem gestikulierenden und schimpfenden Autofahrer stehe, versuche ich meine besondere Situation zu erklären“, berichtet Simon, „die meisten kapieren es dann.“ Und manche entschuldigen sich sogar bei ihm …
Simon ist nicht glücklich, als unbekanntes Wesen unterwegs sein zu müssen: „Es gibt ja kaum S-Pedelecs bei uns, die Vorschriften dafür sind den Leuten nicht geläufig.“ Auf die manchmal unschönen Situationen könnte er gern verzichten: „Mehr Informationen über S-Pedelecs wären für die Öffentlichkeit bestimmt hilfreich“, sagt der Student. Vonseiten der Kemptener Polizei heißt es: „Er verhält sich als S-Pedelec-Fahrer absolut richtig.“ In zwei anderen Bundesländern dürfte er mit seinem schnellen Bike auch Radwege benutzen – in NRW und Baden-Württemberg geht das, wenn diese Wege breit genug sind. Auch die Schweizer erlauben das seit 2012 – seitdem fahren immer mehr Eidgenossen mit den schnellen Fahrrädern. In Deutschland spielen S-Pedelecs noch eine untergeordnete Rolle: 2022 sind nur etwa 11.000 Stück verkauft worden.
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