Ukrainekrieg: Russische Armee übt mit taktischen Atomwaffen
FILE – In this photo taken from video provided by the Russian Defense Ministry Press Service on Tues data-portal-copyright=
Kremlchef Putin ordnet ein Manöver für Russlands Atomstreitkräfte an. Das ist auch ein Zeichen an den Westen – wohl als Reaktion auf eine Äußerung von Frankreichs Präsident Macron.
Mit der angekündigten Übung seiner taktischen Nuklearstreitkräfte geht Russland über bisherige Drohgebärden im Ukrainekrieg hinaus. „Wir haben es hier mit einer neuen Qualität zu tun, aber ich würde das Manöver auch nicht überbewerten“, sagt Ulrich Kühn vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH).
Russland habe zwar auch in der Vergangenheit mit seinen taktischen Nuklearkräften geübt, aber eben noch nicht während des Ukrainekriegs, betont Kühn. Der dänische Friedensforscher Hans M. Kristensen schrieb auf der Plattform „X“, seines Wissens werde ein solches Manöver erstmals mit klarem Bezug auf den Westen angekündigt. Dies sei ganz offensichtlich als ein Signal gedacht.
Das russische Verteidigungsministerium hatte die Übung am Montag bekannt gegeben. Sie diene dazu, die Bereitschaft der nicht strategischen Nuklearstreitkräfte zur Erfüllung von Kampfaufgaben zu erhöhen, und erfolge auf Anweisung von Präsident Wladimir Putin. An den Manövern sollten Raketeneinheiten des südlichen Militärbezirks sowie die Luftwaffe und die Marine beteiligt sein.
Taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus
Nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hatte Putin mehrfach über einen möglichen Einsatz von Nuklearwaffen gesprochen. Er wollte damit die westlichen Verbündeten der Ukraine davon abhalten, das Land militärisch zu unterstützen. Schon kurz nach Kriegsbeginn ließ der Kremlchef seine Nuklearstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen.
Im Frühjahr vergangenen Jahres hat Russland zudem taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus stationiert. Taktische Atomwaffen haben eine geringere Zerstörungskraft als strategische Sprengköpfe und sind für den Einsatz auf dem Schlachtfeld konzipiert, um dort militärische Erfolge zu erringen oder einen Gegner einzuschüchtern. Nach einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) verfügt Russland über etwa 2000 nicht strategische Atomwaffen.
Der Kreml schließt den Einsatz auch als Reaktion auf konventionelle Angriffe nicht aus. „Die Einbindung von taktischen Nuklearwaffen in die Übungen zeigt die praktische Umsetzung der Überlegungen des russischen Generalstabs seit Ende des Kalten Krieges“, sagt Severin Pleyer von der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr.
Sicherheitsexperte Kühn sieht aber eine gewisse Paradoxie im Zeitpunkt der Ankündigung. Denn im Oktober 2022, als die russischen Streitkräfte unter massivem Druck standen und die ukrainische Armee Geländegewinne erzielte, habe man in den USA die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearwaffeneinsatzes auf 50 Prozent eingeschätzt. Aktuell gewännen die Russen aber militärisch eher die Oberhand, sagt der IFSH-Forscher.
Die Ankündigung sei deshalb als klare Reaktion auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu verstehen. Der hatte in der vergangenen Woche zum wiederholten Mal die Entsendung französischer Bodentruppen in die Ukraine ins Spiel gebracht. Und der britische Außenminister David Cameron sagte, die ukrainischen Streitkräfte könnten britische Raketen mit größerer Reichweite einsetzen, um Ziele in Russland anzugreifen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sieht in solchen Wortmeldungen „eine neue Eskalationsstufe“. Sie seien der Grund für das angekündigte Manöver, sagte Peskow am Montag. Kühn wie auch Kristensen warnen den Westen nun aber davor, seinerseits Übungen der Atomstreitkräfte anzukündigen.
Die Nato solle vielmehr nukleare Drohungen erneut entschieden verurteilen und aus dem russischen Manöver lernen, schrieb Kristensen. Kühn betonte, der Westen sollte auf die G20-Erklärung vom September 2023 verweisen, wonach der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen „unzulässig“ ist. Diese Erklärung hatte seinerzeit auch China mitgetragen, das den Ukrainekrieg nicht klar verurteilt.
Chinas Staatspräsident Xi Jinping bekräftigte dies nun noch einmal: „Ich habe betont, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen und ein Atomkrieg nicht geführt werden darf“, schrieb Xi im Vorfeld seines Frankreichbesuchs in einem Gastbeitrag für die französische Zeitung „Le Figaro“.