Trotz der Niederlage der britischen Konservativen: Premier Sunak macht einfach weiter
Nach den schweren Verlusten bei der Kommunalwahl in England bleibt die parteiinterne Revolte aus. Doch die Debatte über einen weiteren Rechtsruck vor den Unterhauswahlen beginnt.
Zuversichtlich: Premier Rishi Sunak spielt die Niederlage bei den Kommunalwahlen herunter.
Trotz des verheerenden Abschneidens seiner Partei bei den englischen Kommunalwahlen am Donnerstag gibt sich Premierminister Rishi Sunak unverdrossen optimistisch. Das sei natürlich „eine bittere Enttäuschung“, vertraute der Regierungschef der „Times“ an, aber: „Wir sind die einzige Partei, die einen Plan für die Zukunft hat.“
Damit will Sunak die Auswirkungen dieser Niederlage für die spätestens im Januar 2025 stattfindenden Unterhauswahlen herunterspielen. Und es sieht danach aus, als werde der knapp 44-jährige Parteichef die Konservativen in diese Wahlen führen.
Den Torys wird dabei eine Niederlage vorausgesagt wird. Denn die wortreich angekündigte Rebellion innerhalb der konservativen Partei gegen den Chef blieb aus.
Dabei lassen sich die Ergebnisse der Kommunalwahlen kaum schönreden. Von den knapp tausend Kommunalmandaten, über die insgesamt entschieden wurde, verloren die Torys beinahe die Hälfte. Zehn der elf sogenannten Metro Mayors, der Bürgermeister von Großstädten wie London über Birmingham und Mancester bis zur Region Nord-Yorkshire, gehören der Labour-Party an.
In London sicherte sich der Amtsinhaber und Labour-Politiker Sadiq Khan einen historischen Wahlerfolg – als erstes Stadtoberhaupt Londons sicherte er sich eine dritte Amtszeit
Lediglich in der nordöstlichen Region rund um Middlesbrough (Teesside) konnte der Konservative Ben Houchen vom Amtsbonus zehren; allerdings hatte er sich im Wahlkampf von der Londoner Zentralregierung distanziert und seine Parteizugehörigkeit kaum zu erkennen gegeben.
Birmingham ging knapp verloren
Die gleiche Strategie fuhr Andy Street im Großraum um die zweitgrößte englische Stadt Birmingham mit ihren drei Millionen Einwohnern. Am Ende einer langwierigen Auszählung fehlten ihm am Samstagabend gerade mal 1508 Stimmen zur Wiederwahl.
Tapfer nahm der frühere Einzelhandelsmanager die Verantwortung für die Niederlage gegen seinen völlig unbekannten Labour-Konkurrenten Richard Parker auf sich und warnte die Torys vor einem Rechtsruck: „Das wäre der falsche Weg.“
Genau diesen Pfad hingegen wollen Politiker des Rechtsaußen-Flügels der Konservativen wie die zweimal von ihren Kabinettsposten gefeuerte Suella Braverman einschlagen. Auf Politikfeldern wie Immigration, Steuern und Polizei müsse die Regierung „starke Führung zeigen“ anstatt vor sich hin zu managen, fordert sie.
Peinlicher Werbefilm in London wurde zurückgezogen
In der Hauptstadt war der Wahlkampf teilweise auch peinlich für die Konservativen gewesen. Nach wütenden Protesten mussten sie einen Werbefilm zurückziehen. Darin war London als „Verbrechensmetropole“ bezeichnet worden, in der Bürgermeister Khan „maskierte Gebühreneintreiber“ losschicke, um unschuldige Autofahrer zu terrorisieren.
Khan hatte die Verbesserung der häufig sehr schlechten Luftqualität zu seinem zentralen Anliegen gekürt. Dafür wurde der Sohn pakistanischer Einwanderer von einer Koalition aus Rassisten, Islamisten und Klima-Leugnern bekämpft.
Extreme Gefährdung des Gegners ausgeschlachtet
Der Bürgermeister von London musste sich auch dafür kritisieren lassen, dass er zu öffentlichen Auftritten im gepanzerten Landrover mit Begleitschutz kommt, anstatt wie seine Vorgänger Ken Livingstone mit der U-Bahn oder Boris Johnson mit dem Fahrrad durch London zu reisen.
Dabei haben die Politiker gar keinen Einfluss auf die Gefährdungsbeurteilung durch die Sicherheitsbehörden. In Khans Fall lautet deren Urteil seit 2017: höchste Gefahrenstufe durch rechtsextreme Rassisten und islamistische Fanatiker. Dass Politikern von beiden Gruppen Gefahr droht, haben die Morde an den Unterhausabgeordneten Jo Cox 2016 und David Amess 2021 bewiesen.
Sunak klammert sich an umstrittene Prognose
Die Wiederwahl Khans in London, Parkers knapper Sieg in Birmingham, aber auch die Erfolge in Wechselwähler-Wahlkreisen im sogenannten Middle England sorgten bei Labour für gute Stimmung. Hingegen klammert sich Premier Sunak an eine Analyse von Colin Rallings und Michael Thrasher vom Oxforder Nuffield College.
Die nächste Wahl ist noch nicht entschieden.
Rishi Sunak, Parteivorsitzender und Premier nach der Niederlage bei den Kommunalwahlen
Umgerechnet auf die Unterhauswahl, glauben die erfahrenen Wahlforscher, würden die Ergebnisse vom Donnerstag zwar für einen Labour-Sieg reichen; womöglich bliebe die alte Arbeiterpartei aber auf die Unterstützung kleiner Kräfte angewiesen. „Das wäre ein Desaster fürs Land“, warnen die Konservativen.
Freilich äußern andere Politologen und Demoskopen erhebliche Zweifel an der Oxforder Vorhersage. Bekanntermaßen passen die Briten ihr Wahlverhalten häufig an das jeweils geltende System und die Bedeutung des Urnengangs an.
Wer etwa am Donnerstag das Kreuz bei Liberaldemokraten oder Grünen machte – beide Parteien verzeichneten gewaltige Zugewinne, die Liberalen holten sogar mehr Mandate als die Regierungspartei –, könnte bei der Unterhauswahl ins Labour-Lager zurückkehren. Gleichzeitig muss Sunaks Partei eine Abwanderung rechtsgerichteter Wähler zu Rechtspopulist Nigel Farages Reform-Bewegung verkraften.
Doch der Premier macht einfach weiter und scheint sich nicht beirren lassen zu wollen. „Ich will den Menschen zeigen, was wir für sie erreichen“, sagt Sunak. „Die nächste Wahl ist noch nicht entschieden.“