Ukrainer flehen um Luftabwehr: Wie Kiews Energieversorgung unter fehlenden Patriots leidet
Tag für Tag die gleichen Bilder: ukrainische Kraftwerke, zerstört nach russischen Angriffen. Schon die Hälfte des Energiesystems im Land ist beschädigt. Mitarbeiter der Energieversorger rufen den Westen um Hilfe, nur Luftabwehr könne die Rettung bringen.
Ukrainer flehen um Luftabwehr: Wie Kiews Energieversorgung unter fehlenden Patriots leidet
Auf die Frage, was der angegriffenen Energieversorgung in der Ukraine noch helfen kann, fällt Oleh nur ein Wort ein: “Patriots!” Nur mit Luftabwehr könne die Rettung kommen, meint der Abteilungsleiter eines der schwer getroffenen ukrainischen Kraftwerke. Die russischen Angriffe haben massive Schäden angerichtet – und lassen nicht nach.
Mit Reparaturen kommen die Ukrainer auf Dauer nicht weiter. “Raketen schlagen schnell ein. Reparieren dauert lange”, sagt Oleh. Einige Raketen des Typs Patriot haben die USA bereits geschickt, vergangene Woche weitere zugesagt. In der Ukraine zählt jeder Tag.
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Allein vier Kraftwerke des größten privaten Energieversorgers DTEK wurden in der vergangenen Woche an nur einem Tag angegriffen. Wie es in einem von ihnen aussieht, lässt sich bei einem Besuch vor Ort erfahren: Ein Teil des Kohlekraftwerkes ist zerstört, zerbrochenes Glas, zerschlagene Wände und verbogenes Metall sind geblieben.
Hälfte der Energieanlagen zerstört
Schon die Hälfte des ukrainischen Energiesystems wurde bei den russischen Angriffen beschädigt, wie Außenminister Dmytro Kuleba dem Magazin “Foreign Policy” sagte. Nach Angaben von DTEK verlor die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als zwei Jahren bei fast 180 Luftangriffen etwa 80 Prozent seiner Kapazität zur Stromerzeugung. Selbst wenn weitere Attacken ausblieben, würde die Reparatur zwischen sechs Monaten und zwei Jahren dauern, schätzt der Energieversorger.
Schon während des “Blackout-Winters” 2022/23 traf Russland die ukrainische Energieinfrastruktur gewaltig. Im März starteten die Angreifer dann eine neue Welle von Attacken, bei denen auch das Trypilska-Kraftwerk nahe Kiew – eines der größten des Landes – komplett zerstört wurde.
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Die Russen passten ihre Taktik immer wieder an, erklärt Oleh. Sie “lernen ständig dazu”, sagt er. Ursprünglich zielten sie auf Transformatoren, jetzt auf die Stromerzeugungsanlagen selbst – mit zunehmender Präzision. Auch werden Kraftwerke wiederholt ins Visier genommen: Von zehn Anlagen, die DTEK nach früheren Angriffen repariert habe, seien zwei Drittel erneut getroffen worden, erklärte Geschäftsführer Dmytro Sacharuk im März.
Immer mehr Raketen kommen durch
Und in den vergangenen Monaten drangen immer mehr russische Raketen durch – während die Ukraine weiter auf neue Waffenlieferungen aus dem Westen wartet. Derweil sind die Mittel und Ersatzteile zur Reparatur so gut wie aufgebraucht, und die Kraftwerke benötigen dringend spezielle Ausrüstung, die die Ukraine nicht mehr in ausreichender Menge und Geschwindigkeit herstellen kann.
Als der Angriff auf das DTEK-Kohlekraftwerk in der vergangenen Woche kam, war Ruslan gerade Schichtleiter. Er schickte seine Mannschaft in den Schutzkeller, blieb aber selbst im Betriebsraum. In naher Entfernung schlugen Geschosse ein. Ruslan eilte hinaus in die Dunkelheit, in den Staub, Richtung Flammen. Er habe keine Angst gehabt, sagt er. “Ich wusste, was ich zu tun hatte”: sich zu vergewissern, dass es seinem Team gut ging, und dann zu helfen, die Flammen zu löschen.
Trotz der riesigen Gefahr kommen Oleh, Ruslan und ihre Kollegen Tag und Nacht weiter ins Werk. Er werde arbeiten, solange er dazu in der Lage sei, betont Maschinenführer Dmytro. “Das ist unsere Pflicht gegenüber dem Land.”
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