Volocopter und Lilium: mit German Mut gegen den Absturz – der Newsletter manage:mobility

Wie Volocopter und Lilium ums Überleben kämpfen, wie der Zulieferer Kiekert mit mehr Produktion in Deutschland die Wende schaffen will und warum Mercedes und Volkswagen schwach ins Jahr 2024 gestartet sind – das und mehr erfahren Sie in der neuen Ausgabe von „manage:mobility“.

Volocopter und Lilium: mit German Mut gegen den Absturz – der Newsletter manage:mobility

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie haben es in unserer letzten Ausgabe gelesen, ich war in der vergangenen Woche rund um die Automesse in Peking unterwegs. Mit meinen Eindrücken könnte ich den Newsletter füllen, und ganz besonders aufgefallen ist mir ein Auto-Enthusiasmus, wie man sich ihn bei uns nicht mehr vorstellen kann. Das Gewusel in den Pekinger Messehallen, die unzähligen Influencerinnen und Contentcreator, der Starkult um die chinesischen Autobosse – irre.

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In Deutschland kommen auf 1000 Menschen etwa 580 Fahrzeuge, in den USA sind es gar 800. In China? 180. Das Potenzial dort ist nach wie vor riesig; die deutschen Autohersteller mögen dieses Zahlenspiel schon seit vielen Jahren. Aber wer in China vorn bleiben will, braucht andere Strategien als in gesättigten Märkten, das habe ich in Peking noch einmal eindrucksvoll erfahren.

Wo all die zusätzlichen Autos allerdings hin sollen, bleibt schleierhaft: Für die 20 Kilometer vom Messegelände zum Hotel haben wir am vergangenen Donnerstag knapp zwei Stunden gebraucht. Der ganz normale Stau, versicherte man mir.

Flugtaxis könnten da helfen, auch in China. Für die deutschen Start-ups, die mit ihren Kurzstreckenfliegern ganz vorn dabei sein wollen, wird die Luft allerdings dünn. Das zeigt eines unserer Themen der Woche:

Wie Volocopter und Lilium ums Überleben kämpfen

Wie der Zulieferer Kiekert mit mehr Produktion in Deutschland die Wende schaffen will

Warum Mercedes und Volkswagen schwach ins Jahr 2024 gestartet sind

Topthema: Wie Volocopter und Lilium ums Überleben kämpfen

Zwei deutsche Start-ups wollen den Traum vom elektrischen Fliegen verwirklichen. Nach Jahren der großen Versprechen hatten Volocopter und Lilium zuletzt mehr Ernsthaftigkeit entwickelt. Die Gründer wurden durch Luftfahrt-Veteranen ersetzt, Klaus Roewe (59, Lilium) und Dirk Hoke (55, Volocopter) brachten jahrelange Airbus-Erfahrung mit. Die Technik scheint zu funktionieren, und zuletzt hofften die Firmen auch auf staatliche Fördergelder. Doch der Plan droht im politischen Hickhack keine Startfreigabe zu bekommen. Volocopter-Chef Hoke warnt deshalb schon vor einer Insolvenz. Mein Kollege Michael Machatschke hat sich in die „Flugtaxi“-Welt eingecheckt und beschreibt, wie die deutschen Flugpioniere ums Überleben kämpfen.

Köpfe: Jérôme Debreu ++ Rebecca Tinucci ++ Renata Jungo Brüngger ++ Olaf Schick

Ums Überleben ging es vor wenigen Jahren auch bei Kiekert. Ein 166 Jahre alter Autozulieferer aus Heiligenhaus im Bergischen Land, bekannt für Schließsysteme. 2020 drohte das Aus. Dann übernahm mit Jérôme Debreu (49) ein Manager, der durch die Schule des verstorbenen Knorr-Bremse-Patriarchen Heinz Hermann Thiele gegangen war. Während andere Industrieunternehmen Werke aus Deutschland abziehen, holt der Franzose Produktion in die Heimat zurück. Ist der Mann verrückt geworden?

Als ein entscheidender Faktor für Teslas Aufstieg gilt das Supercharger-Ladenetz. Wie es damit weitergeht, scheint unklar. Die für die Supercharger zuständige Managerin Rebecca Tinucci wurde offenbar gefeuert, ihr Team muss wohl ebenfalls gehen. Ihre Jobs los sind auch Daniel Ho und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verantwortlich für neue Produkte. Man müsse „bei der Zahl der Mitarbeiter und bei den Kosten absolut hart sein“, schreibt Elon Musk (52) in einer Mail.

Eine Sorge weniger hat Mercedes-Rechtsvorständin Renata Jungo Brüngger (62). Acht Jahre ermittelten US-Behörden gegen den schwäbischen Autobauer wegen möglicher Verstöße gegen Abgasregeln. Nun ist klar: Mercedes hat strafrechtlich nichts mehr zu befürchten.

Continental muss dagegen Abgasbußgeld zahlen. Nicht in den USA, in Hannover. Die dortige Staatsanwaltschaft verdonnerte den Zulieferer wegen einer „fahrlässigen Verletzung der Aufsichtspflicht“ zu 100 Millionen Euro Geldstrafe. Rechtsvorstand Olaf Schick (51) will die Strafe akzeptieren.

Unternehmen: Mercedes ++ Volkswagen ++ BYD ++ Stellantis ++ Tesla ++ Vitesco

Absatz, Umsatz, Gewinn – alles rückläufig. Mercedes und Volkswagen sind schwach ins Jahr 2024 gestartet, ähnlich Porsche. Die Finanzchefs Harald Wilhelm (58, Mercedes) und Arno Antlitz (54, Volkswagen) beruhigen, das werde schon wieder besser im weiteren Jahresverlauf. Insbesondere die Elektroautos verkaufen sich schlecht. Volkswagen holt sich schon Hilfe aus der Vergangenheit: Aus „Bass, Bass, wir brauchen Bass! Seid Ihr down?“ macht One-Hit-Wonder „Das Bo“: „Buzz, Buzz, Du brauchst ´nen Buzz. Der Preis ist down!“ Ob das hilft, um mehr elektrische ID.Buzzes zu verkaufen?

Allein sind die deutschen Autobauer mit ihren miesen ersten Quartalen nicht. Auch beim chinesischen Angreifer BYD war der Gewinn rückläufig. Margenkönig Stellantis meldet unterjährig zwar keine Gewinne, der Umsatz der Opel-Mutter brach im ersten Quartal aber ebenfalls ein. Die Stellantis-Aktie sackte am Dienstag um 10 Prozent ab. Auch Aston Martins Neu-Chef Adrian Hallmark (61) startet mit einer Hypothek. Die Briten schwächelten im ersten Quartal ebenfalls.

Immer weiter nach unten ging es an der Börse zuletzt auch für Tesla. Etwa 40 Prozent verlor die Aktie im Jahresverlauf, ehe ein China-Trip von Elon Musk Anfang der Woche für kurzzeitige Entspannung sorgte. Eine Kooperation mit Baidu soll Tesla beim autonomen Fahren helfen, die Aktie stieg am Montag um rund 10 Prozent. Am Dienstag war es aber schon wieder vorbei mit der Herrlichkeit. Wie erwähnt, wurden weitere Entlassungen publik: das Tesla-Papier fiel um knapp 6 Prozent.

Schaeffler kann Vitesco wie geplant übernehmen. Inzwischen haben die Aktionäre der beiden Zulieferer zugestimmt. Bis Ende des Jahres soll alles erledigt sein, der Name Vitesco verschwindet, Schaeffler zählt dann mit rund 25 Milliarden Euro Umsatz zu den zehn größten Autozulieferern der Welt. Finanziell größter Gewinner: Vitesco-Aufsichtsratschef und Porsche-Freund Siegfried Wolf (66). Falls Sie das in der vergangenen Woche hier empfohlene Porträt des Auto-Oligarchen noch nicht gelesen haben: es lohnt sich.

Mehr Mobilität: Nextbike ++ E-Scooter ++ Ladesäulen ++ Tankstellen

Beim Bundeskartellamt wurde der Deal bereits angekündigt, jetzt ist er vollzogen: Radverleiher Nextbike hat einen neuen Eigentümer. Die britische Private-Equity-Gesellschaft Star Capital kauft Tier Mobility alle Anteile an dem Leipziger Unternehmen ab. Tier hatte Nextbike vor rund zwei Jahren übernommen, war in der Folge aber in die Krise gerollert und geradelt. Jetzt geht es für Nextbike wieder eigenständig weiter. Der Jahresumsatz betrug zuletzt knapp 60 Millionen Euro.

Um E-Scooter ist ein neuer Streit entbrannt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Es geht um die Frage, ob die Roller leicht in Brand geraten könnten. Der TÜV-Verband attestiert zugelassenen E-Scootern ein „hohes Sicherheits- und Brandschutzniveau“. Zuvor hatte der Verband der Verkehrsunternehmen (VdV) nach einer Untersuchung der Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (Stuvatec) vor der Brandgefahr gewarnt und ÖPNV-Anbietern sogar geraten, die Mitnahme von E-Scootern zu verbieten. Einige sind der Empfehlung bereits gefolgt. Zum Ärger der Rollerszene: die findet die Stuvatec-Studie fehlerhaft.

Längst zum Gegenstand einer Dauerdiskussion geworden ist der Ladesäulenausbau für Elektroautos. Den nächsten Punkt will nun der europäische Lobbyverband der Automobilindustrie Acea machen: Aktuell würden in Europa jährlich 150.000 neue Ladesäulen installiert. Damit es 2030 genug gibt, müssten es aber 440.000 pro Jahr sein.

Auch wenn es bei den E-Stationen langsamer als erhofft vorangeht: Klassische Tankstellen werden für Betreiber offenbar immer unattraktiver. ExxonMobil hat sein deutsches Tankstellennetz schon vor einigen Jahren verkauft, jetzt will auch Phillips 66 seine Jet-Standorte in Deutschland und Österreich loswerden.

Zahl der Woche: 35 Millionen

Fisker produzierte zuletzt fast mehr negative Schlagzeilen als Autos. Gerade erst watschte das Verbrauchermagazin „Consumer Reports“ das SUV Ocean als „Unfinished Business“ ab. Jetzt will Gründer Henrik Fisker (60) seine Hollywood-Villa mit Blick auf den Sunset Strip verkaufen. Kostenpunkt: 35 Millionen Dollar. Fiskers anscheinend nicht mehr so trautes Heim wäre damit mehr wert als seine Autofirma – die wurde zuletzt noch mit rund 25 Millionen Dollar bewertet.

Deep Drive: Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?

Statt mit „Das Bo“, leiten wir mit „Fettes Brot“ zur Elektromobilität über. Die hängt in Deutschland durch, wie auch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften festgestellt hat. Nur 17 Prozent der Menschen würden aktuell hierzulande den Kauf eines Stromers in Betracht ziehen. Reichweite pfui, Ladenetz pfui. Und sind die Dinger wirklich so umweltfreundlich? Mal mehr, mal weniger verlässliche Studien dazu gibt es zuhauf. Nicht lügen sollte die ADAC-Pannenstatistik. Die beschäftigt sich zwar nicht mit Umweltaspekten. Interessant ist sie trotzdem: Im Vergleich mit gleichaltrigen Verbrennern zicken Stromer seltener. Vielleicht machen’s die E-Auto-Skeptiker ja doch.

Geisterfahrer der Woche

Gleich nochmal die verflixte 17: Japans Schnellzüge Shinkansen sind ein Muster an Beständigkeit, sie kommen praktisch nie zu spät. Mitte April hat es aber doch einen der japanischen „Bullet Trains“ erwischt. Der Zug hatte einen Geisterfahrer an Bord. Eine Schlange, die sich durch die Waggons schlängelte, sorgte für 17 Minuten Verspätung. Vielleicht ja auch etwas, das die Deutsche Bahn in ihren Begründungskatalog für Verzögerungen aufnehmen könnte. Technische Defekte oder „Personen im Gleis“ werden auf Dauer langweilig.

Kommen Sie gut und pünktlich durch die Woche!

Ihr Christoph Seyerlein

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