»Tatort« aus Köln: »Diesmal ist es anders« mit Schenk und Ballauf
»Tatort«, zartbitter: Eine Schlagersängerin wird des Mordes verdächtigt – und die neue Flamme von Kommissar Ballauf gleich mit. Schmerz und Schmelz kommen hier im raffinierten Mischverhältnis zusammen.
»Tatort« aus Köln: »Diesmal ist es anders« mit Schenk und Ballauf
Sie muss drei Minuten gute Laune zaubern, dafür gibt es 8000 Euro bar auf die Kralle. Die einstige Schlagergröße Mariella Rosanelli ist auf eine Betriebsfeier gebucht, um ihren großen Hit »Der Mann, bei dem sich’s lohnt« zu singen, mit dem sie es Anfang der Neunzigerjahre kurzzeitig zu Starruhm gebracht hatte. Es gibt Torte, Sekt und Urkunden für besonders leistungsstarke Mitarbeiterinnen. Ein Verehrer überreicht eine Rose; die Sängerin schunkelt sich melancholisch zum Beat vom Band durch die Bistrotische und schmettert: »Ich sag: ›Barmann, ich will Tonic-Gin/ Viel Gin und wenig Tonic drin‹/ Dafür ist es nie zu spät«.
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Das alkoholselige Lied, das in diesem »Tatort« so prominent platziert ist, wurde von Drehbuchautor Wolfgang Stauch getextet, von Filmkomponist Raffael Seyfried komponiert und eingespielt und – vielleicht am wichtigsten – von Rosanelli-Darstellerin Leslie Malton patent eingesungen. Sehnsucht, Suff und Selbstbetrug im Halbplayback.
Das mit der Sehnsucht und dem Selbstbetrug passt sehr gut in diesen zartbitteren »Tatort«. Alle paar Jahre passiert es ja, dass sich Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) verliebt, meist scheitert er dann doch mit der Beziehung. Diesmal soll es anders sein. Der Hallodri hat sich in die Journalistin Nicola (Jenny Schily) verguckt, die ein kleines Stadtmagazin leitet. Man trinkt zusammen, man tanzt zusammen, man wacht morgens nebeneinander auf, um ein zukünftiges gemeinsames Leben zu planen.
»Diesmal ist es anders« lautet der Titel dieses »Tatort«-Films. Aber natürlich ist nichts anders, denn gemäß der Logik der Krimireihe sieht es so aus, als sei die Liebe des Kommissars in ein Verbrechen verstrickt.
Sehnsucht, Suff und Selbstbetrug
Ein Arbeitsloser wurde mit einem Auto totgefahren; in der Wohnung des Opfers tut sich ein riesiges Archiv auf, das zu verschiedenen, in Köln lebenden B- und C-Promis angelegt wurde. 327 Namen und 10.000 Screenshots von kompromittierenden Verlautbarungen in sozialen Netzwerken finden sich darin. Offenbar war das Opfer ein Erpresser, der berühmte oder semiberühmte Menschen mit einstigen Fehltritten konfrontierte, um abzukassieren. Es ging um Summen im fünfstelligen Bereich. Auch der Name der Schlagersängerin Rosanelli findet sich in der Kartei, und wie Kommissar Ballauf mit seinem Kollegen Schenk (Dietmar Bär) entdecken muss, steht seine neue Flamme in engem Kontakt mit der verdächtigen Künstlerin.
Dieser »Tatort« ist vertrackt angelegt, besitzt aber einen schönen Schmelz. Drehbuchautor Stauch hat mit Regisseur Torsten C. Fischer zuvor schon die sensationelle Kölner »Tatort«-Folge »Vier Jahre« umgesetzt, wo es um den abgehalfterten Darsteller eines Fernsehtierdoktors (»Der Arzt, dem die Sauen vertrauen«) ging, der des Mordes verurteilt worden war. Zu einem komplizierten Rückblendenkonstrukt wurden etliche Versionen der Herbst-Hymne »Autumn Leaves« abgespielt. Auch die neue Folge fährt zugleich Sentiment und Sarkasmus auf.
Journalistinnen mit flexibler Moral
Der Plot führt tief in die Vergangenheit der beiden zentralen Frauencharaktere, der Sängerin und der Journalistin. Als Studentinnen waren sie gemeinsam als Aufsicht auf der Jugendfreizeit eines linksalternativen Zusammenschlusses mit dem Namen Chaos-Chöre tätig, bei der ein Begleiter offenbar übergriffig gegenüber den Minderjährigen war. Ballauf und Schenk ermitteln nun zwischen zersausten Plattenhändlern mit Sponti-Vergangenheit und gestressten Journalistinnen mit flexibler Moral.
Ballauf bekommt einerseits ein paar der zärtlichsten Szenen seiner Kommissarskarriere geschenkt, zweifelt aber immer mehr an der Person, die er für die große Liebe seines Lebens hält. So wird das mit dem Pärchenglück nichts.
Zum unabwendbar scheinenden Absturz laufen in diesem Edel-»Tatort« exquisite Jazzrock-, Folkpop- und Tropicalismo-Songs. Und natürlich immer wieder »Der Mann, bei dem sich’s lohnt«. Als Getränk zum Zuschauen auf der Couch empfehlen wird dem Liedtext gemäß Tonic-Gin mit viel Gin und wenig Tonic drin.
Bewertung: 8 von 10 Punkten
»Tatort: Diesmal ist es anders«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste