Ukraine-Krieg: Russland droht mit Angriffen auf britisches Militär
Russland hat mit Attacken auf britische Militärziele in der Ukraine “und darüber hinaus” gedroht. Das geschehe, falls die Ukraine Russland mit britischen Waffen angreife.
Russlands Präsident Wladimir Putin beim Besuch eines Militärstandortes in Westrussland am 27. März
Das russische Außenministerium hat Großbritannien mit Angriffen auf britische Militäreinrichtungen gedroht, falls die Ukraine britische Waffen bei Attacken auf Ziele in Russland nutzen sollte. Das sei dem britischen Botschafter Nigel Casey gesagt worden, als er ins Außenministerium in Moskau einbestellt worden sei, teilte das Ministerium mit.
Hintergrund der Drohung ist nach Angaben aus Moskau eine Äußerung des britischen Außenministers David Cameron. Vergangene Woche hatte dieser bei einem Besuch in der Ukraine bekräftigt, das angegriffene Land dürfe britische Waffen auch gegen militärische Ziele auf russischem Gebiet einsetzen. Die Ukraine habe das Recht dazu, sagte Cameron und begründete seine Aussagen mit russischen Angriffen auf das ukrainische Hinterland.
Casey sei “hart” darauf hingewiesen worden, dass Camerons “feindlicher Vorstoß” bisherigen Äußerungen der britischen Regierung widerspreche, wonach britische Waffen nicht gegen russisches Gebiet eingesetzt werden dürften, teilte das russische Außenministerium mit. Großbritannien werde damit “de facto (…) zur Konfliktpartei”, Camerons Aussagen seien eine “ernst zu nehmende Eskalation”.
Der Botschafter sei zudem gewarnt worden, dass die Antwort auf ukrainische Angriffe mit britischen Waffen auf russisches Staatsgebiet zu russischen Angriffen auf “jegliche Militärobjekte und (militärisches) Gerät Großbritanniens auf dem Gebiet der Ukraine und darüber hinaus” sein könnten, hieß es aus Moskau weiter. Casey sei dazu aufgerufen worden, über die “unausweichlichen katastrophalen Folgen derartig feindlicher Schritte Londons” nachzudenken. Das britische Außenministerium werde dazu aufgefordert, Camerons Äußerung zurückzuziehen.
Die britische Regierung hat bislang nicht auf die Drohung aus Moskau reagiert.
Ukraine setzt westliche Waffen bislang nur auf eigenem Gebiet ein
Andere Unterstützerländer der Ukraine und bisher auch Großbritannien gestatten der Ukraine lediglich Angriffe auf Ziele in russisch besetzten ukrainischen Gebieten. Das ukrainische Militär greift zwar auch russische Militäreinrichtungen in Grenznähe und seit Jahresbeginn vermehrt auch russische Ölraffinerien teils mehr als 1.000 Kilometer hinter der Grenze an. Dabei nutzt das Land jedoch keine westlichen Waffen, sondern selbst entwickelte Drohnen oder sowjetische Waffen aus alten Beständen.
Belege für ukrainische Angriffe mit westlichen Waffen auf russisches Staatsgebiet gibt es bislang nicht. Weitreichende westliche Waffen wie etwa britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow sowie ATACMS-Raketen aus den USA nutzte die Ukraine bisher bei Angriffen auf Militäreinrichtungen auf der 2014 von Russland besetzten Krim.
Das Außenministerium in Moskau präzisierte nicht, welche britischen Ziele innerhalb oder außerhalb ukrainischen Gebiets angegriffen werden sollten. Russland hat Großbritannien aber schon mehrfach, die Ukraine mit eigenen Truppen verstärkt zu haben und spricht etwa von “Söldnern” auf dem Gebiet des angegriffenen Landes.
Beweise dafür gibt es nicht. Das ukrainische Militär unterhält zwar eine sogenannte Internationale Legion mit schätzungsweise mehreren Tausend Freiwilligen aus zahlreichen Ländern, die sich der Armee des Landes nach Kriegsbeginn angeschlossen haben. Dabei handelt es sich aber um Privatpersonen, die sich direkt für das ukrainische Militär verpflichtet haben und nicht um Truppen ihrer Heimatländer.
Frankreich dementiert Gerüchte über Truppen in der Ukraine
Der Moskauer Ministeriumsmitteilung zufolge wurde neben dem britischen auch der französische Botschafter einbestellt. Allerdings enthält das Schriftstück keine Angaben über die Inhalte des Gesprächs mit dem Vertreter Frankreichs. Hintergrund könnte eine Aussage von Emmanuel Macron sein, wonach er eine Entsendung französischer Truppen in die Ukraine für die Zukunft nicht ausschließe.
Macron hatte die Möglichkeit eines solchen Schritts erstmals im Februar öffentlich zur Sprache gebracht. Die anderen Nato-Staaten distanzierten sich davon und bekräftigten, keine eigenen Truppen in die Ukraine entsenden zu wollen. Auch Frankreichs Außenministerium hatte klargestellt, dass es nicht um Kampfeinsätze gehe.
Ende April erneuerte Macron seine Äußerungen. Mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin sagte er dem Economist, er schließe nichts aus, “weil wir es mit jemandem zu tun haben, der nichts ausschließt”. Er behalte sich vor, Truppen in die Ukraine zu entsenden, etwa falls Russland die Front im Osten des Landes durchbreche und die Ukraine darum bitte, sagte Macron. Bisher hat die Ukraine ihre westlichen Unterstützerländer nicht öffentlich dazu aufgefordert, die eigene Armee mit ausländischen Soldaten zu verstärken.
In den vergangenen Tagen wurden in sozialen Medien Gerüchte verbreitet, wonach französische Einheiten bereits in der Ukraine seien. Frankreichs Außenministerium wies das als Desinformation zurück. “Nein, Frankreich hat keine Truppen in die Ukraine geschickt”, teilte die Behörde auf der Plattform X mit.
Russland kündigt Atomübungen nahe der Ukraine an
Kurz vor der Einbestellung der Botschafter Frankreichs und Großbritanniens ins russische Außenministerium hat Putin eine Übung des Einsatzes taktischer Atomwaffen in Nähe der Ukraine angeordnet. Wann und wo genau das Manöver stattfinden solle, geht aus einer entsprechenden Mitteilung des russischen Verteidigungsministeriums nicht hervor.
Zwar gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass bei der Übung Waffen eingesetzt werden, die tatsächlich mit einem nuklearen Gefechtskopf bestückt sind. Dennoch handelt es sich laut Berichten unabhängiger russischer Exilmedien um die erste Übung dieser Art seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991.
Mit der Übung werde die “Bereitschaft” des Militärs aufrechterhalten, nachdem westliche Vertreter “provokative Äußerungen und Drohungen gegen Russland” getätigt hätten, teilte das Ministerium mit.
Medwedew droht mit Angriffen auf westliche Hauptstädte
Deutlichere Drohungen sprach Russlands Ex-Präsident und Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, aus. Die Zahl von “Schuften” aus der “westlichen politischen Elite” wachse, die “ihre Truppen in ein nicht existierendes Land” entsenden wollten, schrieb er mit Blick auf die Ukraine auf Telegram. Sollte es dazu kommen, werde die Antwort nicht auf ukrainischem Gebiet erfolgen, drohte er an, sondern in Paris, Washington D.C. und London. “Und genau deswegen” habe der russische Generalstab die Atomübungen eingeleitet.
Derartige Drohungen von russischer Seite und insbesondere seitens Medwedews sind nicht neu. Bereits kurz nach Kriegsbeginn hatten er und weitere hochrangige Vertreter der russischen Regierung mit Angriffen auf Unterstützerländer der Ukraine gedroht und dabei auch von Atomangriffen gesprochen.
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