Union droht auf Parteitag handfester Europa-Streit
Berlin. Erst die Wiederwahl von Friedrich Merz, dann die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms: Auf dem CDU-Parteitag will die Union wichtige Weichen stellen. Doch nun könnte ein Streit über die europapolitische Ausrichtung der CDU den Konvent überlagern.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und CDU-Chef Friedrich Merz. Der Union droht auf ihrem Parteitag ein Europa-Streit.
Wehrpflicht, Schuldenbremse, Atomkraft, das sind die Themen, die auf dem am Montag beginnenden CDU-Parteitag in Berlin wohl kontrovers diskutiert werden dürften. Nun droht noch ein Streitthema hinzuzukommen – und das ist kurz vor der Europawahl ausgerechnet die europolitische Ausrichtung der Partei im neuen Grundsatzprogramm. „Wir fallen mit unseren Ambitionen weit hinter Helmut Kohl zurück“, lautet die scharfe Kritik des CDU-Europaabgeordneten und Vize-Chefs des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke. Der Europateil im Grundsatzprogramm sei „zu dünn“, so Radtke zu unserer Redaktion. „Unser Anspruch, die Europartei zu sein, müssen wir auch mit Leben füllen.“
Die heiße Phase des Wahlkampfes zum Urnengang am 9. Juni will die Union am dritten Tag ihres Treffens einläuten. Dann wird auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Rede halten, die Spitzenkandidatin der Union ist. Unter dem Titel „Politik für Europa in Frieden und Freiheit“ geht es im 74 Seiten umfassenden Grundsatzprogramm allerdings nur auf etwas mehr als zwei Seiten um das europäische Projekt und die Haltung der Union dazu. Zu wenig, finden Radtke und mit ihm der frühere Europaabgeordnete Elmar Brok. „Ich störe mich schon an einem Satz wie: Wir wollen mehr Europa dort, wo Europa Mehrwert schafft“, so Radtke. „Das ist kein Sound, den sich die Europapartei von Adenauer und Kohl zu eigen machen darf. Europa ist schon Mehrwert an sich als das große Friedensprojekt.“
Darüber hinaus sei es völlig falsch, Europa bei den Zuständigkeiten auf das Prinzip der Subsidiarität zu reduzieren. Es besagt, dass die EU-Mitgliedsstaaten die Dinge regeln sollen, die sie selber erledigen können. Nicht alles soll von der Brüsseler EU-Zentrale aus bestimmt werden. „Wir als CDA drängen darauf, auch den Begriff der Solidarität einzufügen. Denn darum geht es in Europa.“ Subsidiarität und Solidarität seien zwei Seiten einer Medaille, so Radtke. „Das gehört untrennbar zusammen, das ist christdemokratischer Markenkern.“
Auch die Forderung nach Verkleinerung der EU-Kommission greife zu kurz. „Als CDA schlagen wir eine Veränderung in Junior- und Senior-Kommissare vor. Analog dem Prinzip von Ministern und Staatssekretären in der Bundesregierung.“ So rückten dann auch wieder mehr die Themen in den Vordergrund, „die die Menschen bewegen und so stellen wir sicher, dass auch die Kleinen gleichberechtigt am Tisch sitzen“
Im Grundsatzprogramm heißt es zudem: „Wir wollen (…), dass die nationalen Verfassungsgerichte innerhalb des europäischen Verfassungsgerichtsverbunds gestärkt werden.“ In diesem Vorhaben stecke „Sprengkraft“, so Radtke. „Der Status Quo wird von keinem in Frage gestellt. Ich weiß nicht was das soll.“ Mit dem Versuch, Änderungen am Grundsatzprogramm vorzunehmen, scheiterte der Arbeitnehmerflügel im Vorfeld des Konvents. Radtke: „Als CDA werden wir auf dem Parteitag für unsere Änderungsanträge noch mal kämpfen.“
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