Umweltbedenken bremsen die Pläne für Japans 500-Stundenkilometer-Schnellzug
Der siebenteilige Magnetschwebezug der Central Japan Railway siebenteilige Magnetschwebebahn kehrt zum Bahnhof zurück.
Vor dem Fernbahnhof Shinagawa im Zentrum Tokios haben sich die Bagger schon tief in die Erde gegraben. Ganze 40 Meter unter dem bestehenden Bahnhofsgebäude, aus dem heute täglich Dutzende Shinkansen-Schnellzüge Richtung Osaka, Hiroshima und anderer japanischer Großstädte starten, soll ein neuer Bahnhof entstehen, für noch deutlich schnellere Züge. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern in der Stunde sollen von hier aus künftig Magnetschwebebahnen die Hauptstadt mit den beiden Millionenmetropolen Nagoya und Osaka verbinden.
Für die 285 Kilometer nach Nagoya soll die Bahn dann auf einer fast schnurgerade und weitgehend durch Tunnel verlaufenden Strecke nur noch 40 Minuten brauchen. Für die 400 Kilometer bis nach Osaka soll er 67 Minuten benötigen. Damit erreicht der neuartige Chuo-Shinkansen, der mit Magnetkräften zehn Zentimeter über der Schiene schwebt, beide Städte mehr als doppelt so schnell wie der herkömmliche Shinkansen, der auf Rädern und grob entlang der Küstenlinie fährt.
Es ist eines der größten Infrastrukturprojekte der japanischen Geschichte. In aller Welt wird es vor allem deshalb viel beachtet, weil es die Magnetschwebetechnik erstmals auf einer Langstreckenverbindung anwenden soll. Die Technologie, die einst auch in Deutschland unter dem Namen Transrapid vorangetrieben wurde, wird bislang vor allem für Nahverkehrsverbindungen zum Beispiel von der Innenstadt von Schanghai zum Flughafen verwendet. Neun Billionen Yen (55 Milliarden Euro) lässt sich Japan das Mammutvorhaben kosten.
Verzögerung wegen Bedenken zur Umweltbelastung
Doch ausgerechnet bei diesem Vorzeigeprojekt muss das Land, in dem sonst alle Züge pünktlich kommen, nun den geplanten Startzeitpunkt deutlich nach hinten verlegen. Statt wie geplant 2027 werden die ersten Bahnen wohl frühestens 2034 von Tokio nach Nagoya fahren, wie die Bahngesellschaft JR Central der japanischen Regierung nun mitteilte. Der Weiterbau bis nach Osaka, der bis 2034 vorgesehen war, dürfte sich dadurch ebenfalls verzögern.
Gerissen hat den Zeitplan nun vor allem der Widerstand der Regionalverwaltung der Präfektur Shizuoka, die ein Stück weit südwestlich von Tokio liegt. Gerade einmal 8,9 Kilometer des geplanten Streckenverlaufs führen durch die Region. Doch der Gouverneur Heita Kawakatsu hat mit seinen immer wieder vorgebrachten Bedenken zur Umweltbelastung der Tunnelbauten durch die südjapanischen Alpen dafür gesorgt, dass bis heute noch keinerlei Baufahrzeuge in seinem Gebiet aufgefahren sind. Er befürchtet ein Absinken des Grundwassers in der stark vom Anbau von Orangen und Wein geprägten Region. Kritiker sehen indes noch einen anderen Beweggrund für Kawakatsus Widerstand. Während alle anderen Präfekturen einen Bahnhof entlang der Magnetschwebestrecke bekommen, ist in Shizuoka keiner vorgesehen.
Ein neues Startdatum könne man heute noch nicht nennen, sagte Shunsuke Niwa, der Vorsitzende von JR Central. Da die Tunnelarbeiten in Shizuoka aber auf zehn Jahre angesetzt sind, sagte einer seiner Vorstandskollegen in den Gesprächen mit der Regierung, dass ein Starttermin vor 2034 unwahrscheinlich sei. Und das, obwohl an vielen anderen Teilen der Strecke längst gebaut wird und mehrere Abschnitte auch schon fertiggestellt sind. Japans Regierung will auf jeden Fall weiterhin alles daran setzen, den Bau so schnell wie möglich umzusetzen, sagte Yoshimasa Hayashi, Chefsekretär der Regierung, nach dem Gespräch mit den Managern von JR Central. Die Bauarbeiten in den anderen Regionen sollten daher wie geplant vorangetrieben werden.
Magnetschwebebahn als politisches Ziel
Der widerspenstige Gouverneur Kawakatsu trat indes nach 15 Jahren auf seinem Posten zurück, wenige Tage nachdem JR Central den Starttermin verschoben hat. Ein Grund für den Rücktritt war eine umstrittene Rede des Regionalpolitikers, in der er gesagt hatte, die Verwaltungsmitarbeiter seien intelligente Menschen, „anders als Gemüseverkäufer oder Menschen, die Vieh großziehen“. Der 75 Jahre alte Kawakatsu selbst begründete seinen Rückzug aber damit, dass JR Central neue Pläne vorgelegt habe, die er nun in neue Hände weiterreichen wollte. Die Planungen der Magnetschwebebahn hätten eine Wendung genommen, die für ihn ein wichtiges politisches Ziel gewesen seien.
Erste Pläne für eine Alternativroute zu der herkömmlichen Shinkansenstrecke zwischen Tokio, Nagoya und Osaka gab es schon in den 1980er-Jahren. Sie sollte eine Ausweichmöglichkeit bieten, falls es in der Region einmal ein schweres Erdbeben oder einen Tsunami geben sollte. Heute ist die Strecke überdies bis an die Belastungsgrenze ausgelastet. Tagsüber fahren die Shinkansen-Züge teilweise im Zwei-Minuten-Takt über die Gleisstränge, die drei der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen Japans miteinander verbinden. Die Pläne für die nun im Bau befindliche Strecke wurden Ende 2007 bekannt gegeben. 2014 wurde mit den ersten Bauarbeiten begonnen.